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Warum Boeing als antizyklisches Investment einen Blick wert ist

Interessant ist zudem, dass zuletzt bei den US-Industrieaufträgen die Rüstungsaufträge massiv anstiegen. Neben Frachtflugzeugen ist auch die Militärsparte von den Problemen im zivilen Passagier-Bereich kaum betroffen. Dennoch reichen diese beiden Geschäftszweige nicht aus, um Boeing in der Gewinnzone zu halten. Der Konzernumsatz sank im ersten Quartal 2020 um 26 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode und der operative Gewinn von 2,35 Mrd. US-Dollar im Q1´19 verwandelte sich in einen operativen Verlust in Höhe von 1,35 Mrd. US-Dollar in den ersten drei Monaten dieses Jahres.

Gleichwohl wird Boeing eine allmähliche Erholung seines Geschäfts erleben, sobald die 737-MAX wieder fliegen darf und auch Passagierflüge wieder vermehrt stattfinden. Die daraus resultierenden positiven Effekte für die zivilen Geschäfte Boeings dürften zunächst marginal ausfallen, sich aber mit der Zeit verstetigen und an Fahrt gewinnen, da sich die Weltwirtschaft und auch die Luftfahrt von der Pandemie zumindest teilweise erholen werden.

Laut der 20-Jahres-Prognose der IATA, die etwa ein Jahr vor der Pandemie veröffentlicht wurde, wird die Zahl der Fluggäste in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr steigen. Die Luftfahrtindustrie hat in den letzten zehn Jahren ein säkulares Wachstum verzeichnet. Dieses grundsätzliche Wachstum wurde in diesem Jahr durch das Coronavirus unterbrochen und in sein Gegenteil verkehrt. Sobald die Menschheit gelernt hat, mit dem Virus umzugehen, eröffnet sich gleichwohl Potenzial für eine Belebung des Geschäfts von Boeing. Diese unkonkrete aber immerhin positiv Aussicht könnte dazu führen, dass Spekulanten und Investoren ein solches Szenario antizipieren und getrieben von laxer Geldpolitik den Preis der Boeing-Aktie auf deutlich höhere Niveaus tragen.

Große Schuldenlast

Bei einem Unternehmen, das derart in Schwierigkeiten steckt, kommt man vor einem Investment an einem Blick auf die Bilanz nicht vorbei. Boeing hat eine Nettoverschuldung von 119,6 Mrd. US-Dollar, was weit über der aktuellen Marktkapitalisierung der Aktie in Höhe von 73 Mrd. US-Dollar liegt. Immerhin übersteigen die kurzfristig liquidierbaren Vermögenswerte in Höhe von 102,2 Mrd. US-Dollar noch die kurzfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von 97,3 Mrd. US-Dollar. Damit sollte das Unternehmen in der Lage sein, seinen finanziellen Verpflichtungen in den kommenden zwölf Monaten nachzukommen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass es finanzielle Unterstützung von der US-Regierung erhält. Darüber hinaus beträgt die Nettoverschuldung etwa das Elffache des Betrags, den das Unternehmen im Jahr 2018 verdient hat. Obwohl die Verschuldung von Boeing unbestreitbar hoch ist, wird sie sicherlich beherrschbar sein, sofern der derzeitige Shutdown nicht bis ins nächste Geschäftsjahr hinein andauert.

Sobald sich die Pandemie abschwächt, wird sich der Markt auf den wichtigsten Wettbewerbsvorteil von Boeing konzentrieren: Das Unternehmen operiert im Wesentlichen in einem Duopol zusammen mit Airbus. In normalen wirtschaftlichen Zeiten verfügen die beiden Flugzeughersteller über eine starke Preismacht und daher über komfortable Margen und Cashflows. Natürlich wird es einige Jahre dauern, bis sich das Geschäft der Flugzeugbauer von der aktuellen Depression wieder erholt hat. Daher sollte man als Anleger einen entsprechend weiten Anlagehorizont einplanen.

Fazit

Boeing erlebt momentan die größte Krise seiner Unternehmensgeschichte. Die Rückkehr des Brot- und Buttermodells 737-MAX verzögert sich bis mindestens in den Sommer dieses Jahres. Die zivile Luftfahrtbranche, der größte Kunde Boeings neben dem Militär, befindet sich aufgrund der Coronavirus-Pandemie in der schwersten Rezession seit Jahrzehnten.

Infolgedessen kollabiert die Nachfrage nach neuen Flugzeugen und es hagelt Stornierungen zulasten der immer noch gut gefüllten Auftragsbücher. Doch wie viel schlimmer kann es noch kommen? Für ein antizyklisches Investment ist diese Frage entscheidend.
In Anbetracht der bereits massiven Kursverluste und der Systemrelevanz des Unternehmens als Rüstungskonzern und als einem der größten Industrieunternehmen und Exporteure der USA steht das Überleben von Boeing wohl außer Frage. Es ist durchaus möglich, dass sich die geballten Negativeffekte zumindest reduzieren und die Aktie damit zukünftig Erholungspotenzial hat. Vor allem dann, wenn die 737-MAX wieder fliegen darf und der Shutdown auch in der Luftfahrtbranche gelockert wird.

Das Hauptwerk von Boeing nahe Seattle
Das Boeing-Hauptwerkt in Everett nahe Seattle. Foto: Jetstar Airways CC BY-SA 2.0



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6 Kommentare

  1. Die hohen Schulden werden sie umbringen, bzw. wahrscheinlich wird der Konzern zerschlagen.
    Denn die zivile Luftfahrt wird sich nicht erholen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, selbst in Amiland nicht. Die ganzen Insolvenzen werden ab Sommer zuschlagen, dann geht ein richtiger Eiertanz los. Da wird wohl am ehesten am Urlaub gespart. Und in der Industrie: Bei uns waren konzernweit (!) Flüge letztes Jahr bereits generell untersagt, außer es ging nicht anders. Man mußte den Zug oder das Auto nehmen. Außerdem wurden Tekos empfohlen. Eine Flugreise mußte vom Oberoberchef genehmigt werden und der fragte immer nochmal rück!

    Derzeit freu ich mich sehr über den blauen Himmel. Mal ganz was anderes. (Ok, heute regnets bei 9°C, aber über die (fehlende) Klimaerwärmung dürfen uns ja nur die Medien täglich/stündlich belästigen.)

  2. Hallo Herr Zipfel. Sie haben das Unternehmen Boeing sehr gut analysiert.
    Sie sind auf die Risiken eingegangen und vor allem darauf, dass man als Investor einen SEHR langen Zeithorizont haben muss. In diesem Zusammenhang sprechen Sie von Jahrzehnten.
    Zweifellos ist BA eine interessante Firma.
    Aber:
    Es wird für mehrere Jahre keine Dividendenzahlungen geben !
    So ist halt der Deal, wenn der Staat eine Firma rettet.
    Für einen Investor – sei es ein Institutioneller, oder ein Privatmann – ist BA auf Sicht der nächsten Jahre out. Investiertes Kapital bleibt totes Kapital.
    No cash flow.
    Wer sonst kauft eine solche Firma ? – Hedge Funds und Zocker.
    Und diese werden eher auf der Short Seite zu finden sein, denn wenn jeder weiss, dass der amerikanische Staat diese Firma unter allen Umständen hochhalten wird, kann man sicher sein, dass Uncle Sam auch den Aktienkurs stützen wird.
    Meine Vermutung: Die Short Seller werden mit der Kombination aus Aktie Short und verkauften Optionen grosse Gewinne machen können, in der Gewissheit, dass Washington oder der Bundesstaat Oregon oder womöglich die FED stets und ständig den Kurs stützt – so lange, bis ihnen wegen der verhassten Hedger irgendwann der Geduldsfaden reisst.
    Mein vermutetes Szenario:
    Über Monate wird der Kurs stagnieren, mit kurzzeitigen dips und bounce backs.
    Irgendwann tickert der Kurs seltsamerweise tiefer, mehr und noch mehr shorties springen auf – in den News wird man vom Desaster bei Boeing lesen, vorzugsweise bei CNN und im ‚Barrons‘ übers Wochenende.
    Herr Zipfel, Sie sind Journalist und wissen selber, wie sowas funktioniert. Man füttert die Journaille mit krassen Nachrichten, Sondersendungen werden geschaltet, es wird heissen: Boeing steht vor dem Untergang !
    – am Montag geben noch mehr Leute ihre Short Orders auf und dann – Am Dienstag – steigt die FED oder wer auch immer ein und kauft. Und zwar massiv !
    Daraufhin steigt der Kurs kräftig.
    Stop Losses werden am Dienstag getrigggert, damit unlimitierte Kauforders ausgelöst, verkaufte Calls laufen ins Geld ..
    Margin Calls führen zu weiteren massiven unlimitierten Kauforders.
    Ein enormer Squeeze setzt ein, der Kurs schiesst durch die Decke.

    Wie kann man einen solchen Upmove mitreiten ?
    – Volumenprofil beobachten
    – Open Interests der Optionen im Blick halten
    – im Tail des downmoves calls mit delta 30 kaufen

    Besten Gruss und Danke für Ihren Bericht
    Sie haben mich auf eine Idee gebracht :-)

    Ach so .. wollen wir um irgendwas wetten ?

  3. Warren Buffett says Berkshire sold all its airline stocks because of the coronavirus

    CNBC

    Bin gespannt wie am Montag Boeing reagiert 🛬🛬🛬🙈

  4. Buffett- Durchschauer

    Wenn Buffett sagt er verkaufe, dann hat er sicher schon verkauft u.hofft dass seine Jünger folgen u.er noch tiefer wieder eindecken oder kaufen kann. Den Heiligenschein hat er schon lange verloren u.in meinen Augen auch noch nie gehabt. Er wird damit wieder ein bisschen reicher u.seine Jünger vergöttern ihn dann noch mehr, obwohl er sie als Manipulermasse benutzt, wie natürlich Andere auch.
    Hat er nicht schon früher einmal gesagt der DOW Jones könne auf unermessliche Höhen steigen, ( ich weiss die Zahl nicht mehr) während man später erfuhr, dass er in dieser Zeit Aktien abbaute u.riesige Cash- Volumen aufbaute?

    1. sold – verkauft, Vergangenheit, er hat alles verkauft, wahrscheinlich schon vor 2-3 Wochen

  5. Buffett- Durchschauer

    @Torsten, Danke für die Berichtigung, ändert aber nichts an der Sache.Die hochgelobte Anlagestrategie von Buffett, nämlich kaufen u.jahrzehntelang halten, gilt schon lange nicht mehr. Auch er kauft, verkauft, schichtet um u.anerkennt somit ,dass die Halbwertszeit der Firmen heute viel kürzer ist als früher wo man gute Aktien über Generationen gehalten hat. Somit erübrigt sich auch der immer von vielen Profis erteilte Ratschlag „BAISSEN AUSZUSITZEN.“

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