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Warum Zinssenkungen gegen Coronavirus-Panik helfen sollen!

Die Zentrale der Fed in Washington DC - Zinssenkung gestern

Unangekündigt, aber nicht gänzlich überraschend, senkte die US-Notenbank Fed gestern den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte. Die Märkte hatten bereits mit Zinssenkungen um 0,75 Prozentpunkte gerechnet – allerdings bis Ende des Jahres. Die Fed verband die Zinssenkung ausdrücklich mit den Risiken für die Wirtschaft, die vom Coronavirus ausgehen. Hilft dagegen eine Zinssenkung? Wenn ja, wie wirkt sie? Und wenn die Zinssenkung hilft, warum reagierte der Aktienmarkt darauf bis jetzt nicht positiv?

Leitzinssenkung wird als Problem-Indikator angesehen

Für den Markt ist die gestrige Leitzinssenkung kein Hoffnungsschimmer, sondern ein Beweis dafür, wie kritisch es um die Wirtschaft wirklich steht. Denn wären kaum Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft zu spüren, müsste die Notenbank nicht unerwartet und außerhalb der üblichen Notenbanksitzungen die Zinsen senken. Zudem ist ein Zinsschritt um gleich 50 Basispunkte oder 0,5 Prozentpunkte doppelt so groß wie der übliche Schritt, deutet also auf besondere Dringlichkeit hin. Somit hat die Zinssenkung, die die Unternehmen entlasten und die Märkte beruhigen soll, jetzt zumindest auf die Märkte die genau gegenteilige Wirkung: Sie beunruhigt die Marktteilnehmer.

Ohnehin wirken sich Zinssenkungen nur mittelbar und langfristig auf die Unternehmen aus. Die Notenbank kann nicht bestimmen, zu welchem Zinssatz Banken Unternehmen Geld leihen. Sie kann mit dem Leitzins lediglich festlegen, mit welchem Zinssatz Kredite der Notenbank an die Geschäftsbanken oder Kontoeinlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank verzinst werden. Geben die Geschäftsbanken die Zinsersparnis nicht an ihre Kreditnehmer weiter, zum Beispiel, weil in einer Wirtschaftskrise das Risiko für die Banken spürbar steigt, haben die Unternehmen gar nichts von der Leitzinssenkung. Unterstützt werden dann nur die Banken, die eine größere Zinsmarge vereinnahmen können.

Zudem sind viele Unternehmen langfristiger finanziert, als eine Zinssenkung wirkt. Wenn ein Unternehmen eine durchschnittliche Laufzeit aufgenommener Kredite von drei Jahren hat, dann würde nach einem Jahr erst ein Drittel der aufgenommenen Kredite von der Zinssenkung profitieren. Oder anders gesagt: Die Refinanzierungskosten würden sich nach Ablauf eines Jahres um 0,17 Prozentpunkte reduziert haben. Hätten die Kredite eine durchschnittliche Laufzeit von fünf Jahren, würden die Kosten nach zwölf Monate sogar nur um 0,1 Prozentpunkte gesunken sein. Dass das keine größeren Auswirkungen auf die Geschäfte und die Rentabilität der Unternehmen haben kann, liegt auf der Hand.

Kleine und mittlere Unternehmen profitieren von Leitzinssenkungen kaum

Die Wirkung der Zinssenkungen entfaltet sich somit erst in der Summe aller Zinssenkungen. Zum Beispiel, als während der Finanzkrise der Leitzins in den USA von 5,25% auf 0% sank. Die heutige Zinssenkung war bereits die vierte im aktuellen Zinssenkungszyklus. Der Zinssatz sank damit von 2,25-2,5% auf jetzt 1-1,25%. Der niedrige Zinssatz zeigt bereits, dass der Fed nicht mehr viel Spielraum bleibt. Die Auswirkungen einer Absenkung von 5,25% auf 0% sind viel größer als die Auswirkungen einer Absenkung von 2,5% auf eventuell bald 0%.

Natürlich könnte die Fed auch Negativzinsen einführen. Doch auch die wären kein Garant dafür, dass die Banken auch die Zinsen für ausgereichte Kredite senken, was den Unternehmen zugute käme. Eine weitere Maßnahme wäre, Anleihen am Markt zu kaufen, damit deren Preis zu erhöhen und im gleichen Zuge die Rendite zu senken. Bei neu ausgegebenen Anleihen würde dann praktisch automatisch der neue, niedrigere Marktzinssatz gelten und die ausgebenden Unternehmen wären entlastet. Doch das kommt nur Großunternehmen zugute, die in der Lage sind, börsennotierte Anleihen herauszugeben. Dem Mittelstand oder Kleinunternehmen, die den Großteil der Wirtschaftsleistung ausmachen, wäre damit nicht geholfen.

Es ist daher zweifelhaft, ob die Leitzinssenkung etwas an den Auswirkungen des Corona-Virus auf die Wirtschaft ändern kann. Großunternehmen sparen sich minimal Zinskosten, während der Großteil der Wirtschaft und Verbraucher weder in den Genuss sinkender Zinsen kommen, noch sich durch sinkende Zinsen zu zusätzlichem Konsum ermuntert sehen dürften, selbst wenn sie künftig Kredite um 0,5 Prozentpunkte günstiger bekommen sollten.



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4 Kommentare

  1. Genau mein Reden! Die Wirkung einer Zinssenkung wird von den Märkten regelmäßig überbewertet und dass ein Doppelschritt nun gar keine Wirkung mehr zeigt, lässt nichts Gutes ahnen.

  2. Es stimmt, dass die niedrigen Zinsen kurzfristig kaum helfen werden. Längerfristig aber schon: Zum Beispiel wird ein Hauskauf dadurch günstiger (niedrigere Darlehenszinsen), was wiederum bedeutet, dass Immobilienpreise weiter steigen. Dies ist wiederum gut für den Konsum (zum Teil auch dank dem Wealth Effect) und auch für die Wirtschaft insgesamt, da es auch den Neubau und die damit zusammenhängenden Branchen ankurbeln kann.

  3. @ Stefan, es ist erwiesen dass tiefe Zinsen u.Nullzinsen eine Umverteilung von unten nach oben bewirken,was sogar Profiteure wie Jamie Dimon bestätigen. Zudem bestraft es die Sparer u.die Altersvorsorge u.treibt die Immopreise hoch .Wenn sie meinen dies sei konsumfördernd dann haben sie in Sachen Wirtschaftskenntnis noch Luft nach oben. ( wie die Börse)

  4. Wodurch erklären Sie dann das starke Wachstum der US Wirtschaft in den letzten 10 Jahren? Diese wird nach wie vor noch zu ca. 70% vom Konsum getrieben.

    Ich glaube nicht, dass ich hier mit 20 Jahren Erfahrungen als Ökonom jener bin, dessen Wirtschaftskenntnis Luft nach oben hat. Natürlich lernt man immer wieder. Frustrierend besonders in diesem Bereich ist es aber wenn manche denken, dass sie bereits alles wissen. Das ist nämlich nicht machbar. Und außerdem werden sich auch Ökonomen oft streiten, weil sie einfach verschiedene Theorien haben. Auch dann heißt es nicht, dass ihre Wirtschaftskenntnisse „Luft nach oben“ haben. Denn zur Erinnerung: Wirtschaft ist eine soziale Wissenschaft, und keine exakte.

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