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Von wegen solide deutsche Haushaltspolitik – Deutschland spart dank EZB 368 Milliarden Euro

Wolfgang Schäuble und sein Nachfolger Olaf Scholz gelten als grundsolide Sparer, die den Haushalt im Griff haben. Sie achten mit eiserner Hand darauf, dass nicht mehr ausgegeben wird als man in der Kasse hat usw, bla bla bla. Dabei steigen beispielsweise die Sozialausgaben sehr stark an.

In Wirklichkeit verdankt Deutschland die tollen Überschüsse nicht einer rigiden Sparpolitik, sondern vereinfacht gesagt entfallenen Zinskosten für Schulden, weil die EZB schon seit mehreren Jahren Zinsen abgeschafft hat, und seit der Finanzkrise 2008 weit mehr als normal gesenkt hat. Auf diesen Punkt weisen wir von FMW schon seit geraumer Zeit hin. Ausgehend vom Zinsniveau 2007 hat die Bundesbank laut „Handelsblatt“ die Zinsersparnis Deutschlands errechnet, die man durch das jahrelange Nullzinsumfeld hatte.

By the way: Auf kurze Laufzeiten zahlt Deutschland seit Jahren nicht nur 0 Zinsen, sondern verdient sogar Geld für die Aufnahme neuer Schulden! 2007 habe Deutschland noch 4,2% Rendite für Schulden gezahlt, 2018 waren es nur noch durchschnittlich 1,5%. Seit der Finanzkrise hat Deutschland insgesamt 368 Milliarden Euro an Zinsen gespart (Frankreich 350). Hätte es also keine außerordentlichen EZB-Maßnahmen gegeben, hätte der deutsche Staatshaushalt vereinfacht gesagt wohl 368 Milliarden Euro höhere Schulden, und es hätte in den letzten Jahren keine Haushaltsüberschüsse gegeben.

Alleine im Jahr 2018 habe Deutschland (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen) 55 Milliarden Euro gespart. Seit der Finanzkrise hat die gesamte Eurozone 1,42 Billionen Euro an Zinsen gespart. Aber: Wenn die Staaten so kräftig Geld sparen, warum hat Deutschland dann Überschüsse, und Länder wie Italien weiter Defizite? Es liegt wohl nicht am emsigen Sparen in Deutschland, sondern (so möchten wir es vermuten) beispielsweise in Italien an einer desolaten Lage der Wirtschaft, wodurch die Steuereinnahmen in den letzten Jahren nicht so hoch waren wie in Deutschland.

Dazu kommt noch eine grundlegend andere Einstellung zur Neuverschuldung in anderen Ländern im Vergleich zu Deutschland. Es ist also alles auch ein Stück weit Ansichtssache. Sparen wir so fleißig, oder gehen „die da“ so lässig mit dem Aufnehmen neuer Schulden um? Man darf gespannt sein, wie die Haushaltslage vor allem in Deutschland aussehen wird, wenn zwei Faktoren zusammenkommen. Steigende Zinsen + eine abkühlende Konjunktur (sinkende Steuereinnahmen).



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1 Kommentar

  1. „Hätte es also keine außerordentlichen EZB-Maßnahmen gegeben, hätte der deutsche Staatshaushalt vereinfacht gesagt wohl 368 Milliarden Euro höhere Schulden, und es hätte in den letzten Jahren keine Haushaltsüberschüsse gegeben.“

    Naja, ceteris paribus mag das so sein – aber tatsächlich wären die Zinsen ja dann höher gewesen, wenn die Wirtschaft in der Eurozone super gelaufen wäre und die Inflation höher gewesen wäre. Dann aber wären auch die Steuereinnahmen stärker gestiegen.

    „Dazu kommt noch eine grundlegend andere Einstellung zur Neuverschuldung in anderen Ländern im Vergleich zu Deutschland.“

    In welchen denn? Italien weit seit 1992 fast durchgängig Primärüberschüsse auf, Spanien hat die Staastsschuldenquote von 1996 bis 2007 (also bis zum Ausbruch der Finanzkrise) um 30 (!) Prozentpunkte gesenkt und seit 2014 sinkt die Staatsschuldenquote dort erneut. Und um die Frage im Artikel zu beantworten: Italien hat Defizite, weil die Schuldenquote in den 1970er und 1980er Jahren so stark gestiegen ist und dies den Haushalt bis heute belastet.

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