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Wells Fargo-Skandal: Verwöhnprogramm für Kunden, am 20. September geht es zur „Inquisition“

Was Wells Fargo-Chef John Stumpf am 20. September bevorsteht, nennt man in der US-Finanzbranche unter anderem auch "die Inquisition". Seit der Finanzkrise 2008 mussten schon diverse Bankvorstände vor dem...

FMW-Redaktion

Was Wells Fargo-Chef John Stumpf am 20. September bevorsteht, nennt man in der US-Finanzbranche unter anderem auch „die Inquisition“. Seit der Finanzkrise 2008 mussten schon diverse Bankvorstände vor dem Bankenausschuss des US-Senats die Fragen der Ausschussmitglieder beantworten, die detailliert nachhaken und sich nicht scheuen Klartext zu reden. Die Anhörungen werden im TV übertragen. So konnte der TV-Zuschauer nach der Finanzkrise die tatsächliche Arroganz diverser Banker (Goldman Sachs, JP Morgan) live mit erleben. So konnte man zum Beispiel von Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein erfahren, dass er lediglich Gottes Werk verrichte.

Am 20. September also muss Stumpf Rede und Antwort stehen. Hier nochmal der Link zur Vorgeschichte. Die Bank hatte für bestehende Kunden ohne deren Wissen 2 Millionen Konten und Kreditkarten eröffnet. Deshalb hat man 5.300 Mitarbeiter entlassen, und mehr als skandalös die verantwortliche Direktorin mit 124,6 Millionen Dollar Abfindungspaket „in Rente“ geschickt. Der US-Börsenclown Jim Cramer, der beim Finanzsender Nummer 1 CNBC seine Show abzieht, fragte gestern John Stumpf ober denn zurücktreten wolle. Seine klare Antwort: Das beste was er jetzt tun könne, wäre es die richtigen Entscheidungen zu treffen um die Firma nach vorne zu bringen.

Vor dem Senatsausschuss hat bisher noch kein Banker gut ausgesehen, vor allem weil sie anscheinend alle direkt von ihrer Wolke herabgestiegen sind, und gar nicht wirklich realisieren, was sie da reden. Wells Fargo war bisher die Seriosität und Schlichtheit im US-Bankensektor. Wie wird Stumpf auftreten? Und noch wichtiger: Wie wird er diesen massiven Betrug erklären, der von der US-Verbraucherschutzbehörde bereits offiziell als solcher definiert wurde? Was bisher von Wells Fargo veröffentlicht wurde, deutet nur darauf hin, dass man die Schuld alleinig den 5.300 entlassenen Bankberatern in die Schuhe schiebt. Fehlverhalten, vielleicht sogar kriminell, das Vertrauen von Bank und Kunden missbraucht – solche Leute müssen die Bank verlassen, und schon ist das Problem gelöst? Gestern legte die Bank nach und verkündete, dass man ab 1. Januar 2017 sämtliche Vertriebsziele für die Privatkundensparte abschafft.

Denn das war das Hauptproblem bei Wells Fargo. Kaum zu erreichende Vertriebsziele, die von ganz oben nach ganz unten durchgereicht wurden. Und wie das so ist mit Vorgaben: Wer sie nicht erreicht, bekommt Ärger. Wie will Stumpf das erklären? Völlig überzogene Vertriebsziele vorgeben, und dann keine Mitverantwortung dafür tragen wollen, wenn die Mitarbeiter alles tun um diese Vorgaben zu erreichen? Denn wer die Bankenszene kennt, weiß: Es bleibt beim Nicht-Erreichen von Vertriebszielen nie bei Worten oder Ermahnungen. Der Mitarbeiter bekommt schon zu spüren, in welche Richtung sich seine Karriere dann entwickelt. Die Fragen der Senatoren werden wohl sein:

Sie als Bankvorstand wussten bezüglich dieser Betrügereien von nichts?

Wenn ja, wie kann es sein, dass sie das bei 2 Millionen gefakten Konten nichts mitbekommen haben?

Wie sollten ihre Berater völlig überzogene Ziele erreichen, ohne zu betrügen?

Wer gab die Anweisungen für diese Vertriebsziele?

Es kann lustig und traurig zugleich werden am 20. September. Aber nicht nur die völlige Abschaffung der Vertriebsziele soll wohl für ein besseres Sofort-Image der Bank sorgen – auch hat Wells Fargo gestern einen offenen Brief an die Kunden veröffentlicht, der eine schöne Atmosphäre schaffen soll. Die Bank spricht von einer Verpflichtungserklärung. Neben dem völligen Abschaffen von Vertriebszielen für die Berater will man die Mitarbeiterschulungen verdoppeln, was immer das heißen mag. Auch sollen „angemessene Aktionen wie zum Beispiel Disziplinarmaßnahmen“ eingeleitet werden gegenüber Mitarbeitern, die sich gegenüber Kunden nicht wie erwartet verhalten. Unsere Anmerkung: Gibt es also noch mehr als die bereits entlassenen 5.300 Mitarbeiter, die an diesem Betrug beteiligt waren?

Auch sollen zukünftig automatisch EMails an die Kunden rausgehen, wenn für sie Konten eingerichtet werden. Dazu können wir nur sagen: Bei vielen dieser eröffneten Konten ohne Kundengenehmigung hatten die Mitarbeiter von Wells Fargo ja vorher Fake-Emailkonten für die Kunden eingerichtet, auf die nur die Mitarbeiter selbst Zugriff hatten. Also müsste man zukünftig schon eine Bestätigung per Post an die Kunden versenden. Aber Postanschriften von Kunden kann man im Banksystem ja auch manuell ändern… wie wir gestern bereits schrieben: Wenn Wells Fargo wirklich ab 1. Januar gar keine Vertriebsziele mehr vorgibt, wäre das in der Finanzbranche eine Sensation. Dann müsste die Bank wirklich nur mit guten Leistungen überzeugen und hoffen, dass neue Kunden ganz von alleine neue Konten eröffnen.



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