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Warum das Sicherheits-Image von Tesla Kratzer bekommt!

Innenansicht eines Tesla-Autos

Tesla baute sich jahrelang das Image eines sicherheitsfanatischen Unternehmens auf, das die sichersten Autos der Welt baue und nichts stärker priorisiere als Sicherheit. Dieses Image war schon seit Jahren kaum aufrechtzuerhalten, ist doch die Todesrate unter Tesla-Fahrern dreimal so hoch wie bei anderen Luxus-Marken. Doch gestern schlug das National Transportation Safety Board der USA einen Pflock ein, der das mühsam aufgebaute Image endgültig zerstören könnte. Denn Tesla (die Aktie erlebte im Februar einen Mega-Hype) hat mehr als zwei Jahre lang Sicherheitsempfehlungen einfach ignoriert – und daraus entwickelten sich mehrere Todesfälle.

Mobileye, der Lieferant der hinter der ersten Version des Autopilot steckenden Technik, kündigte bereits 2016 die Zusammenarbeit mit Tesla auf. Mobileye hatte damals ein Problem damit, wie Tesla die eigene Technik vermarktete. Das israelische Unternehmen fürchtete, dass das als Unterstützung gedachte, aber als teilautonom von Tesla verkaufte System den eigenen Ruf beschädigen könnte, nachdem Teslas erster Kunde vom eigenen Auto geköpft wurde, als es ungebremst im Autopilot-Modus unter einem LKW-Auflieger hindurch fuhr.

Steigerung statt Mäßigung ist bei Tesla üblich

Statt das eigene Marketing zu überdenken, setzte Tesla noch ein paar Stufen oben drauf. Ab 2016 soll jeder gebaute Tesla Hardware an Bord haben, mit denen das Auto irgendwann einmal voll autonom fahren können soll. Schnell wurde ein Video zusammengezimmert, das die angeblichen Fähigkeiten des neuen, nunmehr selbst entwickelten Autopiloten zeigen sollten. Dass das nicht der Wahrheit entsprach, stellten inzwischen hunderttausende Tesla-Besitzer fest, deren Fahrzeug auch nach mehr als drei Jahren noch nicht annähernd die Fähigkeiten besitzt, die die Software angeblich schon 2016 hatte. Das Video entstand im Rahmen des kalifornischen Testprogramms für autonome Fahrzeuge.

Bedingung für den Test der Fahrzeuge auf öffentlichem Straßenland ist, dass das Unternehmen einmal pro Jahr die gefahrenen Kilometer und die dabei vorgenommenen Systemdeaktivierungen veröffentlichen muss. Die Daten zeigen, dass Tesla in den Wochen vor der Videoveröffentlichung 550 Meilen fuhr und dabei 180 Systemdeaktivierungen hatte. Also eine Deaktivierung pro 5km. Im Video jedoch ist keine einzige zu sehen. Weitere Tests fanden übrigens weder nach der Videoveröffentlichung statt noch in den Monaten, in denen noch das Mobileye-System bei Tesla verbaut wurde. 2019, als das Geld knapp wurde, steigerte sich Musk noch stärker in die Wahnvorstellung hinein, bald voll autonome Fahrzeuge verkaufen zu können. Ab 2020 solle eine Flotte von bis zu einer Million Robotaxis von Tesla die Straßen „sicher“ machen. Auch von diesem Versprechen rückte Musk inzwischen ab. Im jüngsten Analystengespräch sagte er, dass 2020 lediglich alle dafür nötigen Features in der Software vorhanden sein sollten, die aber nicht zwingend gut funktionieren müssten. Es solle nur eine Chance größer als Null bestehen, dass man ohne Eingriff von zuhause zur Arbeit gefahren werden könne. Voll autonome Robotaxis sehen anders aus.

Tesla ignoriert Sicherheitsempfehlung seit 2017

Mit der zunehmenden Zahl von toten Tesla-Fahrern, die auch auf aktivierten Autopiloten zurückzuführen sind, fangen auch die Behörden an, langsam kritische Fragen zu stellen. In der EU musste Tesla bereits die Features beschneiden und nun deutlich öfter abfragen, ob überhaupt eine Hand des Fahrers am Lenkrad erkannt werden kann. Abfragen kann Tesla allerdings nur, ob Widerstand beim Bewegen des Lenkrads spürbar ist. Diesen Widerstand kann auch eine ans Lenkrad geklemmte Apfelsine entfalten. In den USA fand zudem gestern eine Befragung statt, bei der ein Vertreter des National Transportation Safety Boards (NTSB) aussagte, dass Tesla seit 2017 Empfehlungen bzw. Warnungen des NTSB bezüglich des Autopiloten ignoriere. 2017 empfahl das NTSB fünf Unternehmen, die autonome Fahrfunktionen in ihren Autos anbieten, die Implementation strikterer Kontrollen der Fahrer. Damit solle ein Missbrauch der Funktion vermieden werden. Vier Unternehmen reagierten innerhalb von 90 Tagen. Nur Tesla reagierte bis heute gar nicht.

Dabei forderte das NTSB nicht einmal eine Veränderung der Systeme, sondern lediglich eine Antwort und Vorschläge, wie mit dem Missbrauch der Systeme umgegangen werden könnte. Tesla antwortete 881 Tage gar nicht, also bis zum gestrigen Tag der Anhörung.

Das NTSB hat ein Problem damit, dass die Systeme zu gut und gleichzeitig zu schlecht sind. Sie sind zu gut, um die Fahrer längere Zeit aufmerksam bleiben zu lassen. Über teils hunderte Kilometer funktionieren die Systeme, lenken um Kurven, halten das Auto in der Spur. Das verleitet die Fahrer zur Unaufmerksamkeit. Youtube ist voll von Videos, in denen Tesla-Fahrer alles mögliche mit ihren fahrenden Autos tun, nur nicht die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Auslöser der Anhörung war denn auch ein toter Tesla-Fahrer, der in den Momenten vor seinem Tod ein Videospiel auf seinem Smartphone spielte, während sein Auto auf dem Highway auf eine Betonbarriere zusteuerte.

Wie dieser und weitere Unfälle zeigen, sind die Systeme aber gleichzeitig zu schlecht, um ohne aufmerksamen Fahrer das Auto steuern zu lassen. Nach hunderten problemlos gefahrenen Kilometern kommt der eine Moment, in dem das Auto ohne Grund eine Vollbremsung macht, in die Nachbarspur oder eben Betonbarrieren steuert. Die auf problemfreies Fahren konditionierten Fahrer bemerken das entweder gar nicht oder haben nicht mehr die Zeit, zu reagieren.

Die zunehmende Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden, die zahlreichen Unfälle und Videos von Missbrauch der Funktionen, die weit über Branchenschnitt liegenden Arbeitsunfälle in Teslas Fabriken, jetzt der Bericht von einfach ignorierten Sicherheitsempfehlungen – wie lange kann Tesla das Image des sicheren Autoherstellers noch aufrecht erhalten? Und wie wird der aufgeblasene Aktienkurs reagieren, wenn auch diese Phantasie entweicht?



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2 Kommentare

  1. Ich bin seit 900 USD Short auf Tesla mit Kursziel 350 USD bis Mai.

    Völlig überbewertet und überschätzt.

    1. Das gleiche Kursziel habe ich auch. 350 USD ist vernünftig. Vorher nehme ich keine Gewinne mit.

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