Wieder haben wir den ersten Freitag in einem Monat und damit den Tag der Veröffentlichung der großen US-Arbeitsmarktdaten.
„Price Stability and Maximum Employment“ ist der gesetzliche Auftrag der US-Notenbank, das hehre Ziel, welches all die Maßnahmen zur Flutung der Märkte rechtfertigt. Jetzt zeigen aber die Inflationsdaten, dass vom jahrelangen deflatorischen Umfeld keine Rede mehr sein kann. Die Wirtschaftsdaten verbesserten sich in sehr kurzer Zeit. Nur der Faktor Arbeitsmarkt, der Nachzügler im Wirtschaftsbereich (lagging indicator) hinkt noch hinterher. Wie ist der aktuelle Stand vor der heutigen Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten?
US-Arbeitsmarktdaten: Die Situation im Monat März
Vor einem Monat kam es zu einem Anstieg der außerhalb der Landwirtschaft Beschäftigten um 916.000 Personen, was weit über der Prognose von 647.000 Arbeitsplätzen gelegen hat. Das Beschäftigungswachstum wurde angeführt von den Bereichen Freizeit, Restaurants, Bildung und der Bauwirtschaft.
Die Arbeitslosenquote ging im März auf 6,0 Prozent zurück. Die Quote war zwar gegenüber dem Höchststand vom April 2020 mit 14,4 Prozent zwar erheblich gesunken, lag jedoch immer noch um 2,5 Prozentpunkte über dem Stand von vor der Pandemie im Februar 2020. Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 9,7 Millionen im März weiter gesunken, stand jedoch auch noch um vier Millionen höher als im Februar 2020. Aber was ist, wenn der Trend so weitergeht mit einer Million Rückkehrern in den Arbeitsmarkt, pro Monat?
Hier die US-Arbeitsmarktdaten im langfristigen Trend:
Schön in dieser Langzeitübersicht von Advisors Perspectives zu sehen: Der Höchststand der Arbeitslosigkeit im letzten Zyklus bei der Finanzkrise lag im Oktober 2009 bei 10,0 Prozent. In der Grafik sieht man das Muster von Arbeitslosigkeit in Rezessionen und in Relation zum S&P 500 seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Arbeitslosigkeit ist normalerweise ein nachlaufender Indikator, der sich umgekehrt zu den Aktienkursen bewegt (blaue Linie). Diese spiegelbildliche Beziehung scheint sich in jedem Bärenmarkt zu wiederholen, auch in der Covid-19-Pandemie. Hier waren die Auswirkungen nur sehr kurz, man kehrte rasch in den langfristigen Aktientrend zurück – und steigerte das Tempo sogar, in eine Art irrationaler Überschwang.
Der Grund dafür ist hinreichend bekannt: Die unvergleichliche Geldflut und die historischen Rettungsaktionen von Staat und Notenbank.
Gestern die wöchentlichen Erstanträge
In der Woche zum ersten Mai gab es mit der Bekanntgabe der US-Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe (jobless claims) einen weiteren Hinweis, wie es mit dem Arbeitsmarkt weitergehen könnte.
Diese fielen um 92.000, saisonbereinigt auf 498.000, dem niedrigsten Stand seit dem 14. März 2020 (damals 256.000). Die offizielle Prognose lag bei 540.000 und wurde damit klar unterboten. Allerdings lagen die fortgesetzen Anträge (continuing claimes) mit 3,690 Millionen höher als die Erwartung, die Prognose war 3,620 Millionen, jedoch wurde die Zahl der Vorwoche nun auf 3,53 Millionen leicht nach unten revidiert.
Soweit zu den nackten Zahlen, die aber einen eindeutigen Trend aufzeigen bei den US-Arbeitsmarktdaten.
Bestätigt diese Entwicklung der Federal Reserve auch künftig, dass es tatsächlich noch sehr lange dauern wird bis man die Vollbeschäftigung in den USA erreicht hat, die vor nicht allzu langer Zeit mit etwa 5 Prozent angesetzt worden war?
Die Arbeitsbeteiligung in der Gesamtbevölkerung
Interessant ist auch ein Blick auf die Labor Force Participation Rate bei den US-Arbeitsmarktdaten, also der Anteil der Werktätigen an der Gesamtbevölkerung. In der langjährigen Gesamtübersicht schön erkennbar, wie die Frauen verstärkt ins Arbeitsleben eingestiegen sind. Die Erholungsbewegung seit dem Coronatief im Frühjahr 2020 hat aber erst die Hälfte der Verluste erreicht. Ist das auch ein Argument, warum Jerome Powell noch von einem längeren Weg bis zur Vollbeschäftigung spricht?
Was erwartet man am heutigen Freitag?
Die allgemeine Markterwartung beim Stellenaufbau liegt bei 978.000 Jobs, manche Schätzungen gehen aber schon deutlich über eine Million hinaus. Hätten die Märkte bei diesem Eintreffen so starker US-Arbeitsmarktdaten nicht sofort wieder neue Nahrung für ihre Inflations- und Zinserhöhungsspekulationen?
Weiß man in Kreisen der US-Notenbank bereits mehr und sorgt mit zahlreichen Äußerungen schon dafür, dass der Gedanke an eine rasche Änderung der Geldpolitik nicht zu erwarten ist?
Außer das Fedmitglied Robert Kaplan (Bezirk Dallas), der schon einige Male auf die Gefahr einer Überhitzung der Wirtschaft hingewiesen hat und dass man eigentlich schon längst über eine Strategie zu einem Abschmelzen der monatlichen Anleihekäufe nachdenken müsse. Ein Testballon für die Reaktion der Märkte?
Fazit
Es ist zweifelsohne eine Divergenz zu erkennen zwischen dem, was die Federal Reserve bei der Erwartung von Inflation, Renditen und Arbeitslosigkeit proklamiert – und der Prognose der Investoren an der Wall Street. Man glaubt nicht wirklich an eine „vorübergehende“ Inflation und nicht an einen noch langen Weg bis zur Vollbeschäftigung und damit an eine „wacklige“ wirtschaftliche Lage, die eine weitere monatliche Unterstützung von 120 Milliarden Dollar monatlich erforderlich macht.
Was die Investoren daran hindert, den Märkten den Rücken zu drehen, ist weiterhin der Mangel an Alternativen: Eine 10-jährige US-Treasury von 1,57 Prozent (KGV 63) bedeutet eine negative Realrendite – und Aktien waren historisch bis zu vier Prozent Inflation zumeist als Inflationsschutz geeignet. Selbst Warren Buffett betont stets, dass Anleihen in der jetzigen Phase reine Kapitalvernichtung seien.
Zudem haben die Unternehmen im S&P 500 eine gewaltige Bilanzsaison hingelegt, fast 50 Prozent Wachstum gegenüber Q4 des Jahres 2020. Dazu kommen noch die angehobenen Dividenden, keine große Firma senkte die Ausschüttungen, ein elementarer Faktor für die US-Pensionskassen. Klar, dass es trotz der Einpreisung der besten aller Welten so etwas wie eine Pattsituation gibt. Seit Mitte April ist der S&P 500 nicht mehr richtig von der Stelle gekommen, der gesamte Jahresanstieg fand fast von Mitte März bis Mitte April statt.
Daher kommt den monatlichen US-Arbeitsmarktdaten eine immer größere Bedeutung zu. Sinkt die Quote weiter wie bisher, bekommt die US-Notenbank ein Glaubwürdigkeitsproblem. Man könnte sich nicht mehr auf den gesetzlichen Auftrag berufen, steigende Beschäftigungszahlen bedeuten noch mehr Konsum, noch mehr Nachfrage, noch mehr Druck auf die Preise und schließlich Druck auf die Renditen und die Fed selbst.
Wie könnte die Federal Reserve einem Taper Tantrum entkommen? Die 100.000 Dollar-Frage. Eigentlich nur durch eine weitere Verzögerung beim Aufbau der Stellen am Arbeitsmarkt, oder durch externe Schocks, die aber nicht antizipierbar sind.
Wird Freitag, der 7. Mai eine kleine Vorentscheidung bringen – oder erst der Freitag am 4. Juni, knapp zwei Wochen vor der nächsten Fed-Tagung?
Könnte es bis dann tatsächlich das Kuriosum geben – eine Arbeitslosigkeit von fünf Prozent, eine Inflationsrate von drei Prozent, eine 10-jährige Staatsanleihe von deutlich unter zwei Prozent und zugleich eine Geldversorgung wie in Zeiten einer Rezession?
Man soll zwar nie nie sagen, aber irgendeine Komponente in diesem Quartett muss sich bald geändert haben – für die Notenbank die sprichwörtliche Quadratur des Kreises.
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Somit dürfe meinem anvisiertem Hoch im DAX zwischen 16000 und 17000 nichts mehr entgegenstehen, denn die FED kann weiter Gas geben. Flankierend auch das Re-Opening bei uns. Das Impftemo nimmt rasant zu.
@Zimmermann, wenn China und die USA schwächeln könnte der schwache Dollar= starker Euro den exportlastigen DAX auch ausbremsen. Die enttäuschende Erholung bei den Amis könnte auch in Europa passieren. Haben doch sie und viele andere die Pandemie schon längst abgehakt.Auch Clemens Fuest sieht nach Corona eine andere Welt.Die Lufthansa Tochter Swissair hat gerade einmal 20% Kapazität und Stellenabbau gemeldet.