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Was nach einem Brexit erledigt werden muss

Wenn der Brexit kommt, was muss dann überhaupt erledigt werden? Nun, zuerst mal muss David Cameron ein Zauberstück hinlegen. Denn er hat mit drastischen

FMW-Redaktion

Wenn der Brexit kommt, was muss dann überhaupt erledigt werden? Nun, zuerst mal muss David Cameron ein Zauberstück hinlegen. Denn er hat mit drastischen Droh-Szenarien versucht seine Bürger davon zu überzeugen in der EU zu bleiben. Es gäbe drastische Nachteile im Handel zwischen UK und EU, einen deutlichen BIP-Rückgang, höhere Preise drastisch höhere Steuern in UK. Er muss, da er ja wohl nächste Woche auch noch Premierminister sein wird, gerade die asiatischen Autohersteller zügig ansprechen, die in UK für das europäische Festland produzieren. Ihnen muss er quasi klarmachen, dass das alles doch gar nicht so gemeint war. Was für ein Kunststück müsste das werden in seiner Formulierung? Denn gerade Asiaten und Amerikaner, die in UK für das Festland produzieren, haben mit UK-Patriotismus so gar nichts am Hut. Sie werden sich vermutlich sagen: Wir entscheiden uns schon aus zollrechtlichen Gründen für den größten Markt, und da stehen 440 Millionen EU-Bürger 60 Millionen Briten gegenüber.

Brexit David Cameron
UK-Premier David Cameron. Foto: gov.uk / OGL

Genau so muss David Cameron die großen Banken vom Festland (SocGen, BNP, Credit Suisse, UBS, Deutsche uvm) davon überzeugen, dass sie ihr Handelsgeschäft und Investmentbanking auch nach dem Brexit problemlos von London aus weiterführen können. Hier wird die Argumentation genau so problematisch sein wie bei den Autobauern. Vor der Wahl hat er alle negativen Argumente genannt, die er jetzt entkräften muss. Nur gerade in der Finanzindustrie wird es fast unmöglich sein Teile des Geschäfts in London zu halten. Schon aus regulatorischen Gründen müssten Teile der Finanzgeschäfte in die EU verlagert werden – dazu würden wohl eh die EZB als oberste Bankenaufseher und die EU-Kommission auffordern.

Der ganz große Batzen an Arbeit steht für die Briten an, wenn es darum geht sämtliche internationalen Verträge für sich selbst neu zu verhandeln, die bisher die EU für ihre Mitglieder verhandelt hatte. Sämtliche EU-Abkommen mit Staaten irgendwo auf dem Planeten muss Großbritannien jetzt für sich ganz alleine mit diesen Staaten neu verhandeln. Und da kommt wieder die Tatsache zum Tragen, dass die UK-Verhandler nicht mit der Kraft von 500 Millionen Konsumenten verhandeln, sondern nur mit der Kraft von 60 Millionen Konsumenten. Also dürfte die Verhandlungsmacht der UK-Verhandler deutlich geringer sein. US-Präsident Obama hatte mehr als demütigend vor ein paar Tagen schon gewarnt: Tritt UK aus der EU aus, müsse sich das Land zukünftig bei Verhandlungen „ganz hinten anstellen“. Ebenso werden wohl die Chinesen verfahren, die jetzt eh schon eher auf Paris und Berlin schauen.

Viele Brexit-Befürworter sehen als wichtigstes Argument für den Brexit, dass auch Länder wie Norwegen oder die Schweiz einen hervorragenden Handelszugang zur EU haben, ohne selbst EU-Mitglied zu sein. Das stimmt auch. Nur ist völlig offen, ob UK den selben Zugang zur EU erhält. Sämtliche Zollabkommen müssen verhandelt werden. Die Schweiz z.B. hat über diverse einzelne Abkommen quasi einen Status mit der EU, der einem Freihandelsstatus nahekommt. Zuletzt hatten vor allem führende Politiker aus Frankreich gewarnt: Beim Brexit räumen wir (sie sprachen im Sinne der EU) den Briten nicht die selben Zugangsprivilegien zum EU-Binnenmarkt ein wie den Schweizern. Raus aus der EU bedeute aus „Raus aus der EU“. Diese Drohgebärde soll wohl abschreckend wirken auf andere potenzielle Austrittskandidaten, die sich sagen würden: Hey toll, handelstechnisch ist der EU-Austritt ja gar nicht nachteilig – aber politisch bekommen wir durch einen Austritt unsere volle Souveränität zurück. Super, machen wir es doch wie die Briten und treten auch aus.

Man denke da z.B. an Länder wie Ungarn oder Polen. Dort ist die Begeisterung für die EU gerade eher weniger ausgeprägt. Hat ein ausgetretenes Großbritannien zukünftig handelstechnisch keine Nachteile im Handel mit der EU, was sollte z.B. die Ungarn davon abhalten ebenfalls auszutreten? Es ist also relativ wahrscheinlich, dass es für die Brexit-Befürworter ein böses Erwachen gibt, wenn die Handelsverträge zwischen UK und EU ausgehandelt werden. Dann würden durch gegenseitige Zölle britische Produkte in der EU teurer werden und umgekehrt. Zunehmend würden gerade internationale Produzenten sich dazu gedrängt fühlen im größeren Markt, also der EU, zu produzieren.

Kurzfristig zu erledigen ist ein Fluten der britischen Banken bzw. in London tätiger Banken mit Euros und Dollars durch die EZB und die Fed, da eine große und ruckartige Flucht raus aus dem Pfund möglich ist. Auch könnte es sein, dass Unternehmen in UK in großem Umfang nach dem Brexit versuchen große Summen vom Pfund zu konvertieren, vor allem in die beiden großen Währungen Euro und US-Dollar. Aber hierzu hatten sich diese Woche Mario Draghi und Janet Yellen ja eindeutig geäußert. Im Falle des Brexit flutet man die Märkte. Also wie immer seit der Finanzkrise 2008. Den Märkten wird in keiner Weise mehr gestattet frei zu schwanken. Alles was nach Krise aussieht, muss im Keim mit Geld erstickt werden.

Auch muss seitens Großbritanniens entschieden werden, wie man mit der bisherigen Personenfreizügigkeit umgehen will. Denn auch das war ja eines der großen Brexit-Wahlkampfthemen, dass die Brexit-Befürworter angefeuert haben. Keine Polen mehr reinlassen, die bisher in großen Zahlen nach UK kamen? Visum-Pflicht für EU-Bürger in UK? Kaum vorstellbar aus heutiger Sicht. Aber ob ein David Cameron nach einem Brexit noch zu halten ist? Wird Boris Johnson ihn beerben? Aber warten wir nochmal 24 Stunden, dann sind wir alle schlauer, ob es überhaupt zum Brexit kommt.



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2 Kommentare

  1. Bis wann kommt den überhaupt der tatsächliche Brexit wenn heute dieses Lager gewinnt? Das dauert dann sicher doch noch eine Monate oder am Schluss Jahre. Kündigungsfrist versäumt Abbo läuft noch ein Jahr, oder wie? Also weiß das jemand, wann dann tatsächlich der Austritt erfolgen würde. Bis dahin ist doch eh alles vergessen.

  2. Vieles richtig. Aber nicht dramatisch. Die Fortsetzung der Handelsbeziehungen liegt in beiderseitigem Interesse. Also wird man sich unter dem Druck Wirtschaft schnell auf eine neue Regelung verständigen.
    Das m.E. Wichtigste wurde nicht genannt: Käme der Brexit, gäbe es ein Alternative zum EU-System innerhalb Europas. Und Wettbewerb ist doch immer gut und könnte für Personen und Kapital einen eigenen Reiz haben.

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