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Warum der harte Brexit wahrscheinlicher ist als viele denken

Der harte Brexit, das würde bedeuten: Importzölle auf beiden Seiten, volle Grenzkontrollen, und große Nachteile auf beiden Seiten für vernetzte Industrien und für den freien Handel. Bisher gilt es immer noch als eher unrealistisch, dass dieses...

FMW-Redaktion

Der harte Brexit, das würde bedeuten: Importzölle auf beiden Seiten, volle Grenzkontrollen, und große Nachteile auf beiden Seiten für vernetzte Industrien und für den freien Handel. Bisher gilt es immer noch als eher unrealistisch, dass dieses Szenario eintritt. Aber warum eigentlich? Wahrscheinlich liegt es daran, dass es so unvernünftig wirkt, dass Großbritannien letztlich hart aus der EU aussteigt. Warum sollte es das wollen?

Vielleicht will UK gar keinen harten Brexit, sondern es passiert einfach. Dilettantismus, Chaos und das Fehlen eigener klarer Positionen auf britischer Seite könnten das Hauptproblem sein. Immerhin ist jetzt schon 1/4 der Verhandlungszeit von zwei Jahren verstrichen, ohne nennenswerte Ergebnisse. Und diese zwei Jahre sind für den gigantischen Berg an Verhandlungsdetails eh schon fast unmöglich zu schaffen. Umso mehr wird es von Tag zu Tag unrealistischer, dass man sich in allen Verhandlungsbereichen einig wird – geschweige denn, dass man sie überhaupt bespricht.

Gibt es letztlich keine Einigung, folgt automatisch der harte Brexit, mit allen Konsequenzen. Wie es auf der Insel derzeit zugeht, zeigt ganz aktuell UK´s Mini-Trump Boris Johnson, seines Zeichens derzeit britischer Außenminister. Hinlänglich besprochen wurden während des Brexit-Wahlkampfs die 350 Millionen Pfund, die der staatliche britische Gesundheitsdienst künftig pro Woche sparen würde nach dem Brexit. Johnson wiederholte vorgestern gegenüber dem „Telegraph“ genau diese Behauptung.

Und das, obwohl sie bereits während und nach dem Wahlkampf glasklar als falsch widerlegt wurde, und das immer wieder in der breiten Öffentlichkeit. Denn die britische Seite profitiert auch von EU-Geldern, wodurch dieser Betrag deutlich kleiner ausfällt. Selbst der Chef der britischen Statistikbehörde sah sich aktuell gezwungen sich zu melden, weil er mehr als erbost zu sein scheint, dass Johnson diese Wahlkampf-Zahl von wöchentlichen 350 Millionen Pfund an Gewinnen wieder in den Mund nimmt. Er sei überrascht und enttäuscht von Johnson´s Aussagen, die ein klarer Missbrauch öffentlicher Statistiken darstellen würden.

Auch sagte Johnson im selben Interview am Samstag, dass Großbritannien nach dem Brexit das großartigste Land der Welt sein werde. Man werde eine glorreiche Zukunft außerhalb der EU vor sich haben. Das klingt, so meinen wir, in der Wortwahl irgendwie nach jemandem, der in den USA vor wenigen Monaten Präsident wurde. Möglich ist, dass Johnson entweder wirklich so dumm ist, oder dass er Theresa May mit solchen Aussagen noch mehr reizen will, da sie nach der letzten Parlamentswahl in ihrer Partei angezählt ist.

Wenn man sich vorstellt, dass Johnson May verdrängt, dann kann man getrost vom endgültigen totalen Chaos sprechen, und einem totalen harten Brexit. Denn ein Dampfplauderer wie Johnson wird wohl kaum auch nur ein Pfund als Abschlussrechnung an Brüssel überweisen wollen. Für diese Woche hat May eine „große Rede“ zum Thema Brexit angekündigt. Sie scheint bereit zu sein eine gewisse Summe zahlen zu wollen, damit man im Gegenzug freien Zugang zum EU-Binnenmarkt erhält. Johnson aber wird dazu in keinster Weise bereit sein.

Die britische Presse ist derzeit voll davon. Chaos in der britischen Regierung, und in der Regierungspartei. Es gibt offensichtlich keine gefestigte einheitliche Position, mit der man in die Verhandlungen mit der EU gehen kann. Aber die Verhandlungen laufen offiziell ja bereits seit sechs Monaten. Was kann das in der Praxis bedeuten, was könnten beispielsweise Devisen-Trader mit so einer Info anfangen? Nun, kurzfristig haben die Aussagen der britischen Notenbank das Pfund hochgetrieben. Aber auf Sicht von mehreren Monaten könnte das immer größer werdende Risiko des harten Brexit das Pfund weiter Richtung Parität zum Euro treiben.


Boris Johnson. Foto: Foreign and Commonwealth Office – Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs / Wikipedia (CC BY 2.0)



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11 Kommentare

  1. der harte Brexit scheint unumgänglich, da die Vielzahl an Gesetzen in der verbleibenden Zeit kaum neu geregelt werden können, die Ansichten gehen vermutlich zu weit auseinander.
    Eine Verlängerung der EU Mitgliedschaft ist auch unwahrscheinlich, da man keine neuen Handelsabkommen mit anderen Staaten abschließen darf solange man in der EU ist.
    Also Brexit und Start vom Punkt Null. Dann wird man sehen, was beide Seiten unbedingt wollen, das werden sie wohl dann auch beschließen.
    So jedenfalls meine Einschätzung.

  2. Naja…harter Brexit…sollte derzeit besser heissen: Wer bremst, verliert.
    Die Briten tun ja nichts anderes als die Italiener, Ungarn oder Polen…sie nehmen die EU und die anstehenden Verhandlungen nicht ernst…und dagegen ist nicht wirklich ein Kraut gewachsen. In eineinhalb Jahren kann noch viel passieren, wer weiß wie die EU in gut einem halben Jahr (nach der Italienwahl) oder in eineinhalb Jahren dasteht. Hält Macron durch (Anm.: Es ist nicht zu erwarten, dass sich der neue Hoffnungsträger der EU mit seinen Reformen im Lande durchsetzen kann, und eine ganze Legislaturperiode durchhält)? Wie geht’s weiter in Italien nach der anstehenden Wahl? Lassen sich Polen oder Ungarn oder die Katalanen in ihre „Regionalpolitik“ reinreden?
    Die Briten spielen auf Zeit, so wie damals vor zwei Jahren VW…sehr erfolgreich.

    1. Und außerdem: So wie es aussieht hält Herr Juncker nicht mehr durch bis zum Ende seiner Legislaturperiode. Frau Lagarde wird als Nachfolgerin bereits heiß gehandelt. Ich glaube jeder von uns weiß, dass das mit der Frau nicht gutgehen kann und würde….wird aber vermutlich seine Nachfolgerin!
      Das Ende der EU ist zwar nicht nahe, aber es kommt mit jeder undemokratischen, ja autokratischen Fehlentscheidung näher…die Briten, Italiener, Polen, Ungarn, Katalanen….wissen das genau! Man muss sich doch nur die Leute einmal ansehen…Moscovici…Mogherini…Lagarde…, die sollen in absehbarer Zeit in die allererste Reihe wechseln? ….lächerlich!

  3. Make Britain great again!Fuck You(ncker)!Britannia rules!,Britannia rules the Waves!Go to Hell,EUDSSR!Was wird werden,wenn der nächste 5-Jahresplan des Generalsekretärs der KPDEU,J.C.J.voll in die Hose geht?Macht er dann weiter,wenn es keiner merkt,bis es unumstösslich ist?€uropäische Diktatoren gab es schon wie Sand am Meer.(Napoleon,Franco,Adolf,etc.)Was neu ist,ist,dass mehrere an einem Strang ziehen.Draghi,Merkel,Macron,Schulz,Verhofstadt.Das macht die Sache aber nicht automatisch besser!€uropa,mit Türkei und bis zum Ural und zum Nordpol?Wollen wir das?Können wir damit umgehen?Ist alles andere „alternativlos“.(Wie ich dieses Verb und seine Erfinderin hasse!)NEIN!!Wir befinden uns auf einer Autobahn ohne Geschwindigkeitsbeschränkung in eine Sackgasse.Merkel,go home.Wenn es denn irgendwie geht,bevor du Deutschland zerstört hast!°

    1. Siehste Wolfgang, genau mit diesen abgedroschenen und immer wiederkehrenden O-Tönen reißt man gar nix bei der EU-Führung oder der Mutti….die Briten werden uns zeigen, wie es gehen kann!

  4. In eineinhalb Jahren kann noch viel passieren. Hier fehlt das in meinen Augen wahrscheinlichste Szenario: Der Exit vom Brexit. Die Inflation in GB wird zunehmen, die Katastrophenmeldungen aus der Wirtschaft werden sich häufen, und Ende nächsten Jahres gibt es Neuwahlen oder ein neues Referendum, wo mehrheitlich für den Verbleib gestimmt wird. Die EU wird nicht nein sagen … schaumermal …

    1. Sehr gut erkannt, was die Wirtschaft angeht!
      Die Inflation ist ja heute schon gewaltig.
      Der Exportsektor des Separatisteninselchens ist im Prinzip auf wenige Bereiche begrenzt:Öl / Gas, Pharma, Autos.
      Sollte das Pfündchen weiterhin derart ansteigen und Importzölle eingeführt werden, wird dieser sehr enge Exportsektor zwangsläufig kollabieren.

      Die Importe hingegen werden wegen der Zölle nicht wirklich günstiger werden.

      Die Binnenwirtschaft wird kollabieren, wenn man die zahllosen ungeliebten Billigarbeiter aus Osteuropa rausschmeißt und versucht, die freigewordenen Stellen durch heimische, bisher arbeitslose Arbeitskräfte adäquat (für 2 bis 4 traurige Separatistenpfündchen pro Stunde) zu ersetzen. Es sei denn, die britische Protestwähler-Gesellschaft steht zu ihrer Entscheidung, diese Jobs entsprechend mit sich selbst zu besetzen, Hauptsache, man hat Arbeit.

      Ein gewaltiger Wirtschaftssektor innerhalb der Finanzbranche (evtl. sogar die Londoner Börse im bisherigen Sinn) muss und wird nach Europa auswandern. Mit dem damit verbundenen Verlust an Kapitalkraft würde die wirtschaftliche Peripherie der Londoner City (Hotels, Restaurants, Bordelle, Nobel-Läden etc.) kollabieren.
      Ganz zu schweigen vom Immobilienmarkt…

      Es droht Ungemach von allen Seiten. Britain Great Again!

  5. Ein harter Brexit = der Untergang GB.

    Ist schon lustig mit denen,die denken immer noch, GB sei der EU etwas wert.

    Die Rosinenpicker denken etwas anders… ;D

    Na ja, die haben einiges hinbekommen, ihre komplette Industrie an die die Wand gefahren, jetzt geht`s um die Finanzindustrie.

    Auf die Briten, ist Verlass … :D

  6. und bzgl Finanzindustrie : Die Briten können wenig, aber sowas wie deren Finanzindustrie zu riskieren, das ist einfach nur verrückt !

    Selbst wenn es zum Brexit käme, weich/hart ist egal, die werden vor Probleme gestellt werden : Schottland/Gibraltar, das sollte doch klar sein ?

    1. Das ist das Problem, wenn eine Partei vor Wahlen rechtspopulistische Themen aufgreift und ausschlachtet. Einzig und alleine zu dem Zweck, gewählt zu werden und an die Macht zu gelangen bzw. die zu erhalten.
      Die möglichen sozio-politischen Konsequenzen stellen sich spätestens 2 Tage nach der Wahl ein. Dann schauen sie alle blöd drein und sind nicht fähig, auch nur den Ansatz von Lösungsmöglichkeiten zu präsentieren.
      Ich hoffe, Europa bleibt den Separatistenstaaten gegenüber zumindest so rigoros, wie es Rollando Furioso (der Rasende Rollstuhl) gegenüber seinen eigenen Mitbürgern ist, wenn sie mal kurzfristig um Stundung bitten:
      1% Verzugszinsen ab dem 1. Tag, maximal 4 Wochen Gnadenfrist.

  7. Gerade beim EUR/GPB,…

    tja, der Kasten wird die Parität locker überschreiten, 1,10 …

    Super hinbekommen, meine liebe Briten…

    wie wäre es denn, mit einem neuen Referendum bzgl. Beitritt zum EUR ?

    Die Briten laufen auf eine Katastrophe zu, viel Spaß…

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