Gas

Energiekrise Wie real sind Gaspreise von 4000 Dollar je 1000 Kubikmeter?

Wie real sind Gaspreise von 4000 Dollar je 1000 Kubikmeter? Schauen wir auf verschiedene Aussagen aus Russland.

Gas-Flamme auf einem Herd

Zwei Ansagen über die Höhe künftiger Gaspreise kamen jüngst im August aus Russland. Zum einen legte das russische Wirtschaftsministerium aktuelle Prognosen im Öl- und Gassektor vor. Zum anderen warnte der Gaskonzern Gazprom vor einem Preisanstieg auf 4000 Dollar je Kubikmeter Gas in Europa. Auch für Analysten in Russland war dies Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, ob die ausgegebene Marke im Gaspreis von Gazprom Realität werden kann, und was das bedeutet.

Gaspreise für den Export verdoppeln sich

In den Prognosen 2022-2025 des russischen Wirtschaftsministeriums zur allgemeinen Wirtschaftslage fällt der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts BIP in diesem Jahr mit 4,2 Prozent weniger stark ins Gewicht als der im Mai erwartete Rückgang von 7,8 Prozent. Dazu weisen Importe und Exporte ein sattes Plus auf. Eine Rückkehr zu positiven Wachstumsraten soll ab 2024 mit über 4 Prozent möglich sein. Auch die Inflation erreicht in diesem Jahr mit 13,4 Prozent den Höhepunkt und pendelt sich ab nächstem Jahr von 5 auf 4 Prozent BIS 2025 ein.

Auffällig in den Prognosen zum russischen Öl- und Gassektor ist, dass das Wirtschaftsministerium den Gasexportpreis deutlich nach oben korrigiert hat und dieser sich jetzt mit 730 Dollar je 1000 m3 Gas mehr als verdoppeln soll. Im letzten Jahr lag der Gasexportpreis bei rund 305 Dollar je 1000 m3 Gas. Ein Sinken des hohen Preisniveaus auf unter 400 Dollar je 1000 m3 Gas erwartet das Wirtschaftsministerium ab 2024 (siehe Tabelle). Hier die Prognose des russischen Wirtschaftsministeriums zum russischen Öl- und Gassektor:

Prognosen über Ölpreis und Gaspreis und andere Daten Quelle: MMI-Kanal. Analyse russischer und weltweiter Makrostatistiken und Unternehmensberichterstattung auf Telegramm

Gazprom droht Europa

Terminkontrakte für die Lieferung von Gas im September lagen am europäischen Hub TTF zuletzt bei 245,5 Euro je MWh. Knapp 395 Euro könnten es werden, wenn die Drohung von Gazprom, dass ein Anstieg auf 4000 Dollar je 1000 m3 Gas erfolgt, tatsächlich eintritt. 72 Euro (730 Dollar je 1000 m3) für Pipeline-Gas aus Russland nehmen sich dagegen wie ein Sonderangebot aus, auch wenn das im letzten Jahr mit 30 Euro (304,6 Dollar je 1000 m3) mehr als die Hälfte weniger waren.

Der Ruf nach russischem Gas scheint da fast natürlich auf den Plan zu treten und damit auch die Inbetriebnahme der Gasleitung Nord Stream 2. So betonte etwa der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki deutschen Medien zufolge, dass es „keinen vernünftigen Grund, Nord Stream 2 nicht zu öffnen“, gebe. Wenn Putin dann immer noch nicht mehr Gas liefere, habe Deutschland nichts verloren. „Kommt auf diesem Weg mehr Gas bei uns an, vielleicht sogar die komplette vertraglich zugesicherte Menge, wird das helfen, dass Menschen im Winter nicht frieren müssen und unsere Industrie nicht schweren Schaden nimmt.“ Das sei „jetzt die oberste Pflicht der Bundesregierung“, so Kubicki gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Russische Analysten uneins

Anton Wesennij, Autor des Telegram-Kanals „Lazy Investor“, räumte gegenüber der russischen Investmentgesellschaft Finam am 17. August ein, dass die Marke von 4.000 Dollar noch früher erreicht werde, wenn Russland die Lieferungen vollständig einstellen sollte. Gleichzeitig hält Wesennij es für unwahrscheinlich, dass die Energiekrise in Europa sich zu einer Energiekatastrophe auswachsen könnte. Theoretisch könnte der Preis bei einem sehr kalten Winter und Frühling, einer noch stärkeren Reduzierung der Gaslieferungen aus Russland bis zum Winter und dem Fehlen eines angemessenen Ersatzes für Gas wieder auf 3.500 bis 4.000 Dollar je 1000 m3 steigen, sagte Natalja Miltschakowa, Analystin bei Freedom Finance Global.

„Wenn die Gaspreise bereits auf einem absurden Niveau sind, gibt es keinen großen Unterschied zwischen den Abstufungen der Absurdität. Also ja, 4.000 Dollar sind durchaus real“, sagte Ewgenij Kogan, Investmentbanker und Professor an der russischen Universität Higher School of Economics HSE University. „Aber seltsamerweise muss die Welt gar nicht zusammenbrechen. Klar ist nur, dass der Gasverbrauch stark reduziert wird. Allerdings ist er bereits deutlich gesunken. Lange Zeit leiden Chemiker und Stahlarbeiter“, ergänzte er. Trotz offensichtlicher Lieferprobleme erwarteten die Base-Case-Analysten von Finam keinen nachhaltigen Anstieg der Gaspreise über ihre März-Höchststände hinaus. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Preise bei 4.000 Dollar pro 1.000 m3 liegen werden“, erklärte Sergej Kaufman, Analyst bei Finam.

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China kann nicht helfen

Wesennij und die Analysten von Finam äußerten, dass China die europäische Schlüsselposition beim Gasexport in den nächsten 2-4 Jahren nicht ersetzen kann. Es sei kein Zufall, dass Gazprom das Volumen der Lieferungen nach China nicht veröffentliche und sich auf allgemeine Phrasen beschränke, sagten die Experten. Dazu trage der Vertrauensverlust der Investoren in die Dividendenpolitik von Gazprom nicht zum Optimismus bei, meinte Wesennij. Auch bei Höhenflügen der Gaspreise werde die Position von Gazprom in Frage gestellt, wenn sich der Trend zur Reduzierung der Exporte fortsetze. Der Markt dulde keine Leere.

Inwieweit das russische Wirtschaftsministerium mit den Prognosen richtig liegt, sei dahingestellt. Klar sollte sein, dass die Sanktionen sich auf die Wirtschaft weniger auswirken als noch vor Monaten gedacht. Inflation, BIP und hohe Energieeinnahmen sollen für Konsolidierung und Krisenstärke sprechen. Zugleich sehen die Finam-Analysten die gestiegenen Gaspreise der verbleibenden Liefermengen in die EU als „Abgesang“ von Gazprom auf dem historisch wichtigen Markt und empfehlen daher nicht, Aktien des Gasriesen zu kaufen.



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3 Kommentare

  1. Wenn ich mir hier aus Andalusien so ansehe, was da seit Monaten für Diskussionen in Deutschland ablaufen, welche hauptsächlich als ideologisch eingefärbten Diskussionen geführt werden, und welche Maßnahmen getroffen werden, dann kommen ich zu dem Ergebnis:
    Es findet ein Freilandversuch dahingehend statt, was passiert, wenn einer Industrienation langsam die Lebensader Energie abgedreht wird, die Menschen auf Enegiemangel im Winter vorbereitet werden, ihnen durch Inflation in einem Jahr hunderte von Milliarden Sparvermögen entwertet werden, Millionen Menschen das Geld für eine vernünftige Ernährung fehlt, und zusätzliche Energiekosten von etwa einem Monatseinkommen auf sie zukommen, und einige Dinge mehr.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Pingback: Aktuelle Meldungen und Nachrichten vom 21. August 2022 | das-bewegt-die-welt.de

  3. Schade das ich kein eigenen gssspeicher mit 50 Jahren Inhalt habe. Dann würde ich jetzt nichts bezahlen und hätte trotzdem Gas

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