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US-Notenbank Fed: kein Entkommen aus der selbst gestellten Falle

Mit der Absicht, die US-Wirtschaft und das Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren, hat die US-Notenbank Fed ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis geschaffen

Mit der Absicht, die US-Wirtschaft und das Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren, hat die US-Notenbank Fed ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis geschaffen.

Chef der US-Notenbank Fed verspricht anhaltend lockere Geldpolitik

Die gestrige virtuell gehaltene Rede des Fed-Chefs Jerome Powell vor dem Economic Club of New York kam einem Offenbarungseid gleich. Wie erwartet versprach Powell, die geldpolitische Unterstützung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt durch de facto Nullzinsen (effektiver Leitzins bei 0,09 Prozent p.a.) und Wertpapierkäufe im Volumen von 120 Mrd. US-Dollar pro Monat noch für längere Zeit aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig forderte er weitere Anstrengungen von der Fiskalpolitik, die ökonomische Misere zu überwinden. Powell versprach, die Finanzierung staatlicher Ausgabenprogramme mit den Instrumenten der Fed solange sicherzustellen, wie es nötig sei.

Die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden will die Konjunkturerholung in den USA mit weiteren 1,9 Billionen US-Dollar forcieren. Das Congressional Budget Office (CBO) weist für 2020 ein Defizit im US-Staatsbudget von 3,3 Billionen US-Dollar aus. Das entspricht 16 Prozent des gesamten US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ist damit das höchste Defizit in Friedenszeiten.

Das Rekorddefizit wurde in den USA im Jahr 1943 mit 26,9 Prozent erreicht. Das waren damals in absoluten Beträgen gleichwohl lediglich 55 Mrd. US-Dollar. Für 2021 ist die Dimension des Defizits noch nicht absehbar. Es hängt stark davon ab, in welchem Umfang die Demokraten ihre geplanten Konjunktur- und Infrastrukturmaßnahmen durch beide Kammern des Kongresses bringen.

Die ursprüngliche Erwartung des CBO für das Defizit 2021 wurde bereits von 1,1 Billionen auf 2,1 Billionen US-Dollar angehoben. Dieses Volumen läge immer noch weit über dem höchsten Defizit aus der Finanzkrise in Höhe von 1,4 Billionen US-Dollar aus dem Jahr 2009 und im Verhältnis zum geschätzten BIP für 2021 bei abenteuerlichen 8,6 Prozent. Allein im Januar 2021 betrug das Defizit auf Ebene der US-Bundesregierung 163 Mrd. US-Dollar. Im Januar 2020 waren es lediglich 33 Mrd. US-Dollar. Das Fiskaljahr endet in den USA jeweils am 30. September.

Gefährliches Abhängigkeitsverhältnis

Jerome Powell äußerte sich zudem wenig optimistisch bezüglich der Erholung am Arbeitsmarkt, die seiner Ansicht nach in den letzten Monaten nahezu zum Erliegen gekommen sei: „Wir sind immer noch sehr weit von einem starken Arbeitsmarkt in Amerika entfernt“, so Powell.
Aktuell liegt die US-Beschäftigung noch ca. 10 Mio. Arbeitsplätze unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Diese Tatsache spiegelt sich auch in der sich zuletzt stark eingetrübten Stimmung der ca. 30 Millionen kleinen Unternehmen in den USA wider, die knapp 50 Prozent der Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft stellen. Zusammen mit den mittelständischen Unternehmen sind es sogar über 90 Prozent. Der NFIB Small Business Survey brach im Januar auf 95 Punkte ein. Noch im Oktober 2020 lag dieser Wert bei 104 Punkten.

Das Mandat der Fed umfasst auch das Ziel der Vollbeschäftigung, dessen Erreichung der Chef der US-Notenbank Fed, anders als die US-Finanzministerin Janet Yellen noch lange nicht erreicht sieht.

Damit steht die US-Notenbank vor einem generellen Dilemma: Wie soll sie die Alimentierung des Staates, großer Teile der kleinen und mittelgroßen Unternehmen sowie der amerikanischen Familien durch günstige Kredite oder die Finanzierung von Barschecks des US-Finanzministeriums für US-Haushalte in Zukunft wieder einstellen, ohne dass es zu Verwerfungen kommt?

Schon jetzt ist die US-Notenbank der größte Finanzierer des US-Staatshaushaltes und des Immobilienmarktes durch den massenhaften Ankauf von hypothekenbesicherten Anleihen im Volumen von 50 Mrd. US-Dollar pro Monat.

Aktuell versucht die neue Biden-Regierung die dritte Direktzahlung in Form von Barschecks an US-Familien mit weniger als 200.000 US-Dollar Jahreseinkommen durch den Kongress zu bringen. Natürlich finanziert durch den Verkauf von Staatsanleihen an die US-Notenbank. Damit alimentiert die Fed nun auch fortlaufend den Privatkonsum und die Finanzmarktspekulation von Kleinanlegern.

Eine Exit-Strategie aus dieser geldpolitischen Falle hat Jerome Powell bei seiner gestrigen Rede nicht erkennen lassen. Wahrscheinlich deshalb, weil es keine gibt. Dies zeigt das Beispiel Japan, wo die Bank of Japan mittlerweile im Alleingang das Staatsdefizit finanziert, große Teile des Aktienmarktes via ETFs aufkauft und seit drei Jahrzehnten nicht mehr aus der Zins- und Gelddruckfalle herauskommt.

Keine Angst vor Inflation

Daher ist es auch verständlich, dass Jerome Powell bereits jetzt verbal für den Fall beschwichtigt, dass neben den Asset-Preisen auch die allgemeine Teuerung in Folge der ultralaxen Geldpolitik in Zukunft ansteigen könnte. Zum Beispiel über den Transmissionsmechanismus stark steigender Rohstoffpreise und industrieller Vorleistungsgüter, wie es zuletzt bereits beim ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe ablesbar war: Hier stieg die Komponente für die Preise im Januar auf 82,1 Punkte (alles über 50 bedeutet Expansion). Dies war die höchste Expansionsrate der industriellen Einkaufspreise seit Mai 2011.

Sollte es tatsächlich, wie von vielen Ökonomen prognostiziert, zu einer Pleitewelle bei den hauptsächlich im Dienstleistungssektor angesiedelten Kleinunternehmen kommen, könnten sich auch hier durch die Angebotsverknappung in Zukunft die Preise spürbar nach oben bewegen.

Zum Glück hat die US-Notenbank Fed, wie auch die EZB und andere große Zentralbanken für diesen Fall vorgesorgt. Die Zauberformel heißt „Symmetrisches Inflationsziel“.  Da die offizielle Teuerungsrate (Inflation) lange Zeit unter der Zielrate von 2 Prozent p.a. lag, könne sie in Zukunft auch ebenso lange darüber liegen, bis die langfristige Symmetrie des Inflationsziels auf der Zeitachse wieder hergestellt ist. Und so überraschte es kaum, dass Jerome Powell genau darauf in seiner Rede am Mittwoch hinwies. Denn so zwingt eine steigende Inflationsrate die Fed nicht mehr unmittelbar, die Zinsen wieder anheben zu müssen. Das ermöglicht auch bei anziehenden Teuerungsraten die Beibehaltung der de facto Nullzinspolitik, die real längst eine Negativzinspolitik geworden ist. Aktuell liegt der Zinssatz für einjährige US-Staatsanleihen bei nominal 0,07 Prozent p.a. Die gestern veröffentlichte Konsumententeuerung liegt auf Jahresbasis jedoch bei 1,4 Prozent.

In Anbetracht der US-Schuldenexplosion, die in ihrer Gesamtheit (private und öffentliche Schulden) in diesem Jahr die Marke von 400 Prozent des BIP knacken könnte, ist nicht ersichtlich, wie in diesem Schuldenzyklus eine nachhaltige Normalisierung der Geldpolitik stattfinden kann und die US-Notenbank Fed aus ihrer selbst gestellten Falle wieder herauskommt.

Die US-Notenbank Fed in einer Falle!



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3 Kommentare

  1. Notenbankchefs, die das Große Dilemma verursacht und somit von Anfang bis Ende komplett versagt haben, wechseln in die Politik. Und das weltweit, sei es Janet Yellen im Land of the Free oder Mafio Droghi im Land of infinite Debt. Staatsminister, die komplett versagt haben, wechseln in höher bezahlte Positionen anderer Organisationen, sei es in politisch andere Ressorts mit besseren Karrieremöglichkeiten oder in Zwischensprungbretter der freien Lobby-Wirtschaft. Irgendwann kehren die meisten in einer perfekten Recycling-Kreislauf-Wirtschaft wieder, oft als Notenbankchefs oder Staatschefs.

  2. Scheinbar haben sich „alle“ schon auf „MMT“ eingeschossen. Darüber sollten wir reden..

  3. Man sollte Eines nicht vergessen: Nur ein einziges Land – nämlich das, welches die Weltreservewährung druckt – kann sich den Luxus erlauben an MMT zu glauben, solange sichergestellt ist, daß mit Dollar bezahlt wird.
    „Wir Schulden es uns doch selbst… „. Wenn die große Sachwertkaufwelle abgeschlossen ist (diverse Landkäufe etc. Einkaufstour..) dann werden die Zinsen erhöht. Dann können sich Europa und die Schwellenländer anschnallen. Komisch, daß das niemand so richtig auf dem Schirm hat.

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