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Hohes Enttäuschungspotenzial US-Aktienmarkt vor Realitätscheck – Stolperstein Berichtssaison

Händler arbeiten auf dem Parkett der New York Stock Exchange (NYSE). Foto: Bloomberg

Der US-Aktienmarkt muss sich einem Realitätscheck unterziehen, wenn nächste Woche die Berichtssaison für das vierte Quartal beginnt. Die stärkste Zweijahresrallye an der Wall Street seit der Dotcom-Blase, die dem Leitindex S&P 500 ein Plus von 53 % beschehrt hat,  steht vor ihrer nächsten großen Bewährungsprobe. Denn die Unternehmen beginnen mit der Veröffentlichung der Quartalsergebnise, was eine wichtige Überprüfung der Frage ermöglicht, ob die hohen Bewertungen die zugrunde liegende Realität überholt haben.

Seit Anfang Dezember als der S&P 500 sein letztes Rekordhoch bei knapp 6.100 Punkten erreicht hat, befindet sich der US-Aktienmarkt in einer Korrekturphase. Am Freitag fiel der S&P 500 Index um 1,5% – der stärkste Rückgang seit Mitte Dezember – als ein unerwartet starker Arbeitsmarktbericht Spekulationen nährte, dass die Federal Reserve die Zinsen erst in der zweiten Jahreshälfte senken würde. Die Aussicht auf weniger Zinssenkungen der Fed hat die Renditen für US-Staatsanleihen beflügelt und damit die Wall Street belastet. Ein Anstieg der Anleiherenditen auf 5 % ist eine weitere Gefahr für den Aktienmarkt.

Das Hauptproblem ist jedoch die hohe Messlatte am Aktienmarkt, die durch die Einschätzungen der Investoren gesetzt wird: Sie erwarten, dass die robuste Wirtschaft die Gewinne der S&P 500-Unternehmen im vierten Quartal um 7,3 % gegenüber dem Vorjahr gesteigert hat, so die von Bloomberg Intelligence (BI) zusammengestellten Daten. Das ist der zweithöchste Wert in den letzten drei Jahren. Es birgt die Gefahr, dass die Aktien ins Wanken geraten, wenn die Ergebnisse – oder die Aussichten für die kommenden Monate – schlechter ausfallen.

S&P 500: Zu hohe EPS-Schätzungen

Da der S&P 500 für die nächsten 12 Monate ein Gewinnwachstum je Aktie von rund 23 % erwartet, sind die in den Aktienkursen enthaltenen Schätzungen ungewöhnlich hoch, wie die BI-Daten zeigen. Die Bottom-up-Konsensschätzungen – eine Methode zur Vorhersage künftiger Kursentwicklungen durch Addition der einzelnen Analystenschätzungen für jedes S&P 500-Unternehmen – gehen von einem EPS-Wachstum von 13% im Jahr 2025 aus, was bedeutet, dass sich diese Schätzungen fast verdoppeln müssten, um den hohen Kurs des S&P 500 zu rechtfertigen.

Aktienmarkt: Berichtssaison als Bewährungsprobe für die Aktienrallye
EPS-Wachstum pro Jahr (2024 aktuell vom 12.3.2023-2024)

„Eine so hohe Hürde haben wir seit 2018 nicht mehr gesehen“, sagt Michael Casper, Senior Equity Strategist bei BI. „Es wird für die Unternehmen in diesem Jahr viel schwieriger sein, die Gewinnschätzungen zu übertreffen als 2024, da die Messlatte damals viel niedriger lag.“

Die Berichtssaison für das vierte Quartal startet traditionell mit den Geschäftsberichten der US-Banken. Diesmal legen zuerst die Finanzmarktführer JPMorgan, Citigroup und BlackRock am Mittwoch ihre Zahlen vor. Andere wichtige Unternehmen werden ihre Ergebnisse in der darauffolgenden Woche vorlegen, darunter Netflix, Procter & Gamble und 3M. Erst später in der Berichtssaison stehen dann die Quartalszahlen der Magnificent Seven auf der Agenda.

Ein Ausblick auf fünf Schwerpunktthemen der kommenden Berichtssaison:

Marktbreite am Aktienmarkt

Eine Frage, die es genau zu beobachten gilt, ist, ob sich das Gewinnwachstum auch außerhalb der großen Technologieunternehmen beschleunigen wird, was einigen Nachzüglern am Aktienmarkt Auftrieb geben könnte.

Da sich die Wirtschaft gut entwickelt, wird erwartet, dass Unternehmen, die nicht zu den großen Technologieunternehmen zählen, im dritten Quartal in Folge ein Gewinnwachstum von schätzungsweise 4 % verzeichnen werden, das sich in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 auf zweistellige Wachstumsraten beschleunigen wird, so die von BI zusammengestellten Daten.

S&P 493 mit Gewinnwachstum im dritten Quartal in Folge – vs. Magnificent 7

Technologieunternehmen werden weiterhin ein wichtiger Markttreiber am Aktienmarkt bleiben. Anleger sollten sich jedoch darauf einstellen, dass die so genannten „Magnificent Seven“ – Nvidia, Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon.com, Meta Platform und Tesla – eine Verlangsamung des Wachstums melden werden: Die Gewinne werden voraussichtlich um 22 Prozent steigen, verglichen mit einem durchschnittlichen Gewinnwachstum von 34 Prozent im Jahr 2024, als der Rest des S&P 500 nur um 4,5 Prozent stieg, so BI.

Handel, Zölle und Steuern

Die Anleger wollen auch wissen, wie sich die Steuersenkungs-, Zoll- und Deregulierungsmaßnahmen des designierten US-Präsidenten Donald Trump auf die US-Unternehmen auswirken werden. Während einige seiner Pläne den Welthandel gefährden und den Inflationsdruck erhöhen könnten, konzentriert sich der Aktienmarkt eher auf die positiven Auswirkungen einer wachstumsfördernden Agenda.

Doch die Art von Steuersenkungen, die man in Washington erwägt, könnten die Steuerlast für den S&P 500 nur um etwa die Hälfte des Maßnahmenpakets von 2017 reduzieren, so Casper von BI. Dies stelle eine weitere Hürde für das starke EPS-Wachstum des S&P 500 in den nächsten 12 Monaten dar.

Der jüngste Anstieg des Dollars ist eine weitere offene Frage: Während er die Auswirkungen von Zollerhöhungen mildern könnte, indem er die Importkosten senkt, könnte er auch die Aussichten für multinationale Unternehmen eintrüben, indem er die Exportnachfrage und den Wert der Gewinne in Übersee schmälert.

Dollar und S&P 500 Bestes EPS

Gewinnrevisionen

Händler beobachten einen Schlüsselindikator, der als „Gewinnrevisionsmomentum“ bekannt ist, ein Maß für die Auf- und Abwärtskorrekturen der für die nächsten 12 Monate erwarteten Gewinne je Aktie für den S&P 500. Die BI-Daten zeigen, dass sich der Indikator im negativen Bereich bewegt, was darauf hindeutet, dass die Analysten an der Wall Street ihre Schätzungen im Vorfeld der Berichtssaison nach unten korrigieren. Die zunehmende Gewinnrevisionsdynamik könnte die Aktiengewinne in diesem Jahr dämpfen.

Berichtssaison: Gewinnrevisionen für S&P 500-Unternehmen brechen ein

Dies ist zwar nicht ungewöhnlich, könnte aber ein frühes Anzeichen für einen Stimmungsumschwung sein. So ist die Dynamik der 12-Monats-Gewinnrevisionen im Technologiesektor in 11 der letzten 12 Wochen zurückgegangen, was auf Kursrückgänge bei hoch bewerteten Halbleiterunternehmen wie Nvidia zurückzuführen ist.

Drei der elf Sektoren des S&P 500 werden in den letzten drei Monaten des Jahres 2024 ein zweistelliges Gewinnwachstum verzeichnen, darunter Kommunikationsdienstleistungen und Technologie sowie bisher unbeliebte Sektoren wie das Gesundheitswesen. Der Energiesektor wird laut BI-Daten im vierten Quartal einen Gewinnrückgang von rund 30 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnen.

Überwachung der Margen

Die Händler behalten auch die operativen Margen genau im Auge, da die Inflation nach der Pandemie zurückgegangen ist und der Kostendruck etwas nachgelassen hat. Analysten sehen die operativen Margen im vierten Quartal bei fast 16%, wobei das Schlimmste hinter uns liegt, da sich die Prognosen für die kommenden Quartale verbessern, wie die von BI zusammengestellten Daten zeigen.

Bessere Margen | Operative Margen des S&P 500 dürften in den kommenden Quartalen steigen

Trübe Aussichten für europäischen Aktienmarkt

Die Gewinnerwartungen für Europa sind deutlich gedämpfter, da der Kontinent mit einem verlangsamten Wirtschaftswachstum und in China, einem wichtigen Handelspartner für seine Luxusgüter- und Automobilunternehmen, zu kämpfen hat. Die Aussicht auf US-Zölle bereitet den exportstarken Branchen zusätzlich Sorgen.

Konjunkturumfrage und Gewinnprognosen der Zykliker | Relative Gewinnschätzungen der Zykliker im Widerspruch zum ifo-Geschäftsklima

Die Gewinne des Stoxx 600 werden bis 2024 voraussichtlich nur um 3% steigen, verglichen mit 8% für den S&P 500, und dürften in diesem Jahr erneut zurückbleiben, so die BI-Daten. Im Fokus stehen Automobilhersteller wie Volkswagen, die von protektionistischen Maßnahmen, einer schwachen Nachfrage in China und dem Verlust von US-Steuergutschriften für einige Plug-in-Fahrzeuge bedroht sind. Luxusunternehmen wie LVMH und die Gucci-Muttergesellschaft Kering SA werden das Konsumverhalten der Verbraucher vorhersagen.

„Das große Bild für den europäischen Aktienmarkt ist, dass das Wachstumsumfeld sehr herausfordernd bleibt“, sagt Lilian Chovin, Leiterin Asset Allocation bei Coutts.

FMW/Bloomberg



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