Erst gestern konnte man an den neuesten Unternehmens- und Wirtschaftszahlen das derzeitige Paradoxon der US-Konjunktur erkennen: Industrieproduktion und Verarbeitendes Gewerbe schwach mit minus 0,2 und -0,4 Prozent, der US-Einzelhandel hingegen stark mit einem Plus von 0,9 Prozent, genauso wie der größte Einzelhändler der Welt, Walmart, der mit seinen aktuellen Quartalszahlen überraschte (Umsatz 130,31 Milliarden Dollar – zwei Milliarden mehr als im Vorjahr) und dies trotz Handelsstreit und höheren Einfuhrpreisen.
Der US-Konsument, die entscheidende Größe der US-Konjunktur
Trotz der Dominanz vieler US-Techfirmen ist doch festzustellen, dass die USA schon lange keine Industrienation mehr sind, sondern im Schwerpunkt eine Dienstleistungsgesellschaft, die ganz entscheidend von der Kauflaune ihrer Verbraucher geprägt wird. So hat die Landwirtschaft (auf die Trump so großes Augenmerk legt) nicht einmal mehr einen Anteil von einem Prozent am BIP, die Industrie circa 19 Prozent und der Dienstleistungssektor unglaubliche 80 Prozent. So ist es nicht verwunderlich, dass etwa 70 Prozent des Sozialprodukts von den Ausgaben der 330 Millionen US-Verbraucher generiert werden. Damit wird deutlich, dass es eben der Konsument ist, der für das Wohl und Wehe der US-Konjunktur verantwortlich ist.
Die Frage nach dem Zustand der US-Konjunktur ergibt sich somit aus den Stellgrößen Arbeitsmarkt, Lohnwachstum und Verbrauchervertrauen. Diese befinden sich teilweise noch auf sehr hohen Niveaus.
Der Handelsstreit, der Konsument und die US-Konjunktur
Bei der Dominanz des US-Konsums ist es geradezu zwingend, dass die US-Regierung darauf achtet, wie durch Maßnahmen, wie Zöllen oder Firmenboykotts von ausländischen Zulieferern, das Verbrauchervertrauen und die Konsumlaune tangiert werden. Quasi aus heiterem Himmel verschob Donald Trump in dieser Woche Zölle auf bestimmte Artikel aus China, die für das Weihnachtsgeschäft der Amerikaner von zentraler Bedeutung sind – und ohne irgendwelche substanziellen Zugeständnisse zu bekommen.
Da kann Trump twittern was er will, Fakten verdrehen, beschönigen oder ignorieren: wenn der Konsum in die Knie geht, wäre es vorbei mit der wunderbaren US-Konjunktur. Daher auch die stakkatoartig vorgetragenen Forderungen des Präsidenten an die Fed, die Zinsen zu senken. Der Dollarkurs ist hier meines Erachtens nur als Teilaspekt vorgeschoben (bei der geringen Bedeutung des Exports am BIP), nein, es sind die Kreditzinsen für die Verbraucher, ob bei Kreditkarten, Haus- und Autokrediten u.w. sowie die Finanzierungsbedingungen für eine unglaubliche Anzahl an Unternehmen, die nur durch billige Kredite weiter über Wasser gehalten werden.
Fazit
Für manchen Beobachter mag es schon aberwitzig erscheinen, dass sich weltweit die Meldungen über konjunkturelle Abschwünge in allen Ecken der Welt häufen und die USA von dem scheinbar unbeeinträchtigt blieben, bisher, wenn man von den Turbulenzen der letzten Tage absieht.
Aus dem oben Dargelegten ergibt sich auch die Erklärung für die panikartigen Abverkäufe an der Wall Street. Donald Trump hat es mit seinen Zolldrohungen ab September zu weit getrieben, der Konsumsektor der Wall Street musste in den letzten Tagen und Wochen herbe Kursverluste einstecken. Man preiste ein, wie weitere Zölle die Preise antreiben und den Konsumenten zur Zurückhaltung (zwangsläufig durch seine hohe Verschuldung) zwingen könnten.
Ein ähnlicher Effekt, wir ihn schon Ende 2018 zu sehen bekamen, als die US-Notenbank viermal die Zinsen angehoben hatte – bei gleichzeitiger Androhung weiterer Anhebungen plus einer Bilanzreduzierung – und durch diese Verteuerung von Krediten den Konsumenten und manches Unternehmen arg in die Bredouille gebracht hatte.
Billiges Geld und damit billige Kredite sind eine unerlässliche Voraussetzung, dass sich der Konsum weiter positiv entwickelt und die Aktienkurse an der Wall Street auch in der Vorwahlzeit 2020 auf hohem Niveau halten können. Das weiß die US-Administration – und sie wird alles daran setzen, dass es dabei bleibt.
Die Frage ist nur, ob der weltweite zyklische Abschwung in Verbindung mit einer nun schon über ein Jahr andauernden Zolleskalation nicht bereits zuviel Schaden angerichtet hat, den die Notenbanken mit ihrem kleinen Zinsspielraum nicht mehr kitten können.
Die Rentenmärkte haben diese Entscheidung bereits gefällt.
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„Umsatz 130,31 Milliarden Dollar – zwei Milliarden mehr als im Vorjahr) und dies trotz Handelsstreit und höheren Einfuhrpreisen.“
Ist hier nicht ein Denkfehler? Bei Walmart konsumieren die Kunden doch Dinge des täglichen Bedarfs. Der Umsatz stieg nur um 1,5% obwohl die Zölle vermutlich deutlich höhere Preissteigerungen als 1,5% verursachen. Das bedeutet: Umsatz steigt minimal, jedoch wandern weniger Waren über die Theke = Kaufzurückhaltung!
Hallo Übelkeit, da liegen Sie in Bezug auf Walmart auch laut offizieller US-Statistik richtig: der sog. Personal Consumption Expenditures Price Index (Konsumententeuerungsrate die in die US-BIP-Berechnung einfließt) zeigte in der letzten Veröffentlichung eine Anstiegsrate von 1,4 Prozent zum Vorjahr. Damit wäre ein Großteil der gefeierten Umsatzsteigerung bei Walmart nur durch höhere Preise entstanden, aber nicht durch einen höheren Warendurchsatz.
@Übelkeit, das ist eine sehr interessante These. Ich meine aber, Anfang August gelesen zu haben, dass Walmart, wie auch die Kaufhauskette Macy’s bisher nur Preiserhöhungen aufgrund der Zölle in Aussicht gestellt haben. Hier wäre also als Kennzahl das Betriebsergebnis im Inland wesentlich aussagekräftiger, als die weltweiten Umsatzzahlen. Das globale Betriebsergebnis ist zwar deutlich gesunken, man erklärt das aber mit Flipkart und spricht gleichzeitig von einem starken US-Geschäft:
https://finanzmarktwelt.de/walmart-quartalszahlen-besser-als-erwartet-aktie-63-136814/
Interessant zu wissen wäre auch, wie viele der Dinge des täglichen US-Bürger-Bedarfs (wie automatische Waffen und Sturmgewehre) ;) bereits von Zöllen betroffen sind. Eventuell fällt ein Großteil auch erst in die inzwischen auf Dezember verschobenen Warenkategorien?
Leider habe und finde ich dazu auf die Schnelle keine näheren Informationen. Offen gesagt, habe ich seit Beginn des Handelskrieges vor über einem Jahr noch nie irgendwo von irgendwelchen Kennzahlen gehört oder gelesen, wie sich die 25% Zusatzkosten auf die Ergebnisse der US-Importeure auswirken. Seltsam!
Das Thema wäre sicherlich eine interessante Herausforderung für unsere rasenden FMW-Reporter, nicht nur in Bezug auf Wallmart.
Die Prognose ist auch sehr schwierig, da großteils abhängig von der Währungsabschwächung Yuan US$. Wenn die Chinesen 20% abwerten, sind die 25% komplett konterkariert. D.h. aktuell dürften schon diverse Waren für die US Käufer günstiger sein als vor Beginn des Handelskonflikts, und die Zölle dürften wesentlich abgeschwächt worden sein.
Ersatzbezugsquellen noch außen vor, könnten billiger aber auch teurer sein, und auch in letzterem Fall aus strategischen Gründen trotzdem in Anspruch genommen werden.
@Shong09, der Yuan steht allerdings kaum tiefer als zum Zeitpunkt der US-Präsidentenwahl 2016 und hat auch seit Trumps Zolleskalationen noch lange keine 20% abgewertet.
@leftutti, jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. 25% Zusatzkosten auf zahlreiche Importgüter seit über einem Jahr, die Zölle auf Stahl und Aluminium seit 23. Marz 2018, müssen sich doch inzwischen deutlich in den Bilanzen niedergeschlagen haben. Von Autos und Maschinen über Baustahl bis hin zur Konservendose, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Zusatzkosten einfach spurlos an den Preisen oder Betriebsergebnissen vorübergehen. Und wie Sie völlig richtig anmerken, ist es mehr als seltsam, dass dies nirgendwo thematisiert wird, noch nicht einmal auf der Finanzmarktwelt.
@Leftutti. Hallo. Vielleicht darf ich auf Ihre Frage etwas eingehen. Die bisher in der Spitze mit 25% verhängten US-Zölle gegenüber China betreffen eine Umfang von 250 Milliarden Dollar. Das bedeutet eine Belastung von max. 62,5 Milliarden Dollar, die aber teilweise durch Preisnachlässe der Chinesen ausgeglichen wurden. Aber, und das ist das Entscheidende: Es ging um Stahl, Aluminium, Waschmaschinen u.ä., also keine Güter des täglichen Gebrauchs bei Walmart und Co. Anders bei den für September angedachten 10% auf 300 Milliarden Dollar, bei denen Alltagsgüter vom Handy über Spielzeug bis zu Bekleidung und Schuhen betroffen wären. Das haben die Börsen eingepreist und die Einzelhandelswerte an der Wall Street in den Vortagen heftig abgestraft. Das hat man in Trumps Team natürlich bemerkt und die bedeutsamen Weihnachtsgüter aus den Zöllen ausgenommen und verschoben. Aber jetzt kommt der Knackpunkt. Die gesamten jährlichen Konsumausgaben der USA betragen 13,67 Billionen Dollar, daher könnten 62,5 Milliarden Zusatzzoll noch nicht so Inflationstreibend wirken. Ich habe zum Thema US-Konsum noch einen Artikel in der Vorbereitung für Montag.
Viele Grüße in den hohen Norden.
@Wolfgang M., herzlichen Dank für die Rückmeldung. Ich hatte das genau so vermutet und angedeutet. Wenn die Zusatzzölle jedoch so unerheblich im Vergleich zu den Konsumausgaben sind, dürfte aber umgekehrt doch auch die „erzieherische“ Auswirkung auf die gesamtchinesische Wirtschaft relativ unbedeutend sein. Oder liege ich da vollkommen daneben?
@leftutti. Das haben Sie Recht. Sollten die USA (hypothetisch) alle chinesischen Exporte in die USA stoppen in Höhe von 540 Milliarden Dollar, würde dies der chinesischen Wirtschaft zwar 4 Prozent an Wachstum kosten. Aber Trump kann auch nicht 25% Zoll auf die restlichen 300 Milliarden Dollar an Chinaeinfuhren erheben. Das wäre dann das Ende des schuldenfinanzierten Konsumwunders in den USA, verbunden mit einem kapitalen Aktienmarkteinbruch. Ich denke, jede Partei hat so ihre Schmerzgrenze und der Gröpaz hat eine „wahlenbedingt“ sehr niedrige.
Schönes Wochenende