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Wirecard: Shortseller geben nicht auf

Das Tauziehen um den Finanzdienstleister Wirecard zwischen Großanlegern, die an die Wachstumsstory eines unserer Highflyer der letzen Dekade glauben und den Spekulanten, die mittlerweile auf einen deutlichen Einbruch setzen – den Leerverkäufern. Auch wenn jetzt das große Augenmerk auf die Vorkommnisse um den Coronavirus, der US-Berichtssaison und der Fed-Entscheidung gerichtet ist, spitzt sich in unserem Leitindex eine Situation zu, die in unserer hiesigen Aktienkultur schon ungewöhnlich ist.

Der große Kursanstieg des Jahres bei Wirecard

Ein Anstieg eines Dax-Wertes um 27 Prozent innerhalb von nur drei Wochen und das ohne überraschende Unternehmenszahlen? Dies kann eigentlich nur die Folge von Eindeckungen derer sein, die auf fallende Kurse gesetzt haben, dachte man. Die aktuellen Zahlen des Datendienstleisters S3 zeigen, dass dies nur ein kleiner Teil der Ursache war. Die Zahl der ausstehenden geliehenen Aktien ist nur um eine halbe Million zurückgegangen, auf 24,3 Millionen Papiere oder 21,1 Prozent des Free Floats in einem Wert von 3,3 Milliarden Euro. Die Leerverkäufer haben also noch nicht aufgegeben, auch wenn sie auf einem Verlust von 700 Millionen Euro seit Jahresanfang sitzen. Was war es dann, was den großen Kursanstieg verursacht hat?

Die aktuelle Aktionärssstruktur bei Wirecard

Es sind Großinvestoren, die von der Unternehmensstory überzeugt sind und die in Summa ihr Engagement verstärkt haben. Die derzeitige Quote (Stand 28.1.):

Goldman Sachs 13,40 Prozent

Morgan Stanley 10,38 Prozent

CEO Braun 7,95 Prozent

DWS Investments 5,95 Prozent

BlackRock 5,40 Prozent

Bank of America 5,13 Prozent

Citigroup 4,93 Prozent

Union Investments 4,22 Prozent

Artisan Partners 3,18 Prozent

Damit befinden sich schon über 60 Prozent der Aktien in festen Händen, 21 Prozent sind leerverkauft und müssen am Markt zurückgekauft werden. Und was ist mit den ETFs, die den Dax nachbilden und die vielen Kleinanleger, die die Aktie im Depot haben? Ein unglaublicher Engpass könnte sich abzeichnen. In den letzten Jahren hat Wirecard schon Ende Januar die vorläufigen Zahlen für das letzte Geschäftsjahr abgeliefert. Was ist, wenn sich die Zahlen bestätigen, die vom Vorstand Markus Braun in der letzten Zeit immer optimistischer angekündigt wurden?

Damit stellt sich die Frage: Kommt es bald zur großen Short-Squeeze? Wie weit muss der Kurs steigen, bis es zu erzwungenen Käufen kommt?

Dass es bereits zu einer Bekanntgabe des Ergebnisses durch die Sonderprüfung durch KPMG kommt, ist derzeit nicht zu erwarten, der Langzeit-Auftrag dürfte gut honoriert werden. Aber die Geschäftszahlen könnten jederzeit eintrudeln, wenngleich mir kein fester Termin bekannt ist. Irgendwie typisch für Wirecard.

Fazit

Wer bekommt also recht? Die großen US-Banken, die Fondsgesellschaften oder vorwiegend angelsächsische Hedgefonds, die an die immer wieder aufgewärmten Stories der britischen Finanzzeitung FT glauben. Die Lage spitzt sich weiter zu, weil der Free Float der Wirecard-Aktien weiter abnimmt durch den Einstieg weiterer Investoren und die wöchentlichen Aktienrückkäufe des Unternehmens aus Aschheim bei München.

Was mir in diesem Zusammenhang einfach unverständlich ist, ist die Tatsache, dass es sich bei den Vorwürfen um alte Geschichten aus den Jahren 2016/17 handelt. Börse bewertet Zukunft und da ist noch kein Großkunde von Wirecard abgesprungen. Die Deutsche Bank hat im letzten Jahrzehnt zahlreiche Manipulationsvorwürfe mit über 20 Milliarden Euro an Strafzahlungen eingestehen müssen, bei über 7000 Rechtsstreitigkeiten. Wieso ist diese Bank mit einer solchen Vergangenheit überhaupt noch auf den Kurszetteln? Nicht dass ich eventuelle Machenschaften bei Wirecard in irgendeiner Weise rechtfertigen würde, aber seltsam ist diese Angelegenheit schon.

Und riskant, vor allem für Shortseller, sollte bei Nacht und Nebel eine Entwarnung kommen. Die Tür, aus der man ins Freie muss, wird von Tag zu Tag schmaler.

 

Leerverkäufer leben gefährlich bei Wirecard

Firmenzentrale in München. Foto: Kaethe17 CC BY-SA 4.0 – Ausschnitt aus Originalfoto

 

 



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