Gold/Silber

Warum der Goldpreis bislang noch nicht explodierte!

Mehrere Barren Gold - ETF spielen wichtige Rolle für den Goldpreis

Physisch besicherte, börsengehandelte Gold-Fonds (ETFs) haben Rekordzuflüsse im 1. Halbjahr 2020 verzeichnet. Die Angst vor Inflation geht um, seitdem die Notenbanken in seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gesehenem Umfang Geld schöpfen. Dass der Goldpreis noch nicht explodierte, liegt vor allem daran, dass zwei Nachfrager-Gruppen ihre Goldkäufe massiv reduzierten. Andernfalls wäre auch angesichts der Angebotsschwäche eine massive Lücke zwischen Angebot und Nachfrage entstanden, die nur mit massiv steigenden Preisen zu schließen gewesen wäre. (hier ein sehr interessantes Video von Markus Fugmann zu grundsätzlichen Preisfindungsfaktoren für Gold)

ETFs werden in Ermangelung von Gold-Alternativen gekauft

Börsengehandelte Fonds, englisch ETF, (hier mehr Hintergründe) kaufen zwar physisches Gold und lagern es in Tresoren ein, wo Prüfgesellschaften das Vorhandensein der Barren prüfen können. Die Käufer der ETFs können sich sogar, wenn sie genügend Anteile der Fonds besitzen, solche Barren liefern lassen. Doch im Prinzip sind ETF-Anteile auch nichts anderes als Lieferansprüche gegen den Fonds. Im Zweifelsfall, in der Krise, gibt es keine Garantie, dass die Besitzer der ETF-Anteile tatsächlich Zugriff auf physisches Gold bekommen. Der Staat könnte die Auslieferung unterbinden oder hoch besteuern. Vielleicht stellt sich sogar heraus, dass das behauptete Gold doch nicht in dem Umfang in den Tresoren lagert, in dem es dort liegen sollte. Oder ganz banal verhindern Reisebeschränkungen während einer Pandemie, dass Gold von A nach B gelangt bzw. der Goldbesitzer auch zu seinem Gold kommen kann.

Es gibt also viele Gründe, weshalb Gold-Fans zum Kauf von Barren und Münzen und zur Verwahrung innerhalb des eigenen Zugriffs raten. Trotzdem zählte diese Form des Goldes im 1. Halbjahr 2020 zu den Verlierern. Es wurden signifikant geringere Mengen verkauft als im vorherigen Halbjahr. Warum sind ETF für den Goldpreis wichtig? Die Käufe der ETFs gingen hingegen durch die Decke und waren nicht nur die größte Nachfrager-Gruppe beim Gold, sondern stellten auch die mit weitem Abstand größten Käufe dar, die ETFs je in einem ersten Halbjahr tätigten. 734 Tonnen Gold kauften die börsengehandelten Fonds im 1. Halbjahr. Bei 2.086 insgesamt verkauften Tonnen machte die Nachfrage der Fonds also 35% der weltweiten Gesamtnachfrage aus. Der bisherige Rekord in einem ersten Halbjahr wurde 2016 mit 579 Tonnen markiert. Im ersten Halbjahr 2013 verkauften ETFs hingegen im gleichen Umfang Gold.

Die Nachfrage nach, oder besser gesagt die Verkäufe von, Barren und Münzen von anderen Anlegergruppen ging hingegen von 476 Tonnen im 1. Halbjahr 2019 auf nur noch 397 Tonnen im Jahr 2020 zurück. Das lag jedoch keinesfalls daran, dass die Nachfrage sank. Ursächlich war vielmehr das knappe Angebot. Nachdem Scheideanstalten und Münzprägestätten zu Beginn der Coronakrise die Tore schlossen, herrschte schnell eine Knappheit an physischem Gold. Zwar wurden die Scheideanstalten mit Sondergenehmigungen schnell wieder geöffnet, doch der Nachschub an Rohmaterial kam in Ermangelung von Linienflügen nicht richtig in Gang. Und die Münzprägestätten, wie z.B. die US Mint, arbeiten teilweise noch immer mit reduzierter Kapazität, um die Ansteckungsgefahr für ihre Mitarbeiter zu verringern. Was nicht raffiniert, gegossen und geprägt wird, kann jedoch auch nicht an Anleger in Form von Barren und Münzen verkauft werden. Daher zeigten sich die niedrigsten Verkäufe von Barren und Münzen an Anleger seit elf Jahren. Es ist anzunehmen, dass ein nennenswerter Teil der eigentlich physischem Gold geltenden Nachfrage zu ETFs auswich, die Gold in Form großer 100 bis 400 Unzen schwerer Barren am Futuremarkt erwerben können.

Juweliere halbierten ihre Käufe – andernfalls wäre der Goldpreis explodiert!

Der Goldpreis wäre höchstwahrscheinlich explodiert, hätten nicht Juweliere nur fast halb soviel Gold nachgefragt wie vor einem Jahr – ein Rekord in negativer Hinsicht. Im Prinzip substituierten ETFs die Nachfrage der Juweliere. Während die Schmuckindustrie so wenig nachfragte wie noch nie, kauften Investoren so viel Gold wie noch nie. Der Grund ist klar: Auch Juweliere mussten ihre Läden in der Coronakrise schließen und wer keinen Schmuck mehr verkaufen darf, kauft auch keine Rohmaterialien mehr ein.

Auch Zentralbanken fragten signifikant weniger Gold nach als vor einem Jahr. Das ergibt durchaus Sinn. Zu den Käufern von Gold zählten bislang vor allem die Zentralbanken der Schwellenländer. Deren Währungen litten im Zuge der Coronakrise jedoch oftmals unter massiver Abwertung. Die Stützung der heimischen Währung und die Ausgabe dringend benötigter Devisen an die heimischen Unternehmen engte den Spielraum zum Kauf von Gold ein. Insgesamt ergab sich so ein Verkaufsrückgang um 11% verglichen mit dem Vorjahr.

Interessant ist, dass sich die Investorennachfrage nach physischem Gold nicht weltweit in gleichem Umfang zeigt. Im Gegenteil. Während in der Türkei, den USA und Europa die Anleger in Scharen zu den Goldverkäufern rannten, um Gold zu kaufen, gingen die Kunden in Japan und Thailand aus genau dem umgekehrten Grund dorthin: sie verkauften Gold. In Indien sank die Nachfrage, in China blieb sie auf schwachem Niveau.

Goldminen rechnen offenbar mit weiter anziehenden Goldpreisen

Die Coronakrise führte nicht nur zu signifikanten Verschiebungen auf der Nachfrage-Seite, auch die Angebotsseite sah sich Herausforderungen ausgesetzt. Viele Minen mussten schließen, sodass die Produktion im ersten Halbjahr trotz steigendem Goldpreis um 10% sank. Zusammen mit Recycling und Absicherungsverkäufen bzw. Auflösung selbiger Geschäfte durch die Goldminen ergab sich ein Angebotsrckgang um insgesamt 6%. Im zweiten Quartal fiel der Rückgang mit -15% naturgemäß deutlich größer aus, schließlich griff das Coronavirus erst ab dem 2. Quartal weltweit um sich.

Interessant ist, dass die Goldminen das Eingehen von Absicherungsgeschäften nicht nur vollständig aufgaben, sondern sogar in der Vergangenheit eingegangene Geschäfte auflösten. Oft verkaufen Goldminen ihr Gold im Voraus, um sich den aktuellen Goldpreis auch für die Zukunft zu sichern. Das taten sie auch in der Vergangenheit, bis zum Beginn des 2. Quartals. Im 2. Quartal kauften die Goldminen in der Vergangenheit im Voraus verkauftes Gold zurück. Das heißt, die Minen rechnen mit noch deutlich stärker anziehenden Preisen.



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3 Kommentare

  1. Guter Artikel, denn er zeigt sehr schön das die Welt deutlich komplexer ist, als eine Kurve es zeigt.
    Die Goldflüsse zwischen den lokalen Märkten ist für mich auch ein guter Indikator für die Wohlstandsentwicklung. Insbesondere in Ostasien incl. China ist Gold (incl. Schmuck) schon immer der Notgroschen der Mittelschicht. Das die nun Gold verkaufen müssen ist ein untrügliches Zeichen für den Wohlstandsniedergang in diesen Regionen. Das gilt auch für Japan dessen Realeinkommen seit 20 Jahren fallen. Das hier nun viele an ihre eiserne Reserve müssen ist ein viel wichtigerer Indikator für das was tatsächlich abgeht.

  2. Thailands Wirtschaft hängt – je nach Schätzung – zu ca. 20 – 30 % vom Tourismus ab. Sozialsysteme gibt es dort aber kaum.
    Ich kann gut nachvollziehen, warum Thailänder Gold verkaufen (mussten).

    Über Japan kann ich nichts sagen.

  3. Pingback: das-bewegt-die-welt.de

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