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US-Börsenaufsicht über Gamestop-Turbulenzen: Keiner hat schuld, aber Optimierungsbedarf

Handel mit Gamestop-Aktie über Smartphone App

Heute Nacht hat die US-Börsenaufsicht SEC einen mit großer Spannung erwarteten Bericht veröffentlicht, der die enormen Turbulenzen um Meme-Stocks wie Gamestop beleuchtet. Wir alle erinnern uns. Im Frühjahr waren Gamestop, AMC und andere Aktien durch die Decke geschossen, und alle Welt wollte gefühlt nur noch diese Papiere handeln. Eine enorme Anzahl an Kleinanlegern hatten sich über das Reddit-Forum Wallstreetbets quasi zusammengefunden, um sich gegen die Shortseller in der Gamestop-Aktie zu stellen. Profi-Investoren wie zum Beispiel Hedgefonds wetteten mit Leerverkäufen auf fallende Kurse bei Gamestop, während die Privatanleger als virtuell große Gruppe ihre Macht demonstrierten. Sie pushten den Kurs rauf. Die Shortseller waren dick im Minus. Da sie ihre Verluste begrenzen mussten, kauften sie die Aktie zwecks Schließung der Short-Position, wodurch die Aktie nur noch mehr im Kurs anstieg – sie stieg von 20 auf über 300 Dollar.

Keine konkrete Schuldzuweisung nach den Gamestop-Turbulenzen

Der 45-seitige Report der SEC wurde wie gesagt heute Nacht online gestellt, trägt aber das Datum vom 14. Oktober. Es wird auf eine Reihe von Problemen hingewiesen, unter anderem auf die erhöhten Nachschussforderungen der Broker und den zeitweise ausgesetzten Handel, auf die spielerische Gestaltung des Handels über Broker Apps, und auf die Offenlegung von Leerverkäufen. Es wurde aber keine konkrete Schuldzuweisung an eine einzelne Ursache oder Einrichtung vorgenommen! So seien Leerverkäufe (und die folgende Short Squeeze) nicht der Hauptgrund für den Anstieg der sogenannten Meme-Aktien wie Gamestop gewesen. Es sei eher eine positive Stimmung rund um diese Aktien gewesen. Insgesamt hätten die US-Aktienmärkte mit Blick auf die Gamestop-Turbulenzen im Januar aber gut funktioniert, so die SEC.

US-Börsenaufsicht mit kritischer Betrachtung des Payments for Orderflow und des zu langen Settlement

Wichtig: Broker wie Robinhood erheben zwar keine Gebühren von ihren Privatkunden. Aber sie leben von Provisionen, die sie für die Weiterleitung der Orders zum Beispiel an Hedgefonds erhalten. Dieses „Payment for Orderflow“ und die dadurch geschaffenen Anreize können laut SEC Broker-Dealer dazu veranlassen, neue Wege zu finden, um den Kundenhandel zu steigern, auch durch den Einsatz digitaler Praktiken. Diese Praxis wird jedoch immer stärker unter die Lupe genommen, da viele Beobachter sagen, dass sie einen Interessenkonflikt bei den Brokern darstellt, die einen Anreiz hätten Aufträge an den Market-Maker zu senden, der ihnen die größte Provision zahlt. Der SEC-Vorsitzende Gary Gensler hat unlängst gewarnt, dass ein Verbot dieser Praxis nicht vom Tisch ist.

Für Aufruhr sorgten Broker wie Robinhood in der größten Euphorie rund um Gamestop, als der Handel mit den Meme Stocks zeitweise ausgesetzt wurde. Wo viele Trader eine dunkle Verschwörung sahen, lag es aber an den Sicherheitsleistungen, die diese Broker bei den Clearingstellen hinterlegen müssen. Denn zwischen Orderausführung und tatsächlicher Transaktion liegen immer noch mehrere Tage. Eine Methode zur Minderung dieses systemischen Risikos, das solche Unternehmen für die Clearingstelle und andere Teilnehmer darstellen, sei laut Aussage SEC im aktuellen Bericht die Verkürzung des Abwicklungszyklus.

Die SEC hat auch die Frage aufgeworfen, ob mehr Transparenz bei Leerverkäufen verlangt werden sollte. Derzeit ist die Wertpapierleihe ein relativ undurchsichtiges System, da die Anleger nicht verpflichtet sind ihre Leerverkäufe zu melden, und die SEC nur Daten darüber sammelt, wie viele Aktien eines Unternehmens leerverkauft werden.

Breite Beteiligung in Aktien – aber Optimierungsbedarf

Die extreme Volatilität der Meme-Aktien wie Gamestop im Januar 2021 hat die Kapazität und Widerstandsfähigkeit der US-Wertpapiermärkte laut SEC auf eine Weise getestet, die nur wenige vorhersehen konnten. Zugleich habe der Handel mit mit Meme-Aktien in dieser Zeit ein wichtiges Merkmal der Wertpapiermärkte der USA des 21. Jahrhunderts hervorgehoben, nämlich die breite Beteiligung (also auch der Privatanleger). Es gebe viele verschiedene Arten von Anlegern, und sie kaufen und verkaufen Aktien aus vielen verschiedenen Gründen. Wenn sich jedoch die Aktienkurse schnell ändern und Broker plötzlich den Handel aussetzen, könnten die Anleger Geld verlieren. Man könne unterschiedlicher Meinung sein über die Aussichten von Gamestop und die der anderen Meme-Aktien. Aber genau diese Meinungsverschiedenheiten sollten laut Bericht der US-Börsenaufsicht zu einer Preisfindung und nicht zu Störungen führen. Diese Ereignisse würden eine Gelegenheit bieten über die Marktstruktur und den Regulierungsrahmen nachzudenken.

Zu diesen Bereichen, die weiter untersucht und optimiert werden könnten, gehören laut dem Bericht der US-Börsenaufsicht zum einem die Kräfte, die Broker veranlassen den Handel mit Aktien einzuschränken. Wie schon erwähnt, könne hier die Verkürzung des Abrechnungszyklus helfen. Auch sollte laut US-Börsenaufsicht überprüft werden, ob spielähnliche Funktionen und feierliche Animationen, die wahrscheinlich dazu dienen in den Broker Apps ein positives Feedback auf den Handel zu erzeugen, dazu führen, dass die Anleger mehr handeln als sie es sonst tun würden.

Auch sei laut US-Börsenaufsicht ein großer Teil der einzelnen Börsenaufträge in der Gamestop-Aktie von Großhändlern gekauft und außerhalb der Börse in sogenannten Dark Pools ausgeführt worden. Ein solches Handelsinteresse sei für den breiten Markt weniger sichtbar – und die Zahlungen an Broker-Dealer könnten Fragen aufwerfen über die die Qualität der Ausführung, die die Anleger erhalten. Die Leerverkäufe auf der einen und die Aufrufe zum Short Squeeze auf der anderen Seite hätten viel Aufmerksamkeit in den Medien erhalten – dieses Zusammenspiel sei sehr komplex. Eine verbesserte Berichterstattung über Leerverkäufe könne es den Regulierungsbehörden zukünftig ermöglichen diese Dynamik besser zu verfolgen.



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