Devisen

Türkische Lira im freien Fall – Zeichen für neuen Minister

Die türkische Lira ist derzeit im freien Fall. Dies ist sozusagen vom Devisenmarkt aus ein Zeichen für den neuen Finanzminister der Türkei.

Die türkische Lira wertet immer massiver ab, und befindet sich regelrecht im freien Fall. Man darf annehmen: Vor den Präsidentschaftswahlen in der Türkei hatte die Zentralbank noch massiv interveniert und mit noch vorhandenen Devisenreserven die türkische Lira gekauft, und somit den Kursverfall abgebremst – wenn auch nicht aufgehalten. Aber seit der Wiederwahl von Präsident Erdogan könnte man vermuten, dass die Zentralbank ihre Stützungsmaßnahmen ganz oder teilweise eingestellt hat, wodurch die türkische Lira nun sozusagen den freien Kräften des Devisenmarkts ausgesetzt ist.

Türkische Lira im freien Fall

Kostete ein US-Dollar direkt vor der Stichwahl Ende Mai noch 19,90 Lira, so sind es heute bereits 21,49 Lira, ein neues Rekordtief. Damit werden Importe zum Beispiel von Öl in die Türkei immer teurer, was die Inflation anheizen könnte. Im folgenden TradingView Chart sehen wir im Verlauf der letzten zwei Jahre, wie die türkische Lira gegen den US-Dollar immer weiter abwertet. Dazu im Vergleich sehen wir den von 19 % auf 8,5 % gesenkten Leitzins der Zentralbank in Ankara. Sie agiert politisch nach Maßgaben von Präsident Erdogan. Er wünscht niedrige Zinsen zur Ankurbelung von Wirtschaft und Konsum. Dabei müsste man (nach konventioneller Sichtweise) Zinsen kräftig anheben, um eine hohe Inflation (aktuell 39,59 % in der Türkei) in den Griff zu bekommen. Gibt es Licht am Ende des Tunnels, nämlich der jahrelangen brutalen Lira-Abwertung? Möglicherweise.

Türkische Lira wertet zwei Jahre lang massiv ab im Vergleich zum Leitzins

Analystin über Warnung

Ipek Ozkardeskaya vom Broker Swissquote schreibt aktuell: Dieser Sturz der türkischen Lira sei eine Warnung, dass sich Ärger anbahnt. Die türkische Zentralbank habe eine einzige Wahl, und die bestehe darin die Zinsen aggressiv anzuheben – und den Präsidenten davon zu überzeugen, dass niedrige Zinssätze die Inflation und die übrigen wirtschaftlichen Probleme verursachen, mit denen die Türkei heute konfrontiert ist.

Devisenmarkt mit Wink für neuen türkischen Finanzminister

Präsident Erdogan ernannte Mehmet Simsek, einen ehemaligen Strategen von Merrill Lynch, am Samstag zu seinem neuen Schatz- und Finanzminister. Auch wenn Zweifel an Simseks Fähigkeit bestehen, die Politik sofort umzukrempeln, setzen viele Anleger ihre Hoffnungen darauf, dass er Erdogans unkonventionelle Wirtschaftsmodelle, die für den Exodus der Investoren und die schlimmste Inflationskrise seit Jahrzehnten verantwortlich gemacht werden, umkehren wird, so sagt es Bloomberg.

In seinen ersten Äußerungen nach der Ernennung signalisierte Mehmet Simsek eine Rückkehr zu einer konventionellen Politik. „Die Türkei hat keine andere Wahl, als zu einer rationalen Politik zurückzukehren“, sagte er bei der Übergabezeremonie in Ankara. „Transparenz, Vorhersehbarkeit, Konsistenz und Kompatibilität mit internationalen Normen werden die Grundprinzipien sein.“ Laut den Strategen der Citigroup, darunter Donato Guarino, rechnen die Märkte „zunehmend mit einer Rückkehr Präsident Erdogans zur Orthodoxie“.

Zweifel bleiben bestehen

Sobald die Euphorie nachlässt, werden die Anleger darauf achten, ob Erdogan seine Autorität bei der Steuerung der Wirtschaft abgibt, nachdem er seit 2019 drei Zentralbankgouverneure im Streben nach niedrigeren Zinsen abgesetzt hat. „Mehmet Simsek genießt bei den Anlegern weltweit ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit“, sagt Todd Schubert, Leiter des Bereichs Fixed-Income Research bei der Bank of Singapore in Dubai. „Die Frage ist natürlich, inwieweit er frei von anderen Einflüssen sein wird“. Henrik Gullberg, Makroökonom bei Coex Partners Ltd. stimmte dem zu und fügte hinzu, dass Erdogan zeigen müsse, dass Simsek „mehr als eine symbolische Ernennung“ sei, um „die Märkte nach der Wahl anzusprechen“.

Unterdessen gibt es Anzeichen dafür, dass die türkische Zentralbank ihre kostspieligen Interventionen für die türkische Lira durch die Hintertür zurücknimmt. Die Interventionen waren Teil von Erdogans Kampagne zur Sicherung der Wechselkursstabilität.

Goldman Sachs sieht die türkische Lira zunehmend unter Druck und korrigierte seine 12-Monats-Schätzung für die Lira auf 28 pro Dollar, nachdem die Schätzung zuvor bei 22 gelegen hatte. Da sich die internationalen Reserven in der Nähe der Niveaus befinden, die in der Vergangenheit zu einer erheblichen Lira-Schwäche geführt haben, und das Nettoauslandsvermögen unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten im negativen Bereich liegt, ist die Wahrscheinlichkeit einer größeren einmaligen Anpassung gestiegen, schrieben Analysten wie Kamakshya Trivedi und Danny Suwanapruti in einem Bericht vom 3. Juni.

Was Bloomberg Economics sagt: „Mehmet Simsek forderte in seiner ersten Rede seit seinem Amtsantritt als Finanzminister am Samstag eine Rückkehr zu „internationalen Normen“. Seine Betonung der „rationalen Politikgestaltung“ und der Notwendigkeit von Preisstabilität deutet darauf hin, dass er für raschere Zinserhöhungen plädieren könnte, als wir erwartet hatten. Unser Basisszenario ist nach wie vor Oktober, aber es besteht nun das Risiko, dass die Zinserhöhungen früher beginnen könnten. Simseks Drängen auf eine Rückkehr zu einer orthodoxen Politik erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass der derzeitige Zentralbankgouverneur ersetzt wird.“
– Selva Bahar Baziki, Wirtschaftswissenschaftler.

FMW-Kommentar

Was kann das bedeuten? Im Augenblick prügelt der freie Devisenmarkt die türkische Lira kräftig nach unten. Aber sollte die türkische Zentralbank unter dem Einfluss des neuen Finanzministers überraschend die Zinsen anheben, könnte das zu einer plötzlichen spürbaren Aufwertung der Lira führen. Also Obacht! Immer weiter auf eine Lira-Abwertung spekulieren, das könnte von Jetzt auf Gleich im Desaster enden. Man muss auch mal überlegen, dass der Lira-Short-Trade nun seit gut zehn Jahren eine Goldgrube für Devisenhändler war. Im Jahr 2013 zahlte man noch weniger als 2 Lira für 1 US-Dollar, heute mehr als 21 Lira. Irgendwann hat auch der klarste Trend mal ein Ende. Aber aktuell läuft der Short-Trade noch in großen Schritten weiter.

FMW/Bloomberg



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