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Türkei kurz vor US-Sanktionen? Türkische Lira unmittelbar vor neuem Allzeittief

Schon mal was von Andrew Brunson gehört? Der US-Amerikaner war 20 Jahre lang Leiter einer christlichen Kirche im türkischen Izmir. Doch dann wurde er nach dem gescheiterten Putsch gegen Präsident Erdogan verhaftet. So richtig wusste die türkische Justiz wohl nicht, weswegen genau man Brunson anklagen wollte. So geht es mal um eine angebliche Nähe zur Gülen-Bewegung. Dann soll Brunson angeblich PKK-Unterstützer sein. Und auch als Spion der USA soll er angeblich tätig gewesen sein.

Wie auch immer. US-Präsident Trump drang lange Zeit auf die Freilassung von Brunson. Letzte Woche wurde er nicht freigelassen, sondern aus der Untersuchungshaft in einen Hausarrest überstellt, und er musste seinen Pass abgeben. Trump und sein Vize Pence (das Sprachrohr der Evangelikalen in der US-Regierung) wollten aber eine richtige Freilassung erwirken, die nicht erfolgt ist. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Erdogan diesen US-Geistlichen quasi als Faustpfand hält, welches er freigeben würde, wenn die USA den verhassten Prediger Gülen in die Türkei überstellen. Denn Erdogan sagte unlängst in Richtung USA „ihr habt ja auch einen Prediger“.

Die USA werden aber Gülen wohl kaum ausweisen. Und so wird auch Brunson erst einmal weiter im türkischen Hausarrest schlummern. Daher drohen die USA derzeit mit Finanz-Sanktionen gegen die Türkei. Dies könnte jederzeit geschehen. Eine Möglichkeit ist, dass die USA bei Weltbank und/oder IWF ein Veto einlegen, falls die Türkei dort Hilfszahlungen erbitten würde. Solch eine Maßnahme wird derzeit im US-Senat vorbereitet. Auch könnten die USA theoretisch wie praktisch einfach erklären, dass türkische Banken vom US-Dollar-Zahlungssystem ausgeschlossen werden.

Das würde de facto eine Isolierung vom internationalen Kapitalmarkt bedeuten, wenn US-Banken und sonstige US-Institutionen beispielsweise keine Geschäfte mehr mit türkischen Banken abwickeln dürften. Es wäre eine mehr als außergewöhnliche Situation, da die Türkei in der NATO ist, und somit militärischer Alliierter der USA. Die Amerikaner betreiben im Südosten der Türkei einen Luftwaffen-Stützpunkt, der für ihre Aktivitäten in Syrien sehr wichtig ist. Möglich wäre im Rahmen einer Eskalation dann auch, dass die Türkei die USA dort rausschmeißt.

Aber so weit sind wir ja noch lange nicht. Möglich ist natürlich auch jederzeit eine Deeskalation, bei der Erdogan sein Gesicht nicht verliert. Zum Beispiel einfach eine Freilassung aus dem Hausarrest durch ein Gericht, wo Erdogan dann auf die Unabhängigkeit des Richters verweisen kann? Aber noch ist das nicht passiert, und die US-Sanktionen könnten jederzeit verkündet werden. Dementsprechend nervös ist derzeit der Kapitalmarkt in Sachen Türkei.

Türkische Lira vor neuem Allzeittief

Die Türkische Lira steht aktuell unmittelbar davor ihr Allzeittief vom 11. Juli zu unterschreiten (Chart spiegelverkehrt). Da musste man nämlich 5,79 türkische Lira für 1 Euro bezahlen, und vorhin lag der Kurs schon bei 5,77. Bei US-Dollar vs Türkische Lira sieht es kaum besser aus. Im Tief stand die Lira bei 4,97 für 1 US-Dollar – aktuell steht man bei 4,93. Werden die Tiefs vom 11. Juli unterlaufen, ist jede Menge Luft vorhanden für eine weitere starke Abwertung der türkischen Lira. Treten US-Sanktionen in Kraft, dürfte noch mehr ausländisches Kapital die Türkei verlassen.

Euro vs Türkische Lira seit Dezember 2017
Euro vs Türkische Lira seit Dezember 2017.



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