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Vietnam ist der Gewinner der Null-Covid-Politik in China

Vietnam zieht Investoren an, die China verlassen

Vietnam China

Vietnam ist absehbar der große Gewinner der extremen Null-Covid-Politik in China – das zeigt sich bereits jetzt.

Chinas Exportindustrie kämpfte 2021 mit den Folgen der Covid-Pandemie. Logistikketten wurden immer wieder in Folge von Lockdowns unterbrochen. Seit nunmehr drei Jahren ist es praktisch nicht möglich, nach China zu reisen, um Lieferanten einen Routine-Besuch abzustatten. Die Kanton Fair, eine der größten Export-Messen der Welt wird auch im dritten Jahr in Folge praktisch ohne ausländische Besucher auskommen müssen. Auch Geschäftsreisen innerhalb Chinas waren schwierig.

Der Lockdown in Shanghai hat die letzte Hoffnung zerstört, dass China in absehbarer Zeit seine Strategie ändern wird. Joerg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in China, fasste die Aussicht für China in einem Interview sehr treffend zusammen: „Überall im Land blicken die Unternehmer nach Schanghai und müssen sich mit dem Szenario befassen, dass es ihrer Stadt gleich ergehen könnte. Also frieren sie bis auf weiteres fast alle Investitionspläne ein und drücken den Pause-Knopf“.

Vietnam profitiert von Investionen, die in China nicht mehr gemacht werden

Ganz anders sieht die Lage nun in Vietnam aus: vergangenes Jahr erlitt das Land mit der Ausbreitung der Delta-Variante einen Rückschlag in der Pandemie-Bekämpfung. Doch nun ist Vietnam vollständig geöffnet – auch für ausländische Besucher. Zwar breitet sich auch in Vietnam die Omikron-Varianten aus. Aber Vietnam hat sich entschlossen, mit dem Virus zu leben.

Der März 2022 brachte einen Rekord sowohl an In- als auch Exporten mit insgesamt 67,37 Mrd. US-Dollar. Die Exporte beliefen sich dabei auf 34,71 Mrd. US-Dollar und überstieg damit den bisherigen Rekord von Juli letzten Jahres. Der Juli ist traditionell der stärkste Monat im Jahr, denn im Juli werden die Weihnachtsproduktionen in Richtung Europa und Amerika verschifft. Es zeichnet sich also ein neues Rekordjahr für Vietnam ab. Die Asiatische Entwicklungsbank prognostiziert, dass Vietnams Wirtschaft im Jahr 2022 um etwa 6,5 Prozent wachsen wird.

Elektronische Produkte – hier vor allem Mobiltelefone – bilden die Basis für Vietnams Exportboom. Allerdings gibt hier einen deutlichen Unterschied zu China: während China die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, begnügt sich Vietnam mit der Montage von Telefonen. Jedoch wird auch Vietnam seine Lieferketten ausweiten und dem Vorbild Chinas folgen, ergo mehr als nur die Montage übernehmen.

Auch die Textilindustrie, die ebenfalls arbeitsintensiv ist, zeigt sich in guter Verfassung. In diesem Jahr verzeichneten die Produktionsaktivitäten der vietnamesischen Bekleidungsunternehmen weiterhin ein starkes Wachstum. LautPräsident der Vietnam Textile and Garment Association hat Vietnam in den ersten zwei Monaten diesen Jahres Textil- und Bekleidungsprodukte im Wert von fast 8,2 Milliarden US-Dollar exportiert, was einem Anstieg von 59% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Im ersten Quartal dieses Jahres wird erwartet, dass die Branche Exporte von rund 12,7 Milliarden US-Dollar erzielen wird.

Auch in Vietnam bremst Arbeitskräftemangel

Der Präsident der Ho Chi Minh City Clothing, Textiles, Embroidery and Knitting Association sagte, dass viele Textil- und Bekleidungsunternehmen genügend Aufträge erhalten haben, um bis Mitte dieses Jahres oder sogar September zu produzieren.

Immer mehr Unternehmen müssen mittlerweile Aufträge ablehnen, da sie nicht genug Arbeiter finden, um die Aufträge abzuarbeiten.

Unternehmen in der vietnamesischen Holzindustrie haben ebenfalls eine große Anzahl von Aufträgen erhalten, die besagen, dass die holzverarbeitenden Unternehmen z.T. bis ins dritte Quartal ausgelastet sind. Vietnam ist einer der weltweit größten Exporteure von Holzprodukten.

Nach Aussage von Tim Lee Lahaphan, Ökonom bei der Standard Chartered Bank, planen immer mehr internationale Unternehmen ihre Lieferketten nach Vietnam zu verlagern. Vietnam ist nach wie vor ein regionales Produktionszentrum in den Bereichen Elektronik, Textil und Schuhen.

Vietnam ist offen, China nicht

Nicht nur der Außenhandel und das verarbeitende Gewerbe boomen, auch der vietnamesische Inlandstourismus zieht allmählich an. An diesem Wochenende läutet Vietnam den Tag der Arbeit, der bis zum 5. Mai dauern wird, ein. Viele Flüge und Zugtickets zu touristischen Zielen sind beinahe ausgebucht – die Zahl der Passagiere, die während der langen Wochenendferien mit dem Flugzeug reisen, dürfte nach Schätzungen um 25 bis 30 Prozent gegenüber dem üblichen und um etwa 90 bis 95 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres steigen.

Vietnam kündigte am 15. März an, dass es seine Grenzen für internationale Touristen wieder öffnen und ab diesem Tag die internationalen Tourismusaktivitäten vollständig wieder aufnehmen werde. Der Tourismus ist auch für die vietnamesische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Im Jahr 2019 vor der Pandemie machte der Tourismus 9,2% des vietnamesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus und erhielt das ganze Jahr über mehr als 18 Millionen internationale Touristen. Seit Anfang dieses Jahres hofft die vietnamesische Regierung, die baldige Erholung des Tourismus zu fördern und die Verluste der letzten zwei Jahre auszugleichen.

Seit Mitte März hat die vietnamesische Regierung die Quarantänebestimmungen für internationale Touristen in Vietnam aufgehoben. Zhou Shixin, ein assoziierter Forscher am Asia-Pacific Research Center des Shanghai Institute of International Studies, betont, dass die Öffnung des internationalen Reiseverkehrs die Rückkehr internationaler Manager unterstützen und auch der vietnamesischen Fertigungsindustrie zugutekommen werde.

Dagegen China..

Das Gegenteil ist in der China der Fall. Jörg Wuttke, Chef der EU-Handelskammer in Shanghai, formuliert es in einem beeindruckenden Interview so:

„Etliche Firmen bauen ihre Lieferketten bereits um. Erstmals sehe ich, wie sich Unternehmen für ihr Sourcing in anderen asiatischen Ländern umschauen. Das bedeutet, es wird teurer, denn man kann in vielen Bereichen den extrem effizienten chinesischen Cluster nicht einfach ersetzen. Aber ein teureres Sourcing ist besser als gar nichts. Das liegt auch daran, dass China eine extrem rigide Reisepolitik beibehält. Als CEO oder als Einkäufer können Sie nicht einmal rasch nach Schanghai oder nach Guangzhou fliegen, aber Sie kommen problemlos nach Jakarta, Kuala Lumpur oder Manila. Mit der aktuellen Lage in China geht ein enormer Vertrauensverlust einher, der am Ende zu Veränderungen in den Lieferketten führen wird. Die ausländischen Unternehmen ziehen zwar nicht aus China weg, aber sie überlegen sich, manche Investitionen in andere Länder zu verlagern.“



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