Devisen

Türkische Lira mit kräftiger Abwertung nach Erdogan-Wiederwahl

Die türkische Lira zeigt eine kräftige Abwertung nach der Wiederwahl von Präsident Erdogan. Wird er bei der Zinspolitik noch umschwenken?

Der türkische Aktienmarkt reagiert deutlich positiv auf die Wiederwahl von Präsident Erdogan vom Sonntag. Gestern und heute insgesamt gesehen steigt der Aktienindex BIST100 um mehr als 300 Punkte auf jetzt 4.901 Punkte. Aber die türkische Lira befindet sich aber auch nach der Wahl im Sturzflug! Notierte US-Dollar gegen türkische Lira vor der ersten Wahl Mitte Mai bei 19,60, und jetzt Freitag Abend vor der Stichwahl noch bei 19,90, so muss man heute Vormittag bereits bis zu 20,32 Lira für 1 US-Dollar bezahlen. Die Abwertung setzt sich also mit großen Schritten fort. Im TradingView Chart sehen wir US-Dollar vs türkische Lira seit Jahresanfang – Anfang Januar lag der Wechselkurs noch bei 18,70 Lira pro Dollar.

US-Dollar gegen türkische Lira seit Jahresanfang

Türkische Lira wertet ab – weiterhin extrem lockere Geldpolitik?

Der Devisenmarkt zeigt offenbar seine Erwartungshaltung, dass Präsident Erdogan die bisherige extrem lockere Geldpolitik fortsetzt. Denn trotz immer noch 43,68 % Inflation in der Türkei wurde der Leitzins im Verlauf der letzten zwei Jahre von 19 % auf 8,5 % gesenkt und zuletzt dort belassen – eigentlich viel zu tief bei der hohen Inflation. Präsident Erdogan hat die Zentralbank unter Kontrolle, und wünscht sich möglichst tiefe Zinsen, um Wirtschaft und Verbraucher mit billigem Geld zu versorgen. Die türkische Lira wertet kräftig ab bei dem immensen Kaufkraftverlust. Weiterhin besteht der Drang hin zu US-Dollar und Euro.

Es wird erwartet, dass Erdogan sein neues Kabinett bereits am Freitag bekannt gibt, so zwei mit der Angelegenheit vertraute türkische Beamte laut Bloomberg. Analysten an der Wall Street sehen weitere Schwäche voraus: Morgan Stanley warnt, dass die türkische Lira bis zum Jahresende um 2 9% auf 28 pro Dollar fallen könnte, sollte Präsident Erdogan seinen Kurs nicht ändern. Wells Fargo erwartet, dass die türkische Währung bis zum Ende des Quartals auf 23 fallen wird.

„Ein Sieg Erdogans ist kein Trost für ausländische Investoren“, so sagt es Hasnain Malik, Stratege bei Tellimer in Dubai. „Mit einer sehr hohen Inflation, sehr niedrigen Zinssätzen und keinen Nettodevisenreserven könnte eine schmerzhafte Krise, die alle Vermögenswerte betrifft, bevorstehen.“

Erdogans unorthodoxer Ansatz in Bezug auf die Zinssätze – er glaubt, dass niedrigere Zinssätze zu einer niedrigeren Inflation führen – hat dazu geführt, dass die Märkte einer unvorhersehbaren Mischung aus Ad-hoc-Regelungen und Interventionen ausgesetzt sind, wobei informell und fast täglich neue Maßnahmen in der Türkei eingeführt werden. Außerdem haben sie die Anleger in die Flucht geschlagen: Die gesamten ausländischen Bestände an türkischen Aktien und Anleihen sind seit 2013 um etwa 85 % oder fast 130 Milliarden Dollar zurückgegangen.

„Es ist offensichtlich, dass das derzeitige Wirtschaftsmodell nicht funktioniert“, sagt Burak Cetinceker, ein Vermögensverwalter bei Strateji Portfoy in Istanbul. „Erdogan ist sich dessen wahrscheinlich auch bewusst, und ein bescheidener Übergang zu einer orthodoxen Politik in naher Zukunft ist wahrscheinlich, weil es sonst nicht nachhaltig ist. Jedes Signal in diese Richtung würde vom Markt begrüßt werden“.

Die Maßnahmen waren auch teuer: Die Zentralbank gab in den letzten anderthalb Jahren fast 200 Milliarden Dollar aus um die türkische Lira zu stützen, die Nettowährungsreserven wurden negativ, und die Inflation in der Türkei stieg im letzten Jahr auf über 80 %, bevor sie im April auf 43,68 % fiel.

Händler sind gegenüber der türkischen Währung pessimistischer denn je, da sie darauf wetten, dass die Marktkräfte schließlich die staatlichen Kontrollen überwinden werden. Die zusätzlichen Kosten für die Absicherung gegen einen Lira-Verfall in den kommenden sechs Monaten – im Vergleich zu einer Absicherung gegen Kursgewinne – stiegen am Montag auf einen Rekordwert von 21,4 Prozentpunkten und verdoppelten sich damit gegenüber 10,7 Prozentpunkten im Januar, wie Risk Reversals berichtet.

Die ersten Anzeichen für eine Änderung des derzeitigen Policy-Mixes dürften sich bei der Besetzung von Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, einschließlich des Finanzministeriums und der Zentralbank, zeigen. Alle derzeitigen Minister haben vor zwei Wochen Sitze im Parlament gewonnen, die sie bei einer erneuten Ernennung auf einen Kabinettsposten wieder abgeben müssten.

Das schwächer als erwartet ausgefallene Ergebnis der Opposition in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in der Türkei am 14. Mai führte zu einem steilen Anstieg der Credit-Default-Swaps, einem Einbruch der Bankaktien um mehr als 20 % und einem Kursrückgang der türkischen Lira.

„Es müssen einige Korrekturen vorgenommen werden, um zumindest zu vermeiden, dass die Devisenreserven aufgebraucht werden“, sagt Viktor Szabo, Investment Director bei Abrdn in London. Man werde auf politische Ankündigungen warten, denn „die derzeitige heterodoxe Politik ist nicht nachhaltig“.

Was Bloomberg Economics sagt: „Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Anfälligkeit – besonders ausgeprägt in einer großen Außenfinanzierungslücke – erwarten wir im Laufe des Jahres einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik in Richtung Orthodoxie. Aber der Schwenk wird wahrscheinlich nicht so weit gehen, wie es die Wirtschaft braucht. Kurzfristig mag dies für das Wachstum besser sein, aber es wird wahrscheinlich die türkische Lira weiter abwerten, die Inflation anheizen und die langfristigen Aussichten der Wirtschaft einschränken.“
– Selva Bahar Baziki, Wirtschaftswissenschaftlerin.

FMW/Bloomberg

Türkische Lira-Geldscheine
Lira-Geldscheine. Photographer: Kerem Uzel/Bloomberg


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1 Kommentar

  1. Das NATO-Mitgliedsland Republik Türkei wird von Arabische Liga-Mitgliedsländern finanziell unterstützt. Ich gehe davon aus, daß es zu einem Gipfeltreffen zwischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Staatspräsident Dr. Bashar al-Assad kommen wird, wo die Tatsache, daß der 46. US-Präsident Joe Biden mittels US-Besatzungstruppen in Kooperation mit PKK-nahen Kurden täglich Erdöl aus/von besetzten Ölfeldern im Arabische Republik Syrien-Nordosten/Deir Al-Zor stiehlt, thematisiert wird. Das Öl könnte zu Kerosin für Turkish Airlines, Star Alliance-Mitglied und Arab Air Carriers Organization-Partner veredelt werden.

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