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USO Öl ETF entkoppelt sich restlos vom Ölpreis

Öl Pumpe vor Sonnenuntergang - ETF entkoppelt sich vom Ölpreis

Die aktuelle Krise ist um eine Episode reicher. Der weltgrößte börsengehandelte Öl Fonds, der teilweise ein Viertel aller Future-Kontrakte des kommenden Monats hielt, ist mehr wert als die in ihm enthaltenen Futures. Möglich macht es die große Nachfrage nach dem Fonds, die gleichzeitig mit für den nächsten Ölpreis-Kollaps verantwortlich sein könnte. Das Geschäft mit börsengehandelten Fonds, ETF, ist auf den ersten Blick einfach, am Ende jedoch voller Tücken. Ziel des United States Oil Funds (USO) ist es, die Preisentwicklung des WTI Öl-Future des nächstliegenden Fälligkeitstermins nachzubilden. Zu diesem Zweck kauft der Fonds stets so viele Öl-Futures, wie nötig sind, um für die ausgegebenen Fondsanteile diese Rendite nachzubilden.

Wie entstehen Anteilsscheine von ETF?

Doch bei ETF (börsengehandelter Fonds) sind es nicht nur die Fondsgesellschaften, die Fondsanteile verkaufen. Vielmehr werden die meisten Anteile von sogenannten Authorized Participants verkauft, also Brokern und Großbanken. Diese sammeln das Geld der Anleger ein, generieren die nötigen Fondsanteile und verkaufen sie dem Anleger. Der Fondsgesellschaft werden dann entweder die vom Fonds nachgebildeten Basiswerte, also in diesem Fall Öl-Futures, oder das Bargeld weitergeleitet. Damit die Authorized Participants stets Fondsanteile erzeugen können, registriert die Fondsgesellschaft vorab eine gewisse Menge Anteilsscheine bei der Börsenaufsicht.

Doch aufgrund der enormen Nachfrage nach Anteilsscheinen des Öl ETF sind die vorab registrierten Mengen ausverkauft gewesen. Die Probleme sind offensichtlich. Dass erst einmal keine neuen Anteile erschaffen werden können, hielt die Anleger natürlich nicht davon ab, den Fonds kaufen zu wollen. Also kam es zu der absurden Situation, dass der Fondspreis erst im negativen vom Basiswert abwich. Der Fondspreis verlor viel stärker an Wert als der Öl-Future selbst. Anschließend wurde der Fonds jedoch mit einem erheblichen Aufpreis auf den inneren Wert gehandelt, weil Anleger auf jeden Fall auf einem niedrigen Ölpreisniveau Anteile am Ölfonds haben wollten.

Mal kostet der USO mehr als Öl, mal weniger

Doch der Reihe nach: Am Montag begann der Fondspreis vom Preis des Basiswerts nach unten abzuweichen. Der Fondspreis verlor stärker an Wert als der Ölpreis. Grund dafür war wahrscheinlich Shortselling. Der Theorie nach, die auch der Entwickler des USO bestätigte, war der Grund für die Explosion der Anteilsscheinmenge in erster Linie nicht die Nachfrage von Investoren, sondern die Nachfrage von Shortsellern. Shortseller verkaufen geliehene Anteilsscheine in der Hoffnung, sie später zu einem geringeren Preis zurückkaufen zu können. Da es nicht genügend Anteilsscheine des Öl ETF gab, erzeugten die Authorized Participants, um sie anschließend Shortsellern auszuleihen, die sie in ihrer Spekulation auf fallende Kurse verkaufen.

Natürlich können Shortseller allein nicht für fast eine Vervierfachung der Anteilsscheinmenge in wenigen Wochen sorgen. Irgendjemand muss den Fonds schließlich von den Shortsellern auch kaufen. Wahrscheinlich war das Interesse am Shortselling und die Erwartung fallender Kurse so groß, dass am Ende die Anteilsscheine mit einem Rabatt auf den inneren Wert veräußert wurden. Diese Situation kehrte sich am Mittwoch um. Schon am Morgen kostete ein Anteilsschein mehr, als die mit dem Anteilsschein verbrieften Rechte an der Preisentwicklung des Ölfutures. Denn die Nachfrage nach dem Fonds ist anhaltend hoch, während die Authorized Participants keine neuen Anteilsscheine mehr generieren können. Auch der Preisdruck der Shortseller ließ damit schlagartig nach, da diese sich die Anteilsscheine nun erst einmal auf komplexerem Wege oder zu höheren Preisen anderweitig ausleihen müssen, um sie verkaufen zu können.

Die Lage ist so unübersichtlich, dass sich im Laufe des Handelstages das Blatt mehrfach wendete. Mal war der Fonds deutlich teurer, mal deutlich günstiger als die enthaltenen Futures. Höchstwahrscheinlich wird sich das Durcheinander in den kommenden Wochen noch halten. Denn der nächste Rolltermin rückt unaufhaltsam näher. Die jetzt gekauften Juni-Futures müssen in der zweiten und dritten Mai-Woche in den Juli-Future gerollt werden. Das weiß jeder an der Börse. Und jeder weiß, um welche Mengen es inzwischen beim vier Milliarden US-Dollar schweren Fonds geht. Es ist daher anzunehmen, dass sich schon jetzt Marktteilnehmer im Juni-Kontrakt auf der Short- und im Juli-Kontrakt auf der Long-Seite positionieren. Fängt der ETF erst einmal an, den Rollvorgang zu starten, ohne dass die Ölnachfrage auf der Welt bis dahin wieder ansprang, dann wird der Fonds enormen Preisdruck auf beide Futures ausüben. Der eine Future-Preis wird wahrscheinlich fallen, der andere steigen. Der dadurch entstehende erhebliche Rollverlust wird wieder dazu führen, dass sich die Preise von Fonds und Öl entkoppeln.

Der Fondspreis wird vielleicht dauerhaft vom Basiswert abweichen

Wahrscheinlich wird der Fonds zur Verminderung dieses Preisdrucks dazu übergehen, künftig auch gänzlich andere Futures zu kaufen, als er eigentlich müsste, um den Preis des US-amerikanischen WTI-Öl abzubilden. Denkbar sind, wie es bereits in kleinen Mengen getan wird, Kontrakte längerer Laufzeit oder sogar Futures anderer Ölsorten wie europäisches Brent. Die Diversifizierung des Fondsportfolios würde den Einfluss des Fonds auf die US-amerikanischen Future-Preise reduzieren. Zwar kann man eine Portfoliozusammensetzung modellieren, deren Preis sich ähnlich verhält wie der nächstfällige WTI-Kontrakt. Doch das funktioniert nur solange, wie sich die Märkte modellgemäß verhalten.

Das Beispiel des USO zeigt, dass ETF inzwischen teilweise so groß geworden sind, dass sie selbst den Markt darstellen, den sie eigentlich abbilden wollen. Wenn jede Transaktion des Fonds die Preise des Basiswerts verändert, wackelt der Schwanz mit dem Hund. Die Idee des einfachen, liquiden, passiven Anlagevehikels, das ETF darstellen sollen, wurde in den vergangenen Wochen gleich mehrfach als Trugschluss offenbart. Wenn die halbe Welt nur noch passiv per ETF investiert, dann bekommen die Preise der Basiswerte eine Dynamik, mit der kein Anleger rechnete. Am Ende hat der Preis des Fonds nur noch wenig mit dem Basiswert zu tun. Wie die enorme Nachfrage nach dem USO zeigt, scheint das bis jetzt aber noch kaum ein Anleger verstanden zu haben. Übrigens, der USL Fonds, der in die WTI Future-Kontrakte der kommenden 12 Monate investiert, verlor deutlich weniger stark an Wert als der USO, der sich auf den nächstfälligen Kontrakt spezialisierte. Diversifizierung ist Trumpf – auch bei ETFs.



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5 Kommentare

  1. Hallo Herr Schumanns, Ihr Bericht trifft die verworrene und beinah surreale Situation des USO Funds sehr gut.
    Hinzufügen würde ich folgendes:
    Der Fund hat bei der US Börsenaufsicht eine Aufstockung des Fundsvolumens beantragt.
    Sollte dies positiv beschieden werden, kehrt des Überbewertung des USO mit zeitweilig 25 % über NAV sicher schlagartig zurück.
    Ein weiter fallender Preis wäre die Folge.
    Aktuell können shortseller den USO nur mit hohen Zinsen leihen. Ein Anstieg des Shortselling triebe diese Zinsen in sehr grosse Höhen, solange bis das shortselling unrentabel wird und anschliessend schlagartig ein short squeeze einsetzt.

    Ein entscheidender Punkt ist jedoch, dass USO zur Zeit nicht mehr den Markt trackt, da es das Underlying (Baskets auf die CL Futures) nicht mehr handelt, um halbwegs im Gleichschritt zu bleiben, sondern sich tatsächlich völlig entkoppelt hat, weil es auf die SEC wartet.
    Dies wird nicht lange so bleiben können. In Kürze wird die Entscheidung der SEC bekannt und dann gibt es erneut „irrationale“ Bewegungen im Preis des USO
    Krasse Über- wie Unterschreitungen des NAV sind die Folge.
    Im übrigen handelt USO bereits jetzt überwiegend schon den CL Juli Kontrakt.
    Sie haben den Zeitrahmen der Rollvorgänge vergrössert (Zumindest habe ich diese Informationen)
    Danke nochmals, Liebe Grüsse
    Hier ein Link mit Infos
    https://seekingalpha.com/article/4339102-uso-now-detaching-from-reality

    1. @Segler
      Ein riesen Lob für Ihre fundierte Kommentare und danke für die Informationen.

  2. Sehr geehrter Herr Schuhmanns,

    Sie irren! Der USO ist kein ETF, es ist ein ETC! Das ist etwas vollkommen anderes.

    1. Hallo Herr Lappe, Bitte schauen Sie in den factsheets und auf der Seite des Commodity Issuer
      Es handelt sich beim USO um einen ETF.
      https://www.etf.com/USO#overview
      https://www.etf.com/channels/us-commodity-funds-etfs

  3. Ein ganz wertvoller Artikel, dem der Segler das i-Tüpfelchen verliehen hat. Danke an beide.

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