Devisen

Türkische Lira fällt auf 20 pro US-Dollar – letzter Aufruf vor der Wahl

Die türkische Lira fällt aktuell auf 20 pro US-Dollar. Am Devisenmarkt ist dies sozusagen der letzte Aufruf vor der Stichwahl am Sonntag.

Türkei-Flaggen in Izmir

Die türkische Lira wertet weiter ab. Am 12. Mai noch bei einem Wechselkurs von 19,55, so kostet 1 US-Dollar jetzt 20,02 Lira. Die große runde Marke von 20 ist doch tatsächlich erreicht worden, und das am letzten Börsentag vor der Stichwahl in der Türkei! Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan hatte bei der Präsidentschaftswahl am 14. Mai die absolute Mehrheit von 49,5 Prozent knapp verfehlt. Sein Herausforderer und Kemal Kilicdaroglu erhielt 44,9 Prozent der Stimmen. Der aussichtsreiche dritte Kandidat Sinan Ogan, der bei der Wahl am 14. Mai nur 5,2 % der Stimmen erhielt, sagte am Montag er werde Präsident Erdogan bei der Stichwahl unterstützen. Also wird Erdogan am Sonntag die Mehrheit schaffen?

Türkische Lira baut vor für die Stichwahl am Sonntag

Wer sich vorher noch positionieren will, hat jetzt noch ein paar Stunden Zeit am Devisenmarkt. Die Händler preisen mit der aktuell laufenden Lira-Abwertung offenbar ein, dass Präsident Erdogan gewinnen wird, und dass er seine Politik der Kontrolle über die türkische Zentralbank fortsetzen wird. Also weiterhin viel zu niedrige Zinsen (Leitzins 8,5 %) bei 43,68 % Inflation in der Türkei? Dies ist für die türkische Lira keine gute Aussicht, und am Markt wettet man offenbar auf dieses Szenario für Sonntag. In der TradingView Grafik sehen wir US-Dollar vs türkische Lira im Verlauf der letzten fünf Jahre. 2018 musste man für 1 US-Dollar gerade mal 4,64 Lira aufbringen, jetzt wie gesagt mehr als 20 Lira.

US-Dollar gegen türkische Lira im Verlauf der letzten fünf Jahre

Weiterer Schmerz für die Kapitalmärkte?

Die Wetten auf einen möglichen Rückgang der streng gemanagten Währung der Türkei sind gestiegen, da sich die Geldverwalter auf die Stichwahl vorbereiten, so Bloomberg aktuell. Aktien und Auslandsanleihen sind ebenfalls eingebrochen. Nun wägen Händler die Möglichkeit einer Änderung des unkonventionellen Wirtschaftsmodells ab, das auf Zinssenkungen zur Ankurbelung des Wachstums trotz steigender Inflation und einer strengen Kontrolle des Wechselkurses beruht. Die türkische Regierung hat stark interveniert, um die türkische Lira zu stützen, was dazu führte, dass die Nettoreserven der Türkei zum ersten Mal seit 21 Jahren unter Null fielen.

„Diese Maßnahmen zur Stützung der Lira und des türkischen Kredits sind ohne einen orthodoxen Politikwechsel nur begrenzt haltbar“, so Patrick Curran, leitender Wirtschaftswissenschaftler bei Tellimer in London. „Ohne drastische Zinserhöhungen und eine Abwertung der Lira, um Auslandsinvestitionen anzuziehen und das Leistungsbilanzdefizit einzudämmen, wird das Kartenhaus schließlich zusammenbrechen“, so Curran.

Nach Ansicht von Kaan Nazli, einem Vermögensverwalter bei Neuberger Berman in Den Haag, hat die Türkei angesichts der schwindenden Reserven wahrscheinlich „etwas, aber nicht viel Spielraum für weitere Interventionen“. Einschließlich der Swap-Linien mit Kreditgebern und anderen Zentralbanken schätzt er, dass das Land zwischen 23 und 25 Milliarden Dollar mehr an ausgabefähigem Bargeld zur Verfügung haben könnte.

Das ist nicht viel im Vergleich zu den 177 Milliarden Dollar, die die Behörden in den letzten 16 Monaten auf den Devisenmärkten ausgegeben haben, um die türkische Lira zu stützen, so eine Schätzung von Bloomberg Economics.

Derivatehändler rechnen mit einer 53 %igen Chance, dass die Lira im vierten Quartal auf 29 pro Dollar abrutscht. Im Vergleich dazu lag die Wahrscheinlichkeit einer solchen Abwertung bei 36 %, die die Händler sahen, als die Ergebnisse der ersten Wahlrunde in der Türkei zeigten, dass sie mit ihrer Wette auf ein schnelles Ende des unkonventionellen Politikmixes falsch lagen.

Verschiebung des Marktes

Die türkischen Vermögenswerte signalisieren einen Stimmungsumschwung bei den Anlegern seit dem Vorlauf der ersten Runde. Damals setzten einige Händler auf Veränderungen, die die 900 Milliarden Dollar schwere Wirtschaft der Türkei auf einen nachhaltigeren Wachstumspfad bringen würden. Der Borsa Istanbul 100 Index stieg in der Woche vor der Abstimmung um etwa 9 %. In den zwei Wochen seither ist der Index um fast um die gleiche Größenordnung gesunken. Die türkischen Banken haben die Hauptlast dieses Verlustes getragen. Die Bankaktien sind seit der ersten Runde um 23 % gesunken.

Türkei-Aktienmarkt performt schlechter als MSCI

Es gibt Anzeichen dafür, dass auch die Wetten auf den Märkten für ausländische Anleihen neu kalibriert werden. Die zusätzliche Rendite, die Anleger für türkische Staatsanleihen in Dollar gegenüber vergleichbaren US-Treasuries verlangen, ist nach Angaben von JPMorgan in den letzten zwei Wochen um bis zu 1,85 Prozentpunkte angestiegen. Diese Risikoprämie erreichte Anfang dieser Woche 6,33 Prozentpunkte, den höchsten Wert seit September, und liegt deutlich über dem Durchschnitt der Schwellenländer von 4,75 Prozentpunkten.

Risikoaufschlag für türkische Anleihen

Angesichts des Renditeanstiegs forderte die türkische Zentralbank diese Woche einige lokale Banken auf, Anleihen zu kaufen – ein Schritt, der den Wertpapieren einen leichten Auftrieb verlieh. Dennoch hat der größte britische Vermögensverwalter Legal & General Investment Management Ltd. eine neutrale Haltung gegenüber türkischen Anleihen eingenommen, nachdem er nach der ersten Abstimmung eine untergewichtige Position eingenommen hatte.

„Die Erwartung ist, dass Erdogan gewinnen wird, also denke ich, dass das im Markt eingepreist ist“, sagte Uday Patnaik, der in London ansässige Leiter der Abteilung für festverzinsliche Schwellenländer des Unternehmens. „Die Frage ist, ob es eine Änderung seiner unorthodoxen Geldpolitik geben wird. Für Patnaik ist es am besten, sich nicht in der Türkei zu engagieren, bis die Antwort klar ist. Auch wenn es ein Szenario gäbe, in dem ein siegreicher Erdogan dem Markt ein Zuckerbrot zuwirft“, das auf eine Änderung der jüngsten Politik hindeutet, würden die Herausforderungen bestehen bleiben, sagte er.

Andere Investoren haben einen noch vorsichtigeren Ansatz gewählt und dazu beigetragen, die Kosten für den Schutz der Inhaber türkischer Anleihen gegen die Gefahr eines Zahlungsausfalls in den nächsten fünf Jahren in die Höhe zu treiben. Die Credit-Default-Swaps für die Auslandsschulden des Landes stiegen in dieser Woche auf über 700 Basispunkte, während sie vor der ersten Abstimmung bei weniger als 500 Basispunkten lagen.

„Selbst einheimische Investoren sind derzeit sehr vorsichtig, türkische Eurobonds zu kaufen – wenn sie überhaupt in der Lage sind, die für den Kauf erforderlichen Dollars zu beschaffen“, sagte Cagri Kutman, ein türkischer Marktspezialist bei KNG Securities LLP in London. „Das ist auf das Risiko eines weiteren Ausverkaufs in den kommenden Tagen zurückzuführen.

Was Bloomberg Economics sagt: „Wer auch immer am 28. Mai gewinnt, wird die Chance haben, glaubwürdige Veränderungen anzukündigen. Dazu könnte die Ernennung von marktfreundlichen Gesichtern für Schlüsselpositionen in der Wirtschaft gehören, eine Abkehr von der akkommodierenden Haltung der Zentralbank und die Rücknahme ihres komplexen Netzes alternativer Instrumente und heimlicher Interventionen.“
Selva Bahar Baziki, Wirtschaftswissenschaftlerin

FMW/Bloomberg



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8 Kommentare

  1. finde trotzdem das die türkei mit der parafoksen geldpolitik richtig liegt.

    zb, argentinien kämpft gegen die inflation mit zinsanhebungen. mittlerweile ist der zinssatz bei satten 97%.
    die türkei besser gesagt der erdo, hat die zinsen gesengt und gesenkt und die inflation ist gesunken, von über 80% auf 40%.
    erfolg oder alles richtig gemacht ? das ist hier die frage.

    vg md

    1. Eine Währung stirbt immer über ihren Außenwert.

      R.I.P. Türkische Lira

      Die Zinssenkungen sind bzw. werden einen langen Prozess mit einer tendenziell steigenden Inflation verursachen.
      Die Inflation verläuft immer in Wellen…..erst 100 Prozent….dann 40 Prozent (so lange noch Reserven da sind, kann der Staat die Inflation bekämpfen)….dann 150 Prozent usw.

      Wenn die Reserven aufgebraucht sind, dann stirbt die Währung.

      Ökonomisch gesehen ist Erdogan ein Depp.

      1. Nicht nur ökonomisch gesehen…

  2. Stimuliert wird die vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir, der eine Zeitenwende in den deutsch-türkischen Beziehungen fordert, anstelle sich für einen entsprechenden Export von hochwertigem Rapsöl in die Republik Türkei und einen entsprechenden Import von hochwertigem Olivenöl in die Bundesrepublik Deutschland auszusprechen. Eine multipolare Außenwirtschaftspolitik auf Grundlage der UN-Charta, und die Souveränität und territoriale Integrität der Republik Türkei haben bei ihm keinen Stellenwert. Unterstützt wird er dabei von seiner Hofschranze Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied.

    1. Der frühere führende AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu ist jetzt Mitglied der Große Nationalversammlung der Republik Türkei innerhalb der Opposition(,)und wird deswegen in der Türkei nicht zusammengeknüppelt.

      1. Siehe hierzu ggf. die Instagram-Seite yeneroglumustafa und ggf. die Instagram-Seite cem.oezdemir.

      2. Die (Deutsch-) Türken haben ihren Führer gewählt.

        Der wird die Türkei jetzt ganz Groß machen und dann wird man sehen, wer noch so alles im Lager verschwindet.

        Die Türkei wird eine goldene Zukunft mit ihrem Diktator haben.

        Als Diktator wünsche ich meinem Freund alle Gute bei den bevorstehenden, leider notwendigen Säuberungen.

  3. ach ihr seid alle manipuliert. warum nennt ihr einen demokratisch gewählten politiker einen diktator.
    der mann ( erdo ) ist ein volksvertreter. seine politik wird unterstützt.
    international ist er ein knüppelharter diplomat, siehe flüchtlingsvereinbarung oder veto sxhweden nato beitritt.
    und er ist mit einer wahlbeteiligung von über 80% mit 52 % stimmen gewählt wurden.
    wisst ihr was ich mir in DE wünsxhe, auch politiker die wie superstars menschenmassen zu kundgebungen anziehen. dann wüsste man das die politik bürgernah ist.
    cem özdemir soll mal etwas ruhiger sein. er ist weder innenminister noch aussrnminister noch bundeskanzler und droht uns türken mit rechten sprüchen. was soll das.

    in meiner wahlentscheidung war ein stück weit auch wichtig:
    was eine linksideologistische regierung in 20 jahren aus einer gesellsxhaft gemaxht hat. zb. jung gegen alt ausspielen mit sprüchen wie „alte weisse männer“ usw.
    es herrsxht kein respekt mehr.
    eine luisa neubauer bekommt als milliardärstochter ein stipendium, warum ? warum nicht bedürftige.

    also immer den ball flaxh halten wenn es um diktatorische äusserungen geht. sie heizungsgesetz “ wärmepumpe“

    lassen die ( grünen ) irgendwelche kompromisse zu ?

    also bitte, wir haben einige probleme die in naher zukunft noch stärker auf uns prasseln werden.

    die lira wertet ab, ja und, wenn die lohn/preisspirale sich gleixhermassen dreht ? wo ist dann das problem.

    vg md

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