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Varoufakis: Folgt nach der Entmachtung die Trotzphase?

Von Claudio Kummerfeld

Yanis Varoufakis wurde de facto von Premier Tsipras kaltgestellt. Die einzige derzeit wichtige Aufgabe für einen griechischen Finanzminister, nämlich bei den EU-Partnern neue Gelder zu erbetteln, wurde an Staatssekretäre übertragen. Eine Demütigung für jemanden, der die öffentliche Aufmerksamkeit so sehr zu lieben scheint, dass er mehr Zeit in Interviews als in Arbeit investiert. Folgt nach der Entmachtung die Trotzphase? Was in den letzten Tagen geschah…

Griechenland Finanzminister Yanis Varoufakis
Yanis Varoufakis wurde durch Premier Tsipras kaltgestellt
Foto: Jörg Rüger / Wikipedia (CC BY 3.0)

Varoufakis entmachtet

Ende letzter Woche tagte die Eurogruppe in Riga und traf auf einen offenbar völlig unvorbereiteten griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Offensichtlich hatte der wie immer nur eines im Gepäck: warme Worte. Als „Spieler, Zeitverschwender und Amateur“ hatten ihn andere Teilnehmer des Treffens bezeichnet, wohl absichtlich lanciert an die Presse, um ihn bloßzustellen. Ob zurecht oder zu Unrecht, sei mal dahingestellt. Aber die Tatsache, dass die Tsipras-Regierung direkt nach diesem Gipfel und auf dem Höhepunkt der griechischen Finanzkrise verkündet, dass man dem Finanzminister mehrere Personen „unterstützend zur Seite stellt“, zeigt, dass dies in der Tat eine Entmachtung war. Wäre es keine Entmachtung gewesen, hätte man die „Unterstützung durch einige Kollegen“ überhaupt nicht öffentlich verkünden müssen.

Auf einer Stufe mit Franklyn D. Roosevelt

Wer sich zu Höherem berufen fühlt, muss z.B. große Namen der Zeitgeschichte zitieren und sich mit ihnen in einen Kontext stellen. So auch Yanis Varoufakis. Über Twitter verbreitete er letzten Sonntag nach dem Riga-Treffen folgenden Text:

Übersetzt:
„FDR 1936: (Anmerk. d. Redaktion „Franklyn D. Roosevelt“ – Präsident der USA im 2. Weltkrieg“) „Sie sind sich einig in ihrem Hass gegen mich; und ich heiße ihren Hass willkommen“. Ein Zitat, welches diese Tage nahe an meinem Herzen (und Realität) liegt.

Da kommen einem fast die Tränen, so herzergreifend ist dieser Tweet. Fast 4.000 Retweets gab es bisher. So was schaffen sonst nur Katy Perry oder Rihanna. Da ist Varoufakis wohl der einzige Politiker, der solch eine Social Media-Reichweite hat. Was man im geschichtlichen Kontext erwähnen sollte: Franklyn D. Roosevelt brachte dieses Zitat in einer Wahlkampfrede – kaum vergleichbar mit dem Hass, den Yanis Varoufakis bei einer toternsten Verhandlungsrunde gespürt haben will, als es um das finanzielle Überleben eines Staates ging. Dieser Tweet zeigt einerseits Verbitterung und den Ruf nach Mitleid, andererseits eine sture Trotzreaktion.

Nicht links genug?

Wie bereits berichtet, wurde Yanis Varoufakis bei einem Restaurantbesuch Dienstag Abend in Athen von einer Gruppe „Anarchisten“ attackiert mit der Aufforderung er solle „ihren Bereich“ verlassen. Wie sich herausstellte, ging es wohl in der Sache darum, dass Varoufakis den „Anarchisten“ nicht links genug war. Wie er selbst berichtet, haben die Angreifer im Restaurant von ihm abgelassen, als seine Frau ihn umarmte und somit sozusagen eine Barriere zu den Angreifern aufbaute. Das bringt eine romantische, nette und menschliche Note in die Angelegenheit rein. Später will er dann nach eigener Aussage vor dem Restaurant die Angreifer in einem 15minütigen Gespräch beschwichtigt haben, sodass sie dann einfach so davon fuhren. Varoufakis das Opfer, Varoufakis der Schlichter, Varoufakis der Mann aus dem Volk, der keine Bodyguards braucht um mit Gewalt fertig zu werden. So soll man es wohl sehen. Vielleicht gibt es ja in den folgenden Tagen genauere Berichte von anderen Besuchern des Restaurants, wie das alles denn genau ablief.

Warme Worte alleine reichen nicht

Yanis Varoufakis hätte ( wie der argentinische Finanzminister Kicillof)als harter Kämpfer um Griechenlands Finanzen in die globale Finanzgeschichte eingehen können. Er hätte mit knallharten schriftlich dargelegten Konzepten uns alle überzeugen können, dass seine akademisch & intellektuell angehauchten Theorien, die er die letzten Jahre als Lehrkraft u.a. in Cambridge verbreitete, in der Realität umgesetzt werden können. Er hätte es nur machen müssen, etwas anbieten müssen. Aber anscheinend war der Übergang von Uni-Vorlesungen und kleinen kaum beachteten Diskussionsrunden mit Studenten hin zur Weltbühne der Hochfinanz zu viel für Herrn Varoufakis. Die Kameras, Mikrofone, Fotos und die Aufmerksamkeit von allen Seiten scheinen ihn wohl unterbewusst seine Vorträge und Reden fortsetzen zu lassen, wie er es als Uni-Professor gewohnt war. Eine inhaltliche Arbeit mit auf Papier niedergeschriebenen Finanzkonzepten scheint nicht stattzufinden. Schade.



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