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Warum die Stärke der Türkischen Lira eine Mogelpackung ist

Lira-Geldscheine

Dank massiver Interventionen erlebt die Türkische Lira einen Aufwertungsschock. Durch den von Präsident Erdoğan eingefädelten Coup wurde das Netto-Auslandsvermögen der Türkei ausgelöscht. Die von ihm angekündigten Maßnahmen haben das Potenzial, auch die Staatsfinanzen zu ruinieren. Und das nur, um ihn und seine AK-Partei noch ein paar Monate länger an der Macht zu halten.

Der Preis für den Aufwertungsschock der Türkischen Lira ist hoch

Der Absturz der türkischen Landeswährung nahm in den letzten Wochen bedrohliche Ausmaße an – nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Macht des autoritär regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Mit jedem Prozent Abwertung stieg die Importinflation weiter an. Durch den jüngsten Crash der Lira drohten die Inflationszahlen für den Monat Dezember in den Himmel zu schießen. Im November lag die jährliche Teuerungsrate bereits bei 21,3 Prozent. Allein im Dezember verlor die Währung gegenüber dem US-Dollar weitere 28 Prozent. Seit Jahresbeginn bis zum Montag dieser Woche hatte sich der Wert der Lira gegenüber dem US-Dollar mehr als halbiert. Vom Beginn des Amtsantritts Erdoğans am 28. August 2014 an betrug der Rückgang sogar fast 90 Prozent.

Türkische Lira gegen US-Dollar im Langfristchart

Die Gründe für die langjährige Talfahrt sind vielfältig: sie reichen von einer hohen Fremdwährungsverschuldung der Privathaushalte und Unternehmen über ein enormes Leistungsbilanzdefizit bis hin zur verfehlten Geldpolitik der türkischen Zentralbank (TCMB). Selbst die Türken haben ihrer Landeswährung und der Politik Erdoğans zuletzt so wenig Vertrauen geschenkt, dass nach Angaben der TCMB mehr als die Hälfte der Ersparnisse in der Türkei in Fremdwährungen und Gold investiert waren. Mit bizarren Ankündigungen zur Verteidigung der Lira und massiven verdeckten Interventionen durch die Zentralbank zu Beginn dieser Woche gelang es, den Wechselkurs künstlich nach oben zu pushen. Die Aufwertung beträgt aktuell vom Tiefststand am 20. Dezember aus gemessen fast 70 Prozent.

Chart zeigt türkische Lira gegen US-Dollar im Kurzfristvergleich

In der mittelfristigen Betrachtung relativiert sich der Anstieg allerdings. Hier ist der Abwärtstrend der türkischen Währung nach wie vor voll intakt.

Lira gegen US-Dollar mittelfristig

Erdogans „Whatever it Takes Bazooka“

Grob zusammengefasst verspricht der türkische Präsident, mögliche weitere Währungsverluste der Bürger auf Bankeinlagen in Türkischer Lira gegen Wechselkursverluste abzusichern. Auch Exportfirmen und die Altersversorgung sollen in den Genuss staatlicher Unterstützung gegen den Wertschwund der Landeswährung kommen. Das Geld dafür soll aus der Staatskasse der türkischen Republik stammen, die sich im Gegenzug bei der TCMB verschuldet. Die TCMB schöpft die dafür benötigten Mittel aus dem Nichts (digitale Notenpresse). Dadurch besteht jedoch die Gefahr, dass die Inflation im Land noch weiter angeheizt wird.

Außerdem würde durch eine massive Ausweitung des Budgetdefizits der letzte verbleibende Anker der Lira, die relativ soliden Staatsfinanzen der Türkei, geopfert werden, um Erdoğans Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) weiter an der Macht zu halten. Diese Meinung vertritt auch der ehemalige stellvertretender Gouverneur der TCMB, Ibrahim Turhan: „Auf diese Weise werden die Kosten für die Abwertung der Lira der Gesellschaft als Ganzes aufgebürdet“, so Turhan. Es gebe einen wachsenden Trend unter politischen Entscheidungsträgern, sich auf den öffentlichen Haushalt zu verlassen, um die Kosten einer fehlgeleiteten Politik zu bezahlen.

Dass die Involvierung der Staatsfinanzen auch notwendig ist, zeigt das sich schnell leerende Waffenarsenal der türkischen Zentralbank. Da die Zinsen auf Anweisung Erdoğans nicht steigen dürfen, blieb der TCMB bisher nur das Mittel der Devisenmarktintervention zur Verteidigung der Türkischen Lira. Dazu musste sie US-Dollar und Gold aus dem eigenen Fremdwährungsbestand opfern, um damit die eigene Währung zu kaufen.

Die Kollateralschäden

So spektakulär und erfolgreich der Coup Erdoğans in Anbetracht der starken Lira-Aufwertung zu sein scheint, so wenig nachhaltig könnte dieser Erfolg sein. Die Aktion hat viele Türken noch ärmer gemacht. Die Netto-Auslandsvermögen sind durch den Aufwertungsschock drastisch gesunken. Viele Türken hatten gerade in den letzten Wochen ihr Geld in Fremdwährungen in Sicherheit gebracht und dazu sogar Kredite aufgenommen, Häuser beliehen oder gleich ganz verkauft.

Auch die von türkischer Regierungsseite verbreitete Behauptung, dass die Lira Aufwertung durch türkische Bürger initiiert wurde, die ihre Dollars bereitwillig in Lira zurücktauschten, ist bereits widerlegt: Die kurzzeitig auf 1.400 Prozent explodierten Devisen-Swap-Raten (Leihraten für Türkische Lira am Devisen-Swap-Markt) beflügelten den Kurs. Für seinen Coup nutzte Erdoğan die Tatsache, dass die Lira-Netto-Short-Positionen ausländischer Hedgefonds auf einen Rekordwert angeschwollen waren und das Währungspaar US-Dollar/Türkische Lira damit anfällig für eine Korrektur durch Gewinnmitnahmen war.

Um sicherzugehen, dass der Markt wie gewünscht reagiert, wurde die Verkündung der Maßnahmen zur Stützung der Lira durch verdeckte Interventionen der TCMB flankiert. Dazu nutzte die Zentralbank nicht nur eigene Mittel. In die Aktion waren auch staatliche türkische Banken involviert, die US-Dollars aus den Beständen ihrer Kunden liehen und damit Lira erwarben.

Wie Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigen, sind die Netto-Währungsreserven der TCMB bereits vor der jüngsten Intervention massiv abgeschmolzen. Gemäß den Angaben eines Top-Ökonomen der größten Oppositionspartei CHP auf der türkischen Website ahvalnews.com hat die Zentralbank im Dezember mehr als 13,5 Milliarden US-Dollar ihrer Devisenreserven ausgegeben, um den Wechselkurs der Lira zu verteidigen. Der ehemalige Zentralbankbeamte Uğur Gürses sagte in einem Interview am Mittwoch mit der türkischen Nachrichten-Website T24, dass die TCMB allein am 20. und 21. Dezember für insgesamt 7 Milliarden US-Dollar Lira kaufte. Dabei habe die Zentralbank die Reserven über eine „Hintertürmethode“ unter Beteiligung staatlicher Banken veräußert. Gürses beruft sich dabei auf offizielle Daten.

Die bisherigen Interventionen der TCMB verpufften und konnten einen Verfall der Türkischen Lira bis auf 18,36 Lira pro US-Dollar nicht verhindern. Erst in Kombination mit der „Whatever it Takes Bazooka“ Erdoğans gelang es, einen monströsen Lira-Short-Squeeze auszulösen.
Dadurch wurde, sozusagen als Kollateralschaden, das Nettoauslandsvermögen der Türkei ausgelöscht. Daten der TCMB zeigen, dass die türkischen „Net Foreign Assets“ am 30. November noch bei +12,9 Mrd. US-Dollar lagen. Zur Mitte dieser Woche sind sie auf -5,9 Mrd. US-Dollar in den negativen Bereich kollabiert.

Fazit und Ausblick

Man darf gespannt sein, wie viel Währungs- und Goldreserven (die zuletzt ebenfalls sanken) es die Türkei kosten wird, den 12. Präsidenten der Republik und seine AKP an der Macht zu halten. Diese Abrechnung sowie die Konsequenzen für den v. a. bei den in der Türkei lebenden Türken zunehmend unbeliebten Recep Tayyip Erdoğan könnten bitter werden. An den grundsätzlichen ökonomischen und politischen Problemen des Landes ändert die jüngste Intervention nichts. Die Lira dürfte, nachdem der Markt den Schock verdaut hat, erneut in den Abwertungsmodus zurückschalten.



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17 Kommentare

  1. Leider ist vieles Unsinn, in dem Bericht und stark tendenziös. Der Schritt war historisch, aufgrund der Einsicht, dass die Türkei selber stark genug ist und kein Hot Money Inflow benötigt sondern im Inneren die Kraft und Mittel hat. Noch zu erwähnen sind die 300Mrd $ Goldbestände die privat gelagert sind. Es war eine Souverinitätserklärung, bis dato wurde sich durch Manipulationen im Devisrnmarkt von Aussen in die Politik mit eingemischt. Auch das Märchen von hohen Zinsen niedriger Devisenkurs wurde zum Einsturz gebracht. Der einzige Fehler war den Schritt nicht früher gegangen zu sein. Auch die Zahlen der Auslandsassets entstammen dem Märchenbuch. Letztendlich steht eine kräftige Kaufkraftstärkung in Dollar als Ergebnis.Die Türkei ist ein 85 Millionen Land und wird nach und nach Italien, Frankreich,Großbritannien und sm Ende Deutschland abhängen.

    1. Mhhh Mustafa.. Für gleichen Argumentation kenne ich bei jeder abwertungswelle.. Mal sehen, wie es dieses Mal ausgeht. Fluch und Segen ist der extrem grosse Patriotismus. In „D“ wird er gerade ausgeräuchert. Auch nicht gut.

    2. Euer Nationalstolz macht euch Blind. Ihr erkennt nicht mal die offensichtlichen sachen. Als euer toller Präsident an die macht ging war TL dem Euro fast ebenbürtig dovh innerhalb seiner Amtszeit hat er geschaft das Volk noch Ärmer zu machen den Wert der Lira um das 6-8 fache zu fall zu bringen. Seine Taschen fúllen sich und das volk wird ärmer.

      Macht die Augen auf

    3. Die Türkei ist kein Absatz-Markt für Hochtechnologie, dessen Verlust man nicht verschmerzen könnte. Kein Stück – zumindest nicht bei derzeitiger Entwicklung.
      Die Türkei relativiert das alles wieder, indem sie sich zum Import-Markt für billigste Nahrungsmittel und Industrie-Halbzeuge, Textilien, Urlaub u.a. zurück entwickelt.
      Das lohnt ein Eingreifen der EZB überhaupt nicht.
      Dafür ein Hoch auf die derzeitige Politik. Die Türkei tut mir einfach leid.

    4. Auch das mit der Inflation ist eine Lüge. Die Türkei ist und bleibt die stärkste Wirtschaftsnation der Welt ;-)

  2. Ich habe selbst eine Wohnung in der Türkei und bin sehr glücklich damit.Es passt alles zusammen die Menschen sind sehr gastfreundlich, hilfsbereit , das Essen ist sehr vielfältig, das Wetter sehr angenehm und natürlich das Preisleistungs Verhältnis. Das schöne ist,man fliegt 3,5 Stunden und ist in einer anderen Welt und Gott sei Dank, nicht mehr in der EU, herrlich. Ich wünsche dem türkische Volk, alles Gute für 2022!!!

    1. Bitte was hat ihre private Situation als Ausländer mit Ferienwohnung in der Türkei mit der wirtschaftlichen Situation der Türkei zu tun?
      Also ich habe keine Wohnung in der Türkei, aber durchaus schon Produkte aus der Türkei gekauft. Und wäre froh wenn es demnächst nicht nur Lebensmittel sein werden. Insofern – auch viel Glück und einen Gutes Neues Jahr.

  3. Es würde mich nicht wundern, wenn die EZB unterstützend eingreifen würde. Ein wirtschaftlicher Fall der Türkei würde uns massiv treffen. Ausgang offen. Die Lage scheint mir dramatischer zu sein, als in der Presse thematisiert. Eine Ausnahme ist fmw.
    Besten Dank hierfür

  4. Ihre Türkei-feindlichkeit ist verständlich.. ihr verliert ja Märkte..
    Der Hund bellt aber die Karavane zieht weiter ..

    1. Es sind schon viele Karawanen wegen schlechten Scouts umgekommen.

  5. Wie stolz war man doch in der Türkei auf die Wahl des Retters der Nation. Das entfachte Stohfeuer geht dem Ende zu. Was wird zurück bleiben? Eine hoffentlich etwas schlauere Türkei, die bei der Wahl seiner Führung etwas genauer hinschauen wird. ..Die Erdogan Jahre waren teuer; aber kein Spaß…

  6. Türkei kommt klar keine Sorge. Unsere wahren Freunde wie z.B die, die gerne in der Türkei unterwegs sind, weil sie die Türken wirklich kennen wissen das auch. Macht mit eurer Hasspolitik weiter. Die deutsch – türkische Freundschaft bleibt bestehen ;)

  7. Die Türken werden mit Erdogan noch ihr blaues Wunder erleben…

  8. Die deutsche Industrie wird die Türkei nicht fallen lassen und die damalige Situation einer großen Weiße Ware Firma, in der Türkei niedrigere Herstellungskosten durchzusetzen, welches zum Totalverlust des Firmen-Zweiges führte, dies wird anderen Konzernen nicht passieren wollen. Die Türkei ist nicht mehr nur Werkbank für andere.

  9. Die Türkei kann man nur beneiden. Solch ein Entwicklung in 20 Jahren!! Selbst China sieht schlecht aus.

  10. Selten so eine Zensurseite erlebt, wo @Lutz und ngrimp, Amar Baz, Heli, Bülent, Wotan, Kemalettin Subaşı, Peter, George Proud, Mustafa Aksu, Symptoman das Weihnachtsthema dominieren. Schön und gut und spannend, wie beurteilen Deutsch-Türken ihren fernen Messias Erdogan als Herrscher und wie sehr interessiert das prinzipiell Leser der FMW?
    Dez 27, nach 21 Uhr:
    Aktueller Top-Kommentar ist Dez 26, 21:59: Erdogan und Lutz.
    Und 24 Stunden später? Nichts, alles umsonst. Mehrere Kommentare wurden/werden zensiert, ignoriert oder sind vermutlich offiziell nie eingetroffen, es lebe die Freiheit!

  11. Das eigentliche Problem ist nicht der Präsident der Türkei, sondern ein Großteil des türkischen Volkes. Dessen Verhalten bewilligt die Abwertung der Lira und die hohe Inflation.
    Das Volk bemüht sich auf Pump ein luksüriöses Lebensstil zu führen.
    Jedoch werden die Güter vom Ausland importiert und mit Devisen bezahlt.
    Beispiel, ein Großteil des Volkes kauft sich jedes Jahr das neuste Smartphone und das Neuste Auto, was keineswegs selbstverständlich ist.
    Um diesen Luxusstill fortführen zu können werden ständig Devisen benötigt.
    Als Erdogan an die macht kam gab es offiziell 60 mio Einwohner, heute Sind es 85 mio.
    Das volk ist ein volk was nur konsumiert, also nur Verbraucht (importiert) und sogut eie nicht produziert (herstellt).
    Das dieser Karussell am ende zu scheitern droht war niemandem ein Geheimnis.

    Das nächste Problem ist, sobald die lira ein wenig abwertet greift ein Großteil des Volkes zu Fremdwährungen und lässt sein Vaterland im stich und sorgt für zusätzliche Abwertungen der heimischen stolzen Währung.

    Und sobald die Lira aufwertet geschieht das umgekehrte.

    Ein Volk kann nicht nur die Vorteile seines landes ziehen und es missbrauchen.
    Ein Volk muss auch zu schlechten zeiten (nicht nur im Krieg) zu seinem staat halten und ihm beiseite stehen.

    Es gibt im wahrsten sinne kein Devisen Problem in der Türkei.
    Das armselige volk hat 350 Milliarden Euro / Dollar in ihren Häusern inoffiziell gebunkert.
    Soviel schwarzgeld hat kein anderes Volk gebunkert.

    Weil diese gelder nicht in den umlauf gelangen wobei grosser bedarf da ist um das oben genannte Lebensstil des volkes zu finanzieren , sind Devisen für den handel mangelware geworden und deshalb verteuert.

    Das 3 Problem: Der innen Handel,

    Sobald der Euro/Dollar kurs steigt, wird alles teurer was auf dem ersten blick normal erscheint, was jedoch nur teilweise richtig ist.

    Güter/ Lebensmittel etc welche zu 100 Prozent in der Türkei hergestellt werden, werden genau so behandelt wie vom Ausland importierte Produkte. Die türkischen Kaufmänner nutzen die Abwertung zu ihrem eigenen vorteil und heizen die Inflation weiter auf.

    Aber wenn die Lira wieder aufwertet, senkt kein einziger Kaufmann / Händler seine Preise und belässt diese dauerhaft beim hohen Preis.
    Bei der nächsten Lira Abwertung kommen zusätzlich neue Preiserhöhungen ohne zuvor bei der Aufwertung die Preise gesenkt zu haben.

    Das türkische volk lebt so und wird so regiert wie es es verdient hat.

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