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Weltwirtschaft: Gute Argumente gegen die große Krise

Positive Argumente gegen Krise in Weltwirtschaft

Derzeit machen sie die Runde, die Prognosen des großen Einbuchs an den Börsen mit der Ankündigung von verheerenden Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das Wort Crash wird geradezu inflationär verwendet, schließlich befinden wir uns am Ende des längsten Aufschwungs seit dem 2.Weltkrieg. Eine Bereinigung der Finanzmarktexzesse tut bestimmt Not, aber muss sich daraus bereits gleich eine Krise à la 1929 entwickeln für die Weltwirtschaft entwickeln?

2019, das Jahr des Abschwungs in der Weltwirtschaft und des Börsenaufschwungs

Das Wirtschaftsjahr 2019 hatte es wirklich in sich. Nicht zuletzt aufgrund des Handelsstreits mit seinen permanenten Eskalationen war das Wachstum für die Weltwirtschaft durch die großen Organisationen (IWF, OECD, Weltbank) nach unten gesetzt worden. 90 Prozent der OECD-Staaten erlebten einen parallelen Abschwung. Nur die Börsen sahen und sehen etwas anderes mit opulenten Kursgewinnen bei den Hauptindizes: Stellvertretend sei hier nur der S&P 500 mit seinem 27 Prozent-Anstieg genannt auf 3200 Punkten, dem besten Jahr seit 1997 oder der breite MSCI World, der es zum jetzigen Stand auch auf über 23 Prozent plus geschafft hat.

Und zum Ende des Jahres stabilisieren sich sogar manche Indikatoren, im Bereich der Industrie auf sehr niedrigem Level, so dass Ökonomen die drohende Rezession 2020 quasi ad acta und die Konjunkturaussichten für das kommende Jahr bereits wieder etwas nach oben gesetzt haben. Auch der Ifo-Index ist im Dezember um 1,2 Punkten auf 96,3 Punkte gestiegen – auf den höchsten Stand seit einem halben Jahr. Zusätzlich spricht man aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte bei einem dreimaligen Anstieg von einem Trend. Analysten hatten mit einem geringerem Anstieg gerechnet, für eine Rezession müsste er schon in Richtung 90 Punkte oder darunter fallen. ifo-Chef Fuest erklärte dazu: „Die deutsche Wirtschaft geht zuversichtlicher ins neue Jahr.“

Über die Gründe der Börsenhausse braucht man sich nicht mehr auszulassen, bei einer weltweiten Zinssenkungsorgie ohnegleichen, die „momentan“ zu einer Akternativlosigkeit ohnegleichen geführt hat. Das alles schreit nach einer gewaltigen Korrektur, die selbst dann eintreten kann, wenn sich die Wirtschaft wieder erholt. Eben weil dann die Kapitalmarktzinsen steigen und das können weder die Zombiefirmen noch der gehebelt verschuldete US-Konsument verkraften. Aber muss es gleich zu einem Crash biblischen Ausmaßes kommen, mit heftigsten gesellschaftlichen Verwerfungen? Der ehemalige Chefredakteur des Handelsblattes, Gabor Steingart, hat ein paar Thesen aufgestellt, die sogar auf eine prosperierende Periode in den 20-er-Jahren hindeuten:

1)
Das Wachstum der Bevölkerung von derzeit 7,75 Milliarden Menschen auf 9,75 Milliarden in 30 Jahren, wie es die OECD prognostiziert. Dies bedeutet aktuell eine Zunahme von 78 Millionen Erdenbürger und neuer Konsumenten p.a. – annähernd eine jährliche Zunahme in der Größenordnung der Bevölkerung von Deutschland.

2)
Der Autor geht von einer weiteren Geldflut durch die Notenbanken in Europa, den USA und Asien aus. Ein Treiber für Aktienkurse und zugleich eine wundersame Geldvermehrung für die Kreditvergabe der Banken auf ihrem Weg in die Realwirtschaft. Anmerkung: Eine sehr gewagte These angesichts der fatalen Wirkungen der Niedrigzinsen auf Vorsorgesysteme u.ä.

3)
Die ungebremste Lust der Welt auf Konsum. Man redet über Ökologie und lebt Ökonomie. Die Kursentwicklungen der großen Konsumartikelhersteller sprechen Bände.

4)
Digitalisierung bei gleichzeitiger Globalisierung könnte noch nie erlebte Innovationen kreieren, stärker als die Fließbandentwicklung von Henry Ford vor 100 Jahren.

5)
Die scheinbare Immunität der Welt gegenüber Politikern wie Trump, Johnson, Putin, Erdoğan und Bolsonaro, die die Welt nicht ängstigen, sondern teilweise amüsieren, so die Sicht Steingarts.

6)
Eine Steigerung der Produktivität durch den Eintritt gut ausgebildeter Frauen in das Erwerbsleben. Seit 2002 ist die Erwerbstätigenquote von Frauen von 62 auf zuletzt 76 Prozent gestiegen.

7)
Auch die Qualifizierung der Menschen auf dem Bildungsweg schreitet in Europa voran. Seit dem Jahr der Finanzkrise verfügen rund 50 Prozent der EU-Bürger über einen Bildungsabschluss im Sekundarbereich II (Abitur). Im tertiären Bildungsbereich (zum Beispiel Universitäten und Hochschulen) stieg die Quote von über 22 auf knapp über 30 Prozent.

Fazit

Der Autor kommt zu der Schlussfolgerung, dass es nicht leicht fallen sollte, die Weltwirtschaft anhand der beschriebenen Faktoren abzuwürgen. Die Risikofaktoren seien weltweite Terrorserien, ein massiver Ölpreisanstieg sowie die Ansteckungseffekte von Bankenzusammenbrüchen. „Dieses Szenario beschäftigt bisher lediglich das Genre der Crash-Literatur“, so Steingart. Aber gerade auf Letzteres läuft die weit verbreitete Prognose des Bankenexperten Dr. Krall hinaus.

Damit stellt sich wieder einmal die Frage: Kann man Einbrüche, Rezessionen oder Unheil als solches überhaupt seriös prognostizieren? Rezessionen sind Teil der Marktwirtschaft, alles andere sind „schwarze Schwäne“, die man deshalb so bezeichnet, weil sie weder erahnt noch getimt werden können.



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7 Kommentare

  1. Das Aufblasen der Immobilien 2006/7 in den USA geschah durch die FED. Banken „mußten“ nicht zahlungsfähigen Kunden Kredite geben, Befehl von oben!
    „Fannie and Freddie are collectively known as “government-sponsored enterprises.”“
    https://fee.org/articles/how-the-federal-government-created-the-subprime-mortgage-crisis/
    (By the way: Die Silberposition der beiden mußte nach dem Zusammenbruch derselben JPM übernehmen.)

    Danach haben sie es fortgesetzt, mit Hilfe von Steuergeldern. (Man hat Wirtschaftswachstum mit Armutsbekämpfung gleichgesetzt, so sind dabei auch nicht Arme in den Genuß dieser Rettungen gekommen!)
    https://www.welt.de/wirtschaft/article3171014/US-Regierung-zwingt-Banken-zu-guenstigen-Krediten.html
    Das ist nicht „die Marktwirtschaft“, sondern der Anteil des Staatskapitlismus im Land erhöht sich gewaltig, und verdrängt gesunde wirtschaftliche Mechanismen. Zum Wohl der Lenker.
    Dasselbe jetzt mit den Minuszinsen. Es erhöht die Fallhöhe der natürlichen Wellen von Rezession und Hochkonjunktur.

    1. Korrektur: Statt „geschah durch die FED“ muß es „Regierung“ heißen.

      1. Die FED ist die Regierung.

  2. Der Eine sagt dies, der Andere das und ein Dritter ganz was anderes.
    Steingart war Journalist, Krall Banken-Risikomanager.
    Im Zweifel traue ich doch Zweiterem auf Grund seines Lebenslaufes bessere analytische und prognostische Fähigkeiten zu, auch wenn ich nichts dagegen hätte, wenn Steingarts Prognosen einträfen.

  3. Wenn jetzt noch einmal die Aktienmärkte und die Konjunktur nach oben schießen, könnte das auch das Ende des Bullenmarktes bedeuten, gemäß dem Klassiker: Bullenmärkte sterben in der Euphorie. Im kommenden Jahr könnte es dann soweit sein, und der Kipppunkt erreicht werden.

    Und was Steingart’s Bemerkung zu Trump, Bolsonaro und Konsorten betrifft: Amüsieren kann man sich über diese Gestalten vortrefflich – es gibt wunderbare Karikaturen – aber trotzdem bleiben sie für mich Verbrecher, die hoffentlich irgendwann mal ihrer gerechten Strafe unterzogen werden.

  4. @Wolfgang Müller
    Alle Prognosen, die nicht mit 100-prozentiger Sicherheit gestellt werden können, könnte man deshalb im engeren Sinne bereits als unseriös abtun. Eine Prognose als unseriös hinzustellen, ist daher ein beliebtes Mittel all derer, die eine andere, meist gegenteilige Prognose aufstellen. Diese wäre dann aber zwingend ebenfalls unseriös.

    Ich denke, eine Prognose darf als seriös gelten, wenn sie hinreichend mit Fakten und Erfahrungswerten untermauert ist. Von daher sind z. B. die Prognosen von Dr. Krall, Friedrich & Weik und Otte absolut seriös, selbst dann, wenn sich später herausstellen sollte, dass die prognostizierten Ereignisse erst später, in anderer Form oder gar nicht eingetreten sind.

    Wer bei Prognosen stets auf wissenschaftliche Beweise pocht, der mag sich in Erinnerung rufen, dass die sogenannte Wissenschaft sich derart häufig irrt, dass sie aufgrund dieser Tatsache schon unseriös sein müsste. Die meisten Vorhersagen von Wirtschaftsinstituten z. B. stellen sich als falsch heraus, schon deshalb, weil sie politisch gewollt geschönt sind. Und wer immer auf Faktenuntermauerung pocht, sollte sich ins Gedächtnis rufen, was man mit faktenbezogenen Statistiken so alles anstellen und angeblich beweisen kann.

    Grundsätzlich würde ich Ihre in Ihrem Fazit gestellte Frage mit „Ja“ beantworten.

  5. Nach der Invertierung der Zinskurve dauert es im Mittel noch knapp ein Jahr bis die Rezession kommt. Während dieses Jahres kommt es aber meist noch mal zu einem neuen ATH an den Börsen. Von daher liegen wir voll im Plan.
    Jochen Stanzl hatte das mal in seiner Sendung morgens gegen acht genauer erläutert.

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