Allgemein

Warum Argentinien den globalen Kreditmarkt nachhaltig verändern wird…

Von Claudio Kummerfeld

Argentinien wird die internationalen Anleihemärkte in den nächsten Jahren nachhaltig verändern – ja tatsächlich, so nehmen wir es an! Warum? Alles dreht sich um das Thema Schuldenschnitt, wer wie viel bekommt, und wer am Ende sauer ist, dass der andere mehr bekommen hat als man selbst…

Argentinien Mauricio Macri
Mauricio Macri, seit 10. Dezember 2015 Präsident von Argentinien. Foto: Casa Rosada / Wikipedia (CC BY 2.5 ar)

Aber erst mal ein paar Schritte zurück. Argentinien war 2001 pleite, so richtig pleite. Tumulte auf den Straßen, alles war auf einen Schlag zu Ende. Das Land ging mit Auslandsschulden von 100 Milliarden Dollar den Bach runter. Mit Gläubigern, die 93% dieser Summe repräsentieren, einigte mach sich schließlich auf einen Schuldenschnitt – sie erhalten nur 30% des Nomimalwerts ihrer Ansprüche. Hatte ein Investor also irgendwann mal argentinische Anleihen für 10 Millionen Dollar Emissionswert gekauft, erhält er nur 3 Millionen Dollar zurück – darauf ließ sich wie gesagt 93% des Gläubigervolumens ein in der Absicht Argentinien zu helfen (na klar, wir sind alle Freunde). Aber hauptsächlich tat man dies natürlich, weil man froh war überhaupt noch 30% statt 0% zurückzubekommen.

Jetzt kommt aber der Haken an der Sache. 7% der Gläubigersumme nahm nicht teil an dem Schuldenschnitt, denn es gibt ja kein Naturgesetz, dass einen Gläubiger verpflichtet auf Ansprüche zu verzichten. So blieben die Nominalforderungen von 100% Rückzahlungsanspruch dieser 7% weiter im Raum, die durch Zinsforderungen natürlich kräftig weiter wuchsen. Argentinien weigerte sich jahrelang diese Forderungen zu begleichen. Die Logik dahinter war einleuchtend. Hätte man diese Gläubiger bedient, wäre das ein Affront gegen die anderen 93% gewesen, die auf 70% ihrer Forderungen verzichteten.

Nun geschah aber das, was in solchen Fällen häufig passiert. Hedgefonds, in solch einem Zusammenhang als Geier bezeichnet, kauften Anleihen von diesen noch frei vorhandenen 7% (quasi wertloser Schrott) für wenige Cent auf den Dollar am Anleihemarkt auf, mit nur einem Ziel. Argentinien so lange nerven, auspressen, blockieren, verklagen, bis man seinen rechtlich immer noch gültigen Anspruch auf 100% Rückzahlung durchgesetzt bekommt. Zusammen mit jährlichen Zinseszins-Effekten und dem günstigen Kaufpreis unter Nominalwert war eine traumhafte Rendite zu erwarten, bei einem hohen Totalverlust-Risiko, falls Argentinien dauerhaft nicht zahlen würde. Aber das Verhältnis von Risiko zu potenziellem Ertrag war für die Hedgefonds zu verlockend.

Und so kam es. In Person des New Yorker Richters Griesa fanden die Hedgefonds eine Gallionsfigur, die Argentinien daran hinderte in New York fällige Zinsen für die Gläubiger auszuschütten, die dem Schuldenschnitt zugestimmt hatten. Der eine nennt so was Erpressung oder Nötigung, der andere nennt es das legitime Durchsetzen von Ansprüchen. Zeit verstrich, der Rechtsstreit in New York zog sich endlos hin. Die linksgerichtete peronistische Kirchner-Regierung baute die Hedgefonds zum bösen Teufel auf, der am Desaster in Argentinien mit schuld sei. Aber die Fonds hatten Zeit und Ausdauer, denn das ist ihr Job, sie sind Profis.

Und dann trat ein, was auch manchmal passiert. Das Volk wollte nicht mehr weitermachen mit einer regulierten und verzerrten Wirtschaft. Ein Wandel sollte/musste her, und so wurde der neue Präsident Mauricio Macri gewählt. Sofort nach seiner Amftseinführung im Dezember 2015 krempelte er das „Kirchner-Modell“ der Abschottung und Totregulierung um. Die Devisenbeschränkungen und Verzerrungen wurden aufgehoben, der Peso ist wieder frei handelbar und zugänglich. So wertete er schlagartig ab, die argentinischen Exporteure sind wieder konkurrenzfähiger auf dem Weltmarkt (Rinder/Soja). Und jetzt vor wenigen Tagen der Durchbruch auf dem Kreditmarkt. Mit den größten Gläubigern dieser ausstehenden 7% der Altschulden (inzwischen real 9 Milliarden Dollar), mehreren großen Hedgefonds, einigte sich Argentinien unter seinem neuen Präsidenten jetzt auf eine Rückzahlung mit einem Abschlag von 25%, um endlich wieder freien Zugang zu den weltweiten Anleihemärkten zu bekommen. Denn erst wenn die Hedgefonds den New Yorker Richter Griesa quasi „anweisen“ seine Sperre aufzuheben, sehen internationale Geldgeber das Land wieder als so verlässlich an, dass man ihm neue Kredite geben kann.

Die Gläubiger, die am Schuldenschnitt teilnahmen, bekamen 30% des Nominalwerts, verzichteten also auf 70% ihrer Forderung. Die Hedgefonds, die viel mehr Zeit und Nerven mitbrachten, bekommen jetzt ca. 75% des Nennwerts ausgezahlt + Zinsen, wobei sie die Anleihen vorher nur für ein paar Cent gekauft hatten. Genaue Einstiegssummen sind nicht bekannt, aber die Rendite auf das eingesetzte Kapital wird traumhaft sein. Argentinien macht am Ende noch ein akzeptables Geschäft, da man auch bei den restlichen 7% der Altschulden 25% des Nominalwerts spart.

Nur was ist jetzt das große Problem für weltweit agierende Anleihe-Investoren? Argentinien selbst ist nicht das Problem, wohl aber der Verursacher des Problems, das da lautet: „Wenn ein Staat zukünftig pleite geht und seinen Gläubigern einen defitigen Schuldenschnitt anbietet, welche Garantie haben wir, dass wir nicht erneut benachteiligt werden wie in Argentinien? Dann warten wir doch einfach genau so lange wie die Hedgefonds damals in Argentinien. Irgendwann kommt der Staat schon wieder zu frischem Geld, und dann holen wir unsere Altforderung von 100% hervor.“ Der nächste Kandidat für dieses Problem dürfte wohl die Ukraine sein. Das Land ist irgendwie pleite – und ein vergleichbares Szenario ist hier schon eingetreten, wenn auch die Umstände andere sind.

Mit westlichen Gläubigern hatte man sich letztes Jahr auf einen Schuldenschnitt von 30% geeinigt, aber Russland mit einer Anleihe von 3 Milliarden Euro wollte da nicht mitmachen. Die Ukraine weigerte sich an Russland voll zurückzuzahlen, und vor Kurzem hat Russland vor einem britischen Schiedsgericht Klage eingereicht. Werden potenzielle private Gläubiger sich in Zukunft das Beispiel Argentinien anschauen und dazu noch den Streit mit Russland, und dann noch sagen „hey ein neuer Schuldenschnitt der Ukraine, da machen wir mit“? Nein, sie werden wohl zu Recht denken „wenn die Hedgefonds in Argentinien nach langem Ausharren zu ihrem Recht kommen, dann halten wir das mit der Ukraine auch durch“. Griechenland mit seinem bevorstehenden Schuldenschnitt ist da ein Sonderfall. Hier treten Mitglieder einer politischen Gemeinschaft (EU/Eurozone) als Gläubiger gegenüber einem Familienmitglied (Griechenland) auf. Da geht es mehr um Politik als um Geld.

Der Schuldenschnitt als Instrument dürfte durch den „Fall Argentinien“, wo Hedgefonds jetzt gegenüber den braven Schuldenschnitt-Teilnehmern deutlich besser gestellt werden, schwieriger oder gar nicht mehr durchzusetzen sein. Wie die Stimmung bei Altgläubigern Argentiniens aussieht, die damals dem Schuldenschnitt „guten Mutes“ zustimmten, kann man sich vorstellen. „Was für eine Ungerechtigkeit, beim nächsten Pleite-Staat fallen wir nicht auf die Betteltour rein“, so die Denke dahinter. Wir bekamen nur 30%, die Hedgefonds letztlich 75%. F.ck!

Also, der Schuldenschnitt als Solches wird für zukünftige Entschuldungen von Staaten deutlich schwieriger durchzusetzen sein, besonders bei privaten Anleihe-Investoren.




Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

3 Kommentare

  1. Sehr interessante Analyse zur Politik von Mauricio Macri auch bei @dieKolumnisten:
    http://diekolumnisten.de/2016/03/29/der-bessere-obama/

    Demonstrativ hat Barack Obama Argentiniens neuem Präsidenten Mauricio Macri bei einem Staatsbesuch den Rücken gestärkt. Damit hat er Gespür bewiesen. Denn Macri krempelt sein marodes Land im Eiltempo um. Sein Modell könnte zum Leitbild für ganz Südamerika werden.

  2. Jetzt frage ich warum bei den Griechenland Anleihen der Schuldenschnitt vom 70-75% trotzdem durchgeführt wurde, auch wenn die entsprechenden Anleger für Ihre Anteile dagegen gestimmt hatten. Ich fand so und so, dass die Anleger der Argentinien Bonds, auch wenn sie dem Schnitt zustimmten, wesentlich besser beim Umtausch behandelt worden wie die Anleger der Griechenland Anleihen. Jetzt auch nochmal durch Klage Abweisung des BGH bestätigt. Der Unterschied die Argentinien Bonds waren nach deutschen oder US Recht die griechischen nach griechischem Recht. Dort hat das Parlament rückwirkend die gesetzliche Grundlage für die Zwangsenteignung geschaffen. Tolles Europa Argentinien ist rechtsicherer beim Anleger Schutz wie Griechenland.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage