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Türkei: Lira hat monatelang kräftig abgewertet – Zentralbank agiert nicht

Die türkische Lira hat monatelang kräftig an Wert verloren. Die Zentralbank agiert daraufhin aber gar nicht - blicken wir auf den Leitzins und die grassierende Inflation in der Türkei.

Türkei-Fahne

Die Inflation in der Türkei hatte gerade erst 70 Prozent erreicht, und die Erzeugerpreise sogar eine Steigerung von 122 Prozent. Die Zentralbank hätte mit Blick auf diese Daten eigentlich die Zinsen deutlich anheben müssen. Aber Präsident Erdogan, der bereits Notenbankfunktionäre ausgetauscht hatte, wünscht weiter fallende Zinsen. Bislang kam die Zentralbank in Ankara diesem Wunsch auch nach im letzten Jahr, mit Zinssenkungen von 19 auf 14 Prozent. Seit Januar 2022 hängt der Leitzins nun aber bei diesen 14 Prozent, während die Inflation in der Türkei seitdem kräftig weiter gestiegen ist, von 36 Prozent im Dezember 2021 auf zuletzt 70 Prozent. In der folgenden Grafik, die 12 Monate zurückreicht, haben wir für die Türkei Leitzins und Inflation miteinander verglichen. Eigentlich müsste der Leitzins der Inflation auf dem Weg nach oben folgen und sogar höher angesetzt werden, um die Teuerung auszubremsen. Aber hier geschieht das Gegenteil.

Leitzins in der Türkei wird bei 14 Prozent belassen – trotz grassierender Inflation

Gestern nun hat die Zentralbank in Ankara eine weitere Zinsentscheidung veröffentlicht. Und erneut bleibt man unverändert bei 14 Prozent im Leitzins für die Türkei. Hängen die Notenbanker aktuell genau zwischen zwei Stühlen? Auf der einen Seite der politische Druck den Zins weiter zu senken – auf der anderen Seite die explodierende Inflation in der Türkei, die eigentlich Zinsanhebungen notwendig macht – also entscheidet man sich für die goldene Mitte, und belässt den Leitzins bei 14 Prozent, so wie bei den letzten Entscheidungen? Es sieht momentan jedenfalls wirklich danach aus, dass dieses Szenario derzeit Realität ist.

Laut einer Umfrage der türkischen Zentralbank unter Finanzmarktteilnehmern, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wurde, dürfte sich die Inflation in der Türkei bis zum Jahresende auf 57,9 Prozent verlangsamen. Eine frühere Umfrage im April hatte eine Inflationsrate von 46,7 Prozent zum Jahresende vorausgesagt. Im Januar hatte die durchschnittliche Schätzung noch bei 30,3 Prozent gelegen.

Türkische Lira hat massiv abgewertet – wie geht es weiter?

Die türkische Lira hat die letzten Wochen und Monate bereits massiv abgewertet. Zum Jahresanfang musste man noch 13 Lira für 1 US-Dollar aufbringen, aktuell sind es bereits 16,39 Lira. Zuletzt hatte sich die Abwertung der türkischen Lira spürbar fortgesetzt. Die Gründe hatten wir erst vor zwei Wochen im Detail erläutert (siehe Artikel dazu hier). Hauptsächlich liegt die Lira-Abwertung an der beschriebenen Politik, dass die Inflation in der Türkei grassiert, dass aber die politisch gelenkte Zentralbank nichts dagegen tut. Im Gegenteil, die Zinsen wurden letztes Jahr massiv gesenkt, und jetzt werden sie nicht erhöht. Weitere Abwertungen der Lira sind denkbar, weil der Devisenmarkt sieht, dass derzeit von Seiten der Zentralbank keine Bekämpfung der Inflation vorgesehen ist.


source: tradingeconomics.com

Aussagen der Zentralbank

Was hat die türkische Zentralbank gestern zu ihrer Entscheidung gesagt, den Leitzins unverändert bei 14 Prozent zu belassen? Hier im Wortlaut, übersetzt:

Die Eskalation der anhaltenden geopolitischen Risiken hält die Abwärtsrisiken für die regionale und globale Wirtschaftstätigkeit am Leben und erhöht die Unsicherheit. Die zunehmende Besorgnis über die weltweite Nahrungsmittelsicherheit, die durch Handelsbeschränkungen, einen hohen Verlauf der Rohstoffpreise, Versorgungsengpässe in einigen Sektoren, die insbesondere bei Energie und Nahrungsmitteln deutlicher zutage treten, und hohe Transportkosten ausgelöst wird, hat zu einem internationalen Anstieg der Erzeuger- und Verbraucherpreise geführt. Die Auswirkungen der hohen weltweiten Inflation auf die Inflationserwartungen und die internationalen Finanzmärkte werden genau beobachtet. Darüber hinaus betonen die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, dass der Anstieg der Inflation aufgrund der steigenden Energiepreise und des Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage länger anhalten könnte als bisher angenommen. Dementsprechend variieren die geldpolitischen Schritte der Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwar je nach den unterschiedlichen Aussichten für die Wirtschaftstätigkeit, den Arbeitsmarkt und die Inflationserwartungen, doch halten sie weiterhin an ihrer unterstützenden geldpolitischen Haltung fest.

Der Grad der Kapazitätsauslastung und andere Frühindikatoren zeigen, dass die Wirtschaftstätigkeit im Inland weiterhin stark ist, mit Hilfe einer robusteren Auslandsnachfrage, auch wenn sich einige regionale Unterschiede zeigen. Während der Anteil der nachhaltigen Komponenten des Wirtschaftswachstums zunimmt, bleiben die Risiken für die Leistungsbilanz aufgrund der Energiepreise bestehen. Ein nachhaltiger Leistungsbilanzsaldo ist wichtig für die Preisstabilität. Der Ausschuss der Zentralbank ist auch der Ansicht, dass das Kreditwachstum, einschließlich der langfristigen Investitionskredite und der gezielten Verwendung der abgerufenen Mittel für die reale Wirtschaftstätigkeit, wichtig für die Finanzstabilität ist. In diesem Zusammenhang wird der Ausschuss die verstärkte makroprudenzielle Politik durch zusätzliche Maßnahmen entschlossen weiter umsetzen.

Der Inflationsanstieg ist auf steigende Energiekosten infolge geopolitischer Entwicklungen, auf vorübergehende Auswirkungen von Preisbildungen, die nicht durch wirtschaftliche Fundamentaldaten gestützt werden, sowie auf starke negative Angebotsschocks infolge des Anstiegs der weltweiten Energie-, Nahrungsmittel- und Agrarrohstoffpreise zurückzuführen. Der Ausschuss der Zentralbank geht davon aus, dass der Desinflationsprozess aufgrund verstärkter Maßnahmen für eine nachhaltige Preis- und Finanzstabilität sowie des Rückgangs der Inflation aufgrund des Basiseffekts und der Beilegung des anhaltenden regionalen Konflikts einsetzen wird. Daher hat der Ausschuss beschlossen, den Leitzins unverändert zu lassen. Um eine institutionelle Grundlage für nachhaltige Preisstabilität zu schaffen, wird die umfassende Überprüfung des politischen Rahmens mit dem Ziel fortgesetzt, eine dauerhafte und verstärkte Liraisierung aller politischen Instrumente der CBRT zu fördern. Die sicherheits- und liquiditätspolitischen Maßnahmen, deren Überprüfung abgeschlossen ist, werden umgesetzt.



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2 Kommentare

  1. Na ja, der Basiseffekt bzgl. Inflation schlägt schlägt spätestens Anfang 2023 überall zu. Dann sollte zwar die Inflation sinken, ein steigen wäre dann schon für Alle heftig. Dumm nur, dass für den „Normalo“ ein sinken der Inflation dann immer noch eine Preissteigrung bedeutet, zwar geringer, doch auf hohem Niveau. Dieses Niveau dürfte ja für einige Jahre so bleiben. Na ja, vielleicht sinken die Rohstoffkosten ja bald sehr – diese Hoffnung kann man ja haben, um sich die Laune nicht zusehr zu verderben.

  2. Der Ziegenkäse ist gelutscht…Game over… Bye, bye, Erdo…

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