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Warum in Euroland erst einmal keine Inflation droht

Die EZB sprach jüngst in Szenarien eher von drohender Deflation statt Inflation (mehr dazu hier). Zahlreiche kritische Zeitgeister wie Markus Krall und Dirk Müller (hier zu den dramatischen Corona-Folgen) sprechen von einer bevorstehenden kräftigen Inflation, oder sogar Hyperinflation. Warum sie „erst einmal“ nicht ansteht, dazu liefert, so meine ich, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aktuell eine sehr interessante und einfach zu verstehende Denkschrift. Dabei geht es auch viel um das einfache, nachvollziehbare Verhalten der Bürger (Konsumenten) in und nach der Krise.

Erstmal Deflation statt Inflation

Zahlreiche Südländer in Europa sind schon in der Deflation (14 Euro-Länder im Monat Mai). Das ist nachvollziehbar. Denn wenn der Großteil der Touristen den Stränden fern bleibt, passiert was? Richtig, die Anbieter senken die Preise drastisch um die Touristen anzulocken. Hotels, Getränke, Ausflüge. Alles wird verbilligt angeboten, um zum Konsumenten zu animieren. Dazu sagt das IW, Zitat:

Besonders betroffen von der zurückhaltenden Nachfrage sind unter anderem das Gastgewerbe und der Tourismus. Viele Reisen konnten und können nicht stattfinden, darunter leiden besonders Länder, die sich auf den Tourismus spezialisiert haben. Das hat Folgen für die Inflation: Sinkt die Nachfrage, sinken gewöhnlich auch die Preise. Die fehlenden Touristen waren unter anderem ein Grund, warum die Preise in Griechenland im Juni um 1,7 Prozent und in Zypern um 2,5 Prozent einbrachen. Deflation zeigt sich aber auch in Estland und Lettland. In Italien sanken die Preise um 0,4 Prozent und in Spanien um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Aber auch zuhause ist es eine klare einfache Sache. Man braucht nur online zu surfen oder in die Innenstädte zu gehen. Nichts mit Inflation. Rabatte überall, und dazu nun auch noch die Mehrwertsteuersenkung, die zahlreiche Einzelhändler auch tatsächlich weitergeben. Dies senkt die Preise gleich doppelt (hier offizielle Berechnungen), was die Angst vor der Inflation erst recht in weite Ferne rücken lässt. Und wollen die Konsumenten einfach nicht konsumieren, müssen die Preise eben noch weiter runter gehen, bis man der Verlockung nicht mehr widerstehen kann? Dazu das IW, Zitat:

Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die Deutschen weniger Geld ausgeben. Umsätze sind ausgefallen, durch Kurzarbeit schrumpft das Einkommen – entsprechend überlegen sich viele ganz genau, was sie kaufen und welche Ausgaben sie vielleicht lieber verschieben. Zudem besuchen die Bundesbürger weniger Geschäfte, Cafés oder Restaurants, um sich nicht anzustecken. Auch das Homeoffice senkt die monatlichen Ausgaben, beispielsweise, weil sich das Mittagessen vergleichsweise günstig zuhause kochen lässt. Insgesamt sinken die Ausgaben dadurch stärker als die Einkommen. Dieser allgemeine Trend zeigt sich bereits in der Sparquote der Haushalte: Während in Deutschland im vierten Quartal 2019 noch fast 18 Prozent des verfügbaren Einkommens gespart wurden, so waren es im ersten Quartal 2020 fast 24 Prozent.

Kommt die Inflation doch noch?

Tja, wird die Inflation doch noch „über uns kommen“? Denn wo die Bürger jetzt möglichst viel auf die hohe Kante legen aus Angst vor der Ungewissheit, da wird es zukünftig womöglich einen Nachholeffekt beim Konsum geben, was die Preise antreiben wird? Dazu IW, Zitat:

Fallende Preise sind nur auf den ersten Blick vorteilhaft für Konsumenten. Wer davon ausgeht, dass die Preise weiter fallen, schiebt alle Käufe auf, die nicht dringend notwendig sind. Das wiederum sorgt dafür, dass die Umsätze der Unternehmen weiter schrumpfen und sich eine Wirtschaftskrise verfestigen kann. In der aktuellen Situation wäre das sehr problematisch, weshalb die Europäische Zentralbank versucht, mit einer sehr expansiven Geldpolitik eine Deflation zu vermeiden.

Vermutlich wird die Geldpolitik in der aktuellen Situation erfolgreicher sein als bei der Bekämpfung der Deflation im Jahr 2015. Denn anders als damals sparen die Haushalte nicht, um Schulden abzubauen, sondern weil viele das Geld durch die Vermeidung einer Ansteckung mit dem Corona-Virus nicht ausgeben können. Dieses Geld werden sie aber wieder ausgeben – zumindest sobald etwas mehr Zuversicht besteht und absehbar ist, dass die Pandemie langfristig unter Kontrolle ist. Dann werden sich auch die Inflationsraten wieder normalisieren.



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6 Kommentare

  1. Wann, bitteschön, ist Geldpolitik jemals erfolgreich gewesen? Wo auch immmer die moderne monetary policy angewandt wurde, gingen Wachstum, Innovationskraft und Inflation den Bach runter. Japanisierung halt, schomma gehört?
    Mit welchen dramatischen Folgen der nicht existente Deflationsdrache bekämpft wird, sicherheitshalber nochmal hier: amazon.de/dp/B088ZW69C7

  2. Bis jetzt scheint das Modell von Markus Krall / Dirk Müller zu stimmen.
    Natürlich – auch nachvollziehbar Ihre Beschreibung der jetzigen Situation,die auch so
    prognostiviert wurde.Langsam bekommen wir ein Anziehen (erst unterdrückt,nun leider offiziell) der Insolvenzen.Was sollen auch Reisebüros / Hotels/Eventveranstalter machen ?
    Man sieht jetzt auch aktuell in den USA,daß Banken Probleme bekommen – in Europa kann dies
    zusammen im Herbst mit einer großen Entlassungswelle durchaus möglich werden.
    Nach dieser Deflationswelle + Pleitewelle wird zwangsläufig das Warenangebot fallen und
    der Staat / die EZB werden noch wesentlich mehr Geld drucken,um unseren Sozialstaat zu
    finanzieren in Furcht vor erhöhter Kriminalität + Unruhen.Ein idealer Nährboden für Inflation.Aber wir sehen ja immer mindestens in den Medien nur was heute passiert.
    Kurz gesagt,rennen den Minutencharts hinterher.

  3. Dr. Krall sagt übrigens auch, daß erst eine Deflation, ein Nachfrageschock, kommt. Die genannten Gründe sind in etwa die gleichen wie hier. Nur stellt er noch mehr das Angebotsknappheit daneben. Wenn Kurzarbeit usw. heißt das auch, daß weniger produziert wird. Es ist ja nicht nur in Krankenhäusern Kurzarbeit, sondern auch in Produktionsstätten. (Auto z. B. mindestens 50% weniger, auf Jahressicht!)
    https://twitter.com/Markus_Krall/status/1281557050737201154
    https://www.youtube.com/watch?v=KzQKSbR9aN4
    .
    Nur kommt nach ihm eine Aktien- und Immobiliendeflation, also nicht nur Spritpreis oder Margarine. Das haut viele Banken um, und dann käme die oben versprochene Geldschwemme, die die ebenso oben versprochene Inflation wieder anheizt, welche aber explodiert. Zumindest nach Dr. Krall.

    Außerdem sagt er, daß wir, wie das immer so ist, ein Gemisch haben, getrennt nach Sektoren: Lebensmittel, Pharmacie, tägl. Bedarf (WC-Papier) inflationiert jetzt schon, Tourismus, Immobilien, Auto, Kleidung deflationiert. Diese teilweise Inflation wird durch die falsche Zusammensetzung der Warenkörbe der offiziellen Statistiken und die stützende Medientrommel versteckt, verheimlicht.
    https://www.youtube.com/watch?v=s7U5IeGuNQM

  4. Ich sehe, außer bei Aktien und Immobilien, auch vorerst keine Inflationsgefahr.
    Daniel Stelter sagt ja immer gerne: „Die positive Wirkung von Schulden nimmt ab.“ Ich glaube, das die Aussage so noch nie gestimmt hat. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die zunehmenden Schulden würgen die Wirtschaftstätigkeit ab.

    Die Geldflutung=Verschuldungsorgie (Geldvermögen=Schulden mit einem Residualwert von 0) entfacht eben keine Inflation,sondern wirkt deflationär.

    Das bedeutet, dass die Menge der offenen Tauschtransaktionen ständig steigt. Da diese eben nicht wieder geschlossen werden, sinkt der Geldumlauf und damit die wirtschaftliche Aktivität. Und sie werden nicht geschlossen, weil die Geldvermögensakkumulierer genau das durch ihr Verhalten verhindern.
    Denn merke: Schuldenreduzierung kann nicht vom Schuldner initiiert werden, sondern nur vom Gläubiger. Und zwar indem er sein Geld ausgibt.

    Gleichzeitig vermindert sich aber die Produktionskapazität nicht. Durch moderne Technik kann man innerhalb relativ kurzer Zeit praktisch jede Produktion ins unermessliche ausdehnen. (Menschen in Afrika hungern ja nicht weil es zu wenig Lebensmittel gibt, sondern weil sie über keine Tauschgüter verfügen gegen die sie diese tauschen können).

    Drei Effekte stabilisieren das System:
    1. Die Vermögenskonzentration bei Leuten die höchstens noch über ihren dritten Privatjet nachdenken.
    2. Vermögen als Selbstzweck (erhöht den gesellschaftlichen Status)
    3. Angst vor dem materiellen Abstieg, was die Sparquoten im Mittelstand hochtreibt.

    Die Inflation setzt erst ein wenn die Produktionsbasis zerstört ist. Und zwar weil sich die Produktion nicht mehr lohnt (Venezuela Effekt).

  5. Ich schaue mir die Kommentare vom Herrn Krall auch immer sehr aufmerksam an, auch das Buch die bürgerliche Revolution kann ich nur empfehlen. D.h, dass jeder alles glauben soll. Auch ein Herr Krall sagt, wenn auch nicht direkt, dass er nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Jedoch ist er einer der wenigen, der in dieser Gänze die gesellschaftlichen Probleme anspricht und auch Lösungen vorschlägt.
    Wenige haben sich diese Mühe gemacht. Man sollte sich diese Gedanken zumindest mal durchlesen.

    In der aktuellen Situation sollte aber bedacht werden, dass das legale Bilanzentricksen der Banken eine Möglichkeit ist, die Herr Krall so nicht auf dem Schirm hatte. Hätte der Staat dies nicht zugelassen, so wären die eine oder andere Vorhersage vom Herrn Krall eingetroffen. Auch das hätte nicht bedeutet, dass er unser neuer Messias geworden wäre. Jedoch sind einige Aussagen schon sehr treffend und alarmierend zugleich.

    Jedoch stellt er wirklich eine gute Frage: was soll in ein paar Jahren wir wählen? Ich vermute, dass der Großteil der Gesellschaft lieber so weiter macht (politisches System, Konsum, Werte etc.) statt den mutigen Schritt zu wagen. Er ist einer, der aktuell am lautesten Schreit, da in unserer Gesellschaft diese Menschen auch gehört werden. Leider wählt das Volk auch eben diese Marktschreier, statt sich mit den Dingen näher zu beschäftigen. Sonst hätten wir inzwischen mehr Kompetenz an der Spitze des Staates. Der große Knall den Herr Krall vorhersagt, ist vielleicht schon da oder kommt noch oder eben viel schleichender als wir uns alle vorstellen können.

    In einem sind wir uns doch alle einig: dieses System stellen immer mehr Menschen in Frage und eigentlich sind sich immer mehr Menschen einig ein weiter so sollte es nicht geben, aber wir sind nicht fähig eine Lösung zu bieten, mit der der Großteil der Bevölkerung zufrieden ist.

    Markus Krall ist einer der wenigen, der wenigstens versucht eine ganzheitliche Lösung zu bieten.
    (von Werten, politisches System, Finanzsystem, Wirtschaftssystem etc.)
    Kennt ihr noch andere die ganzheitliche Lösungen bieten?

  6. Ich meinte „D.h nicht… “ in der zweiten Zeile, sorry. :)

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