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Was bedeutet implizite Volatilität bei Optionen?

Implizite Volatilität bei Optionen hat einen großen Einfluss auf den Preis

Wenn Sie mit Optionen oder Optionsscheinen handeln, dann werden Sie auf den Begriff „Volatilität“ oder „implizite Volatilität“ stoßen. Während die historische Volatilität die Schwankungsbreite eines Wertpapiers oder Rohstoffs in der Vergangenheit angibt, ist die implizite Volatilität ein Maßstab für die Markterwartungen an die künftige Volatilität. Sie ist einer der preisbestimmenden Komponenten für Optionen und Optionsscheine. Trader und Anleger sollten das Konzept der impliziten Volatilität und den Einfluss auf Derivatepreise verstehen, um richtige Kauf- und Verkaufsentscheidungen treffen und clevere Strategien umsetzen zu können.

Über die historische Volatilität müssen wir nicht viele Worte verlieren. Sie wird einfach aus den Hoch- und Tiefpunkten während der betrachteten Periode berechnet. Je größer die Schwankungen waren, umso höher ist die historische Volatilität (Vola als Anlageklasse). Aus ihr lässt sich nur bedingt Nutzen für die eigenen Trading-Entscheidungen ziehen. Ich selbst verwende die historische Volatilität gern in Kombination mit der impliziten Volatilität, die Aussagen über die Markterwartungen an die Schwankungsbreite eines Werts in der Zukunft erlaubt.

Markt preist Risiken oft nicht richtig ein – was zu ungewöhnlich niedrigerer Volatilität führt

Der Markt hat die Angewohnheit davon auszugehen, dass die Phasen niedriger Volatilität fortgesetzt werden. Je länger die Volatilität in der Vergangenheit niedrig war, umso sicherer wird sich der Markt, dass das auch in Zukunft so sein wird. Ich hingegen sehe es genau umgekehrt. War die Schwankungsbreite in der Vergangenheit über ungewöhnlich lange Zeiträume sehr niedrig, dann preist der Markt die Risiken von größeren Preisschwankungen in der Zukunft nicht mehr richtig ein. Sehr gut konnten wir das im Februar 2020 beobachten. Obwohl bei genauer Beobachtung relativ klar war, dass das Coronavirus nicht weltweit eingedämmt wurde und wahrscheinlich weltweit ähnlich weitgreifende Maßnahmen zur Eindämmung getroffen werden müssen wie in China, lag die implizite Volatilität bei den meisten Optionen auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau. Der Markt wollte nicht wahrhaben, dass sich Risiken zusammenbrauen.

Als der Markt die Realität schließlich nicht mehr verleugnen konnte, explodierte die Volatilität schneller als vermutlich jemals zuvor. Wo die Marktteilnehmer bisher keine Risiken sehen wollten, sahen sie auf einmal überall Risiken. Nicht nur, dass die Kurse der meisten Wertpapiere crashten, die implizite Volatilität schoss auch noch in die Höhe.

Die implizite Volatilität wird aus anderen Parametern berechnet

Wichtig ist zu verstehen, dass die implizite Volatilität ein gedankliches Konstrukt ist. Ins Black-Scholes-Modell zur Berechnung von Optionspreisen fließen diverse Parameter ein, die allesamt gemessen werden können – mit Ausnahme der impliziten Volatilität. Doch die Black-Scholes-Gleichung kann nach dem unbekannten Parameter der impliziten Volatilität aufgelöst werden. Die Volatilität wird also aus den bekannten Parametern inklusive dem Optionspreis berechnet.

Für Optionsverkäufer ist die implizite Volatilität ihre Risikoprämie. Wer Optionen verkauft, verpflichtet sich, dem Optionskäufer zu vorher festgelegten Konditionen Aktien zu verkaufen oder sie von ihm zu kaufen. Das dabei eingegangene Risiko, das sich nicht vollständig absichern lässt, lassen sich die Optionsverkäufer vom Optionskäufer bezahlen. Bei wahrgenommenen gestiegenen Risiken wird also auch der Aufpreis für das Eingehen der Risiken erhöht.

In Phasen niedriger Volatilität kaufen Sie Optionen, bei hoher Volatilität verkaufen Sie!

Sie als Trader oder Anleger können sich dieses Verhalten zunutze machen. In obigen Beispiel, Februar 2020 mit ungewöhnlich niedriger impliziter Volatilität, hätten Sie zum Beispiel Optionen kaufen können. Die Explosion der impliziten Volatilität Ende Februar und März hätte zu enormen Gewinnen geführt. Umgekehrt können Sie bei untypisch hoher impliziter Volatilität gute Gewinne erzielen, wenn Sie Optionen verkaufen und die dank der Volatilität hohen Risikoprämie vereinnahmen.

Für konservativere Anleger gibt es auch Anlage-Strategien, die die implizite Volatilität der Aktien-Optionen berücksichtigt. Alle Derivate, die auf Optionen aufbauen, profitieren von oder leiden an der Volatilität. So macht es in Zeiten hoher Volatilität oft keinen Sinn, Optionsscheine zu kaufen. In diesen Zeiten sind dagegen Derivate, die verkaufte Optionen „enthalten“, genau das richtige. Das sind zum Beispiel Discount-Zertifikate und Aktienanleihen. In Zeiten untypisch niedriger Volatilität kann es wiederrum angezeigt sein, die eine oder andere Put-Option dem Depot beizustreuen. Selbst wenn im Laufe von 12 oder 18 Monaten gleich mehrere dieser Positionen einen Totalverlust ergeben sollten, wird die letztendlich profitierende Position mit großer Wahrscheinlichkeit die Verluste mehr als ausgleichen.

Zwar gibt es auch Fälle, in denen stark steigende Kurse für anziehende Volatilität sorgen. Doch Ausnahme-Aktien wie Tesla, bei denen die Puts dank explodierender Risikoprämien bei stark steigenden Kursen an Wert zulegen, sind ausgesprochen selten. Der Standard-Fall ist, dass die implizite Volatilität bei steigenden Kursen fällt und bei fallenden Kursen steigt. Insofern sind gekaufte Put-Optionen in lang anhaltenden Phasen niedriger Volatilität Mittel der Wahl. Derivate, die verkaufte Optionen enthalten, sind dann wiederrum wenig erfolgversprechend. So finanziert sich der Rabatt eines Discount-Zertifikats durch die Optionsprämie eines verkauften Calls. Bei niedrigerer Volatilität gibt es also auch wenig Discount. Da ist die Aktie chancenreicher.

Auch wenn Sie richtig liegen, können Sie mit Optionen Geld verlieren

Übrigens sollten Sie bei Optionsverkäufen immer ausreichend Margin auf dem Konto haben, selbst wenn sich der Markt so entwickelt, wie Sie es sich erhofften. Beim Crash des EUR/CHF Anfang 2015 wurden verkaufte Calls praktisch sofort wertlos. Alle wussten, dass der Euro gegenüber dem Franken nur abwerten kann. Um diese Abwertung des Euro zu verhindern, kaufte die Schweizer Zentralbank schließlich für hunderte Milliarden Franken den Euro. In dem Moment, in dem die Zentralbank das Ende der Käufe bekanntgab, konnte ausschließlich ein Crash des Euro bzw. eine starke Aufwertung des Franken folgen. Steigende Euro-Kurse waren ausgeschlossen. Doch die Broker erhöhten die implizite Volatilität auf ihren Plattformen pauschal für alle Optionen so extrem, dass selbst der Preis verkaufter Euro-Calls stieg. Das wiederrum führte zu Margin Calls. Wer die nicht bedienen konnte, musste seine an sich wertlosen Calls zu überhöhten Preisen zurückkaufen und machte Verluste, obwohl der Crash des Euro korrekt antizipiert wurde.



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