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US-Dollar: Trendwende für Schwellenländer gefährlich

Die Welt-Notenbank

Die Situation in den Schwellenländern hat zwar offiziell nichts mit den geldpolitischen Mandaten der US-Notenbank zu tun, dennoch sollten sich die Hüter der Weltleitwährung auch über die Konsequenzen ihres Handels im Rest der Welt im Klaren sein. Überschuldung ist eben ein globales Phänomen.

Wobei die Schwellenländer ihre Schuldenprobleme nicht einfach durch die Ausweitung der heimischen Geldmenge übertünchen können, so wie die USA dies in nie da gewesener Quantität im Rahmen ihrer Corona-Rettungspolitik taten.

Ein derart aggressives Vorgehen würde den Vertrauensverlust in die Schwellenländer-Währungen noch verschärfen. Die Option, die eigenen Schulden durch die Notenpresse zu finanzieren, ist für die überwiegende Mehrheit der Staaten deutlich eingeschränkt, da andernfalls ein Kollaps des Außenwertes der eigenen Währung droht mit anschließender massiver Preisinflation im Inland.

Schwellenländer brauchen weiterhin massive Hilfe

Die Regierungen der Schwellenländer können auch anderthalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie noch jede Hilfe gebrauchen, die sie bekommen können. Sie müssen die Seuche im Inland bekämpfen, Steuerausfälle abfedern und die heimische Wirtschaft stützen. Dafür müssen enorme Mittel am Kapitalmarkt aufgebracht werden. Dies nicht nur, um die direkten Folgen der Pandemie zu finanzieren, sondern auch um sich auf mögliche Ausfälle des Privatsektors vorzubereiten, die staatliche Rettungsaktionen erzwingen.

Ohne externe Hilfe ist das unmöglich. Über 100 Länder, in denen ca. 70 Prozent der Weltbevölkerung leben, erhalten derzeit Kredithilfen oder Direktzahlungen von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder den G7- bzw. G20-Staaten im Kampf gegen Covid-19.
Allein die Weltbank hat für die Refinanzierung der Schwellenländer von April 2020 bis Juni dieses Jahres 160 Mrd. US-Dollar bereitgestellt. Darüber hinaus haben IWF und Weltbank den Schuldendienst für die 25 ärmsten Staaten vorerst ausgesetzt. Die G20 gewähren 77 Entwicklungsländern ein Schuldenmoratorium. In Anbetracht des enormen Refinanzierungsbedarfs sind diese Maßnahmen aber nicht ausreichend, um die Schuldenkrise in diesen Ländern dauerhaft aufzuhalten.

Bereits vor der Corona-Krise warnte der IWF vor der „untragbaren Schuldenlast“ vieler Entwicklungs- und Schwellenländer.
Die Verschuldungssituation eines Landes wird vom IWF in drei Kategorien eingeteilt: leicht kritisch, kritisch und sehr kritisch. Entscheidend dabei sind die Kriterien Gesamtverschuldung, Auslandsverschuldung sowie die Höhe des Schuldendienstes jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt.

124 Entwicklungs- und Schwellenländern sind demnach kritisch verschuldet, darunter Argentinien, die Mongolei, Sri Lanka, der Sudan, El Salvador, Venezuela, Jamaika, der Libanon und Kirgisistan. Diese Staaten gelten bereits als überschuldet und haben ihren Schuldendienst teilweise oder vollständig eingestellt. Die Ukraine, der Irak und Kambodscha befinden sich kurz vor diesem Stadium, wobei die Ukraine nur Dank finanzieller Unterstützung aus dem Westen noch zahlungsfähig ist.

Zweiklassengesellschaft bei den Konjunkturhilfen

Bereits zu Beginn der Pandemie gab es deutliche Unterschiede zwischen fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften, bezogen auf den Umfang ihrer fiskalischen Hilfspakete. Anfang 2021 wurde diese Diskrepanz noch größer: Gemäß des IWF schnürten die Schwellenländer insgesamt fiskalische Rettungspakete in Höhe von durchschnittlich nur ca. 6 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den Industriestaaten betrug die fiskalische Unterstützung dagegen durchschnittlich kolossale 20 Prozent des BIP.
Noch deutlicher wird der Unterschied bezogen auf die Vereinigten Staaten: Bisher belaufen sich die aktiven und zugesagten fiskalischen Unterstützungen der US-Regierung im Zuge der Pandemie auf 7,25 Billionen US-Dollar, was ca. 36 Prozent des US-BIP von 2020 entspricht.
Eine derartige Großzügigkeit können sich die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht leisten. Sie sind nicht im Besitz des Weltwährungsprivilegs. Der Außenwert ihrer Währungen würde eine Ausweitung der Geldmenge um ein Drittel innerhalb eines Jahres kaum verkraften.

Fazit und Ausblick

Momentan wirken die Rettungsmaßnahmen der supranationalen Organisationen sowie die ultra laxe Geldpolitik in den Industriestaaten noch stabilisierend auf die Schuldentragfähigkeit der Schwellenländer. Aber ohne eine nachhaltige globale Wirtschaftserholung kann sich das schnell ändern. Vor allem dann, wenn die Alimentierung der Schwellenländer durch die o. g. Maßnahmen nicht fortgesetzt wird. Ähnlich wie die Eurozone befindet sich die gesamte Welt in einer permanenten Rettungsspirale, um einen Schuldenkollaps-Domino-Effekt ausgehend von den schwächsten Staaten zu verhindern.

Bereits jetzt ändert sich die Risikowahrnehmung der Auslandsinvestoren, die noch im letzten Jahr auch Dank der ultralaxen Geldpolitik der großen Zentral- und Notenbanken zwischenzeitlich euphorisch für die Schwellenländer gestimmt waren. Die Pandemie hat dank der anhaltenden Hilfsmaßnahmen inkl. Schuldenmoratorien noch nicht zu einer neuerlichen Schuldenkrise für Schwellenländer geführt, aber es bleiben erhebliche Risiken.

Die aktuelle Situation könnte eine „Illusion“ der Stabilität sein, die auch auf die entschärfende Wirkung der Geldpolitik der großen Zentral- und Notenbanken auf die externen Finanzierungsbedingungen der Schwellenländer zurückzuführen ist.

Durch die Abschwächung des US-Dollars, die Bereitstellung von Währungs-Swap-Linien und die Senkung der externen Dollar-Finanzierungskosten (Zinsen) für Schwellenländer hielt auch die US-Geldpolitik den Kapitalfluss in hoch verschuldete Schwellenländer aufrecht.
Eine Wende in der US-Geldpolitik und das Auslaufen weiterer Hilfsmaßnahmen könnte diese Entwicklung nun umkehren.

Die US-Geldpolitik war aufgrund ihres Einflusses auf die Risikowahrnehmung globaler Anleger seit jeher ein wichtiger Faktor für die Kapitalzu- und -abflüsse der Schwellenländer. Die Gefahr, dass ein Politikwechsel der US-Notenbank zu einer deutlichen Verschlechterung der Refinanzierungsbedingungen für Schwellenländer führt, ist absolut real und muss im Eigeninteresse des weltweit investierten amerikanischen Kapitals und im Interesse stabiler globaler Finanzmärkte von den Entscheidungsgremien der Fed mitberücksichtigt werden. Wer hegemoniale Ansprüche geltend macht, der muss auch globale Verantwortung übernehmen.



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1 Kommentar

  1. Sehr guter Bericht, der aufdeckt das die Pandemie und die Nachwirkungen global nicht gelöst sind und das Gelddrucken einigen Ländern kurzfristig hilft und mittelfristig weltweit grosse Nebenwirkungen haben wird.
    Es wäre zu einfach wenn mit Geldschwemme alle Probleme ertränkt werden könnten.

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