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Warum sich Tesla nicht mit Wandelanleihen retten kann!

Tesla Beispielfoto

Immer auf der Suche nach neuen Informationen, Theorien, Erklärungsmustern und Bewertungsmodellen stieß ich gestern in einem US-amerikanischen Diskussionsforum auf eine faszinierende Idee eines Tesla-Fans: Dank des Absicherungsgeschäfts, das Tesla im vergangenen Jahr für die neu emittierte Wandelanleihe abschloss, sei ein versteckter Milliardengewinn entstanden, den Tesla nur noch heben müsste. Und diese Gewinne seien wiederholbar, wenn CEO Elon Musk nur wolle und der Aktienkurs weiter steige. Was dieser Fan hier fand, war die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung. Wahrlich disruptiv!

Wandelanleihen bringen die Zinskosten für Tesla nach unten

Was ist eine Wandelanleihe? Eine Wandelanleihe ist zunächst einmal eine klassische Anleihe, ein Kredit an ein Unternehmen, der verbrieft und an der Börse handelbar ist. Während der Laufzeit erhält der Käufer Zinsen und am Laufzeitende den Nennwert zurück. Um die Zinslast zu drücken, wurde diese klassische Anleihe jedoch noch um eine Kaufoption ergänzt, die das Papier für Anleger attraktiver machen soll. Zu einem vorher festgelegten Umtauschverhältnis kann der Anleger die Wandelanleihe in Aktien des ausgebenden Unternehmens tauschen. In der Regel ist die Umtauschmöglichkeit an einige Voraussetzungen gekoppelt. Das könnten zum Beispiel das Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle oder das Halten eines Mindestkurses für eine bestimmte Zeit sein. Der Herausgeber der Anleihe spart so im Optimalfall nicht nur Zinsen, sondern auch die Tilgung der Anleihe am Laufzeitende. Die Zinsen betragen nur 2%. Rechnet man den Wert der Optionskomponente mit ein, liegen die realen Kosten jedoch bei 8,68%. Der Nachteil ist, dass beim Umtausch der Anleihe in Aktien eine Verwässerung der Anteile von Bestandsinvestoren erfolgt, da nach dem Umtausch mehr Aktien auf dem Markt wären.

Tesla handelte mehr mit Optionen als mit Wandelanleihen

Tesla (gestern kräftiger Absturz der Aktie) kümmert sich normalerweise wenig um die Verwässerung von Anteilen. Ende 2010, im Jahr des Börsengangs, gab es knappe 50 Millionen Aktien und neun Jahre später schon 179 Millionen. Doch bei dieser Neuemission einer Wandelanleihe kümmerte Tesla sich um die potenzielle Verwässerung. Die an die Anleihe angehangene Call-Option, die bei Ausübung den Umtausch der Anleihe in 3.2276 je 1.000 US-Dollar Nennwert ermöglicht, wurde gehedged. Tesla gab insgesamt 474 Millionen US-Dollar aus, um sich Call-Optionen zu kaufen, die den Bezug der schlimmstenfalls benötigten knapp 6 Millionen Aktien ermöglichen. 474 Millionen US-Dollar Absicherungskosten und 20 Millionen US-Dollar Transaktionskosten sind eine ganze Menge, um eine fünfjährige Wandelanleihe im Volumen von 1,84 Milliarden US-Dollar abzusichern.

Doch genau diese Absicherung ist nun in Augen der Fans eine Goldgrube. Denn die gekauften Call-Optionen haben jetzt natürlich einen enormen Wert angenommen. Bei einem Ausübungspreis von 309,83 US-Dollar haben die knapp 60.000 Calls zu je 100 Aktien jetzt also einen inneren Wert von 2,44 Milliarden US-Dollar. Nicht schlecht bei einem Kaufpreis von nur knappen 500 Millionen. Und ein hübscher Gewinn, den sich Tesla in die Bilanz schreiben kann.

Doch ist das wirklich ein Gewinn? Waren die Leute bei Tesla wirklich so clever? Und ist das vor allem ein wiederholbarer Gewinn, sofern Musk nur wolle und der Aktienkurs weiter steigt, wie der Fan behauptet? Nun, letzteres stimmt natürlich. Wenn Tesla weiter Calls kauft und der Kurs weiter steigt, dann ist das ein Gewinn. Doch clever ist es nicht. Auf steigende Kurse zu wetten und Gewinn zu machen, wenn man richtig lag, ist Glücksspiel und hat wenig mit dem Kerngeschäft eines Autoherstellers zu tun. Schlimmer noch: Läge Tesla nicht richtig und sollte der Aktienkurs nach dem Kauf von Calls nicht weiter steigen, dann hätte das Unternehmen die knappen Geldreserven verspielt und wäre der Pleite wieder ein Stück näher gekommen.

Den Buchgewinnen stehen Buchverluste in gleicher Höhe gegenüber

Im konkreten Fall jedoch ist überhaupt kein Gewinn entstanden. Tesla hat Calls in Form der Wandelanleihen verkauft und die gleichen Calls zur Absicherung wieder am Markt gekauft. Den Wert der verkauften Calls beziffert Tesla in der Bilanz mit 491 Millionen US-Dollar. Gleichzeitig gab Tesla 474 Millionen aus, um sich abzusichern. Ich erkenne darin keine Cleverness, sondern Geldverschwendung. Jeder US-Dollar, den die Absicherungsposition an Gewinn erzeugt, erzeugt die Wandelanleihe an virtuellen Verlust. Denn wird die Option der Wandelanleihe ausgeübt, müsste Tesla Aktien zu einem rechnerischen Preis von 309,83 US-Dollar liefern, während sie beim Verkauf zum Marktpreis 717 US-Dollar einbrächten.

Was die Fans hier entdeckten, ist keine garantierte Gelddruckmaschine (die verkauft Tesla nach Musks Aussage in Form von Solarzellen, die für Tesla selbst offensichtlich nicht genug Geld drucken, um sie wie versprochen auf der in der Wüste Nevadas gebaute Batteriefabrik zu installieren), sondern die segensreiche Wirkung einer Kapitalerhöhung. Würde Tesla zum heutigen Aktienkurs neue Aktien emittieren, zum Beispiel 6 Millionen Stück, flössen dem Unternehmen 4,3 Milliarden US-Dollar neues Kapital zu. Die Geldsorgen wären für ein, zwei Jahre vorbei und beim aktuellen Aktienkurs würde die kleine Verwässerung kaum jemand spüren. Wiederholbar wäre der Vorgang übrigens auch. Und von Shortsellern empfohlen wird es auch noch seit Jahren. Warum Tesla keine ordentliche Kapitalerhöhung durchführt, um sich und die eigenen Wachstumspläne auf Jahre hinaus zu finanzieren, ist uns Skeptikern ein Rätsel.

Teslas Absicherung wirkt nur in einem 300-Dollar-Fenster

Übrigens: Tesla hat bei der Wandelanleihe nicht nur Calls verkauft, dann anschließend die gleichen Calls am Markt wieder gekauft, sondern zu alledem auch noch weitere 60.000 Calls mit einem Strikepreis von 607,50 US-Dollar verkauft. De facto hat sich Tesla also gar nicht vollständig abgesichert, sondern nur im Bereich zwischen 309,83 und 607,50 US-Dollar. Zwar bekam Tesla für die verkauften Calls 174 Millionen, doch die Absicherung ist seit dem Überschreiten der 607,50 US-Dollar auch wieder dahin.

Damit haben die drei Optionsgeschäfte also folgende Wirkung für Tesla: +491 – 474 + 174 = 191 Millionen. 191 Millionen Umsatz hat Tesla durch die Optionsgeschäfte gemacht, muss aber schlimmstenfalls 6 Millionen Aktien zu einem Kurs von 607,50 US-Dollar liefern. Statt satte Gewinne zu erzielen, wie Fans suggerierten, begrenzte sich Tesla für 6 Millionen Aktien selbst auf einen maximalen Emissionserlös von 607,50 US-Dollar pro Aktie. Ich halte das für das Gegenteil von clever.



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1 Kommentar

  1. übrigens erklärt das schon die Heftigkeit der Bewegungen.
    Denn wo ein Käufer von Calls ist, gibt es ja auch Verkäufer. Und da haben sicher einige naked verkauft weil sie sich eben nicht vorstellen konnten, daß der Kurs jemals da hin kommt.
    Tja, und dann kam es eben anders.
    Und alle mussten sich absichern durch entsprechende Käufe in der Aktie.
    Niemals, wirklich niemals sollte man naked Calls schreiben in der aktuellen Zeit.

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