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Wirecard-Skandal: Das Fazit wird lauten „Ich war nicht zuständig“

Die drei Affen der Ignoranz - perfektes Sinnbild für den Wirecard-Skandal

Der folgende Text ist eine rein persönliche Meinung. Es ist auch keine rechtliche Bewertung. Aber basierend auf allgemeinen Erfahrungswerten wie sich gewisse Sachverhalte entwickeln, dem gesunden Menschenverstand und dem, was die letzten Wochen schon gesagt wurde, kann man jetzt schon vorhersagen, wie der Wirecard-Skandal für die Politik und die Finanzaufseher und EY ausgehen wird. Der Standard-Spruch lautet schon jetzt „Ich war nicht zuständig“. Und so wird die Affäre auch politisch abgewickelt werden.

Politiker sind keine Polizisten oder Staatsanwälte, fertig aus

Wer das folgende Video zwischen den Minuten 23 und 38 anschaut (Bundespressekonferenz von vorgestern), der erahnt schon mal recht konkret, was auf politischer Ebene dabei rauskommt. Nämlich nichts. Es gab mehrere Lobbyisten-Vorsprech-Termine im Kanzleramt. Aber alles normal, im Rahmen normaler Abläufe. Nichts besonderes. Und von irgendwelchen Unregelmäßigkeiten wusste man auch nichts. Die Kanzlerin erfuhr auch erst Ende Juni von der Insolvenz von Wirecard (Anmeldung am 25. Juni). Was soll man der Kanzlerin oder Herrn Scholz auch vorwerfen?

Sind die beiden Bilanzprüfer oder Kriminalpolizisten, oder gar Staatsanwälte? Nein, sind sie nicht! Ein Dax-Konzern geht pleite, den man gerne hofiert hat. Warum hat man ihn hofiert? Wir alle wissen es. Endlich mal wieder ein Tech-Konzern aus Deutschland, der (abgesehen von SAP) global Beachtung findet. Auch schon Helmut Kohl sonnte sich damals mit dem dynamischen Jungspund und späteren Pleite-Unternehmer Lars Windhorst, der heute bei Hertha BSC den großen Investor gibt. Nicht anders wird es bei Wirecard gewesen sein. Deutschland hat kein Facebook, kein Google, kein Amazon, kein gar nichts. Und SAP arbeitet schon seit Menschengedenken als erfolgreicher Softwarehersteller. Danach gab es aber wirklich gar nichts von Weltrang. Da kam Wirecard gerade recht, um sich gut zu fühlen, dass am Technologiestandort Deutschland was tut. Dabei bot das Unternehmen gar keine Technologie, sondern Zahlungsabwicklung, verpackt als Tech-Konzern.

Die BaFin war nicht zuständig für Wirecard

Tja, aber da ist ja die BaFin, der große oberste Finanzaufseher für Banken, Versicherungen und Wertpapiergeschäfte. Ein zahnloser Papiertiger, wie man es in Frankfurt hinter vorgehaltener Hand sagt. So sagte BaFin-Präsident Felix Hufeld unlängst, das man nicht zuständig gewesen sei in Sachen Wirecard-Skandal. Auch wenn sein Chef Olaf Scholz offenkundig die BaFin aufmotzen und ihr „mehr Macht“ geben will. Dem Wirecard-Anleger bringt das nichts mehr. Und für die Zukunft? Solange an der Spitze so einer Behörde oder von derem Chef (Olaf Scholz und seinen Staatssekretären) keine Ermittler-Mentalität vorgelebt wird, bleibt die BaFin eine Verwaltungsanstalt. Die BaFin hat es sich bei Wirecard recht einfach gemacht. Da die Buzze ja ein „Technologie-Anbieter“ war, und nur die Wirecard-Bank als Tochtergesellschaft in die BaFin-Zuständigkeit fiel, konnte man ja auch „nur“ diese Tochter prüfen. Aber so hatte man eben keinen Gesamtüberblick über alle Vorgänge. Und man wollte nicht so genau hinschauen? Schließlich gab es endlich mal einen neuen Tech-Konzern im Dax! Wer lässt sich da nicht gerne berauschen?

Und die Wirtschaftsprüfer

Und dann wären da ja noch die Wirtschaftsprüfer von EY. Wozu gibt es Wirtschaftsprüfer eigentlich, kann man sich immer wieder fragen. Denn im Wirecard-Skandal schlägt man erst Alarm, obwohl das Kind schon vor Jahren in den Brunnen gefallen ist. EY gab zwar für 2019 kein Testat, sehr wohl aber für die Vorjahre, wo es offenbar auch schon Bilanzfälschungen gab. Tja, und wie sieht es mit der Haftung aus? Kann sich der geschädigte Wirecard-Anleger vielleicht von EY seine Kursverluste erstatten lassen? Denn wer das Testat gibt, und die Fälschungen nicht sieht, ist zuständig? Wir vermuten: Wenn man gefälschte Unterlagen erhält, kann man auch nur die gefälschten Dokumente testieren, und ist als Wirtschaftsprüfer somit auch nur ein Opfer? Aber egal wie man es sieht. Zu holen ist bei EY für den deutschen Aktien-Michel wohl eh nichts. Denn EY Vorsatz nachzuweisen, also ein wissentliches Falsch-Testat, wird wohl vor einem deutschen Gericht kaum gelingen. Aber da bliebe ja noch die Fahrlässigkeit? Zu früh gefreut. Denn bei Fahrlässigkeit eines Wirtschaftsprüfers ist seine Haftung nach § 323 des Handelsgesetzbuch (HGB) auf maximal vier Millionen Euro begrenzt. Prost Mahlzeit!

Und was lernen wir daraus?

Am Ende wird dem geschädigten Wirecard-Aktionär nur bleiben: In den Keller gehen, die Tür hinter sich schließen, und 10 Minuten lang laut schreien. Und für die Zukunft, was lernt man daraus? Für den Anleger ist kein Verlass auf BaFin, Wirtschaftsprüfer, Hochglanzprospekte, angeblich engagierte Politiker etc. Denn im Schadensfall haftet niemand. Denn niemand ist wirklich zuständig. Was bleibt? Einfach den gesunden Menschenverstand einschalten. Zum Beispiel, bei solchen Erfolgsstories: Warum kann ein Anbieter mit dem exakt selben Geschäftsmodell deutlich erfolgreicher sein als seine Konkurrenten? Kann diese Frage nicht transparent geklärt werden, Hände weg von der Aktie, von der Nachranganleihe, von dem Investment.



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8 Kommentare

  1. Gut, dass Sie das mal so deutlich zu Papier bringen! Genauso ist es nämlich.

  2. Moin, moin,

    es ist, wie es schon immer war. Der Anleger ist der Dumme, der Politiker und Verwaltungsbeamte wie gewohnt nicht zuständig. Aber hat der Anleger nicht selbst schuld? Wer hat die Regierung gewählt? Wer ist für den Einsatz der Verwaltungsbeamten zuständig? Ist es nicht der Anleger, der auch mit seiner Wahlstimme zu den bekannten Problemen beiträgt?

    Die Story um Wirecard wird die Story der BRD und EU in naher Zukunft werden. Alles nach Wirecard Vorlage. Niemand hat Fehler gemacht, von nichts gewußt oder die entscheidenenden Herrschaften sind nicht mehr auf dieser Welt. So einfach geht es. Überrascht?

    Fazit: Man muss bzw. sollte m.E. als Aktionär (nicht Trader) von den Dingen, in die man investiert Ahnung haben und sich nicht auf Politiker, BaFin, Wirtschaftsprüfer etc. verlassen. Jeder ist sich selbst der Nächste. Vorallem der Mix macht es. Bischen hiervon, bischen davon. Nicht anders als Leute, die Vermieter sind. Nicht alle Eier in einen Korb. Ein Restrisiko wird immer bleiben, aber das reale Leben ist auch ein Risikio. That’s it.

  3. Dieses ganze Schmierentheater erinnert irgendwie an den Hauptmann von Köpenick… ;-)

  4. Es kommt mir vor wie die Dopingaffären beim Sport. Die Trickser u.Sportärzte sind den Kontrolleuren immer überlegen u. oft greift der Staat zuwenig ein weil man den Erfolg um jeden Preis will.Leider ist das Tricksen mit Bilanzen u.das Manipulieren der Börsenkurse mit Optionen im Moment das erfolgreichste Geschäftsmodell. Neben der Kritik an den überforderten Kontrolleuren könnte man auch fragen wie ein Jim Cramer mit gefühlten 100 Jahren Börsenerfahrung letzte Woche eine Tesla zum Kauf empfehlen konnte?
    Fazit: Die Leute wollen belogen u.beschissen werden. Realistische Warner u.Mahner werden nicht geliebt.

    1. Sie verlangen zu viel. Die Mehrzahl der Politiker hat doch noch nie im wahren Wirtschaftsleben ihr Geld verdienen müssen. Viele sind Abbrecher von irgendetwas und die anderen sind Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst gewesen. Haben also noch nie Verantwortung für ihr Handeln und Tun tragen müssen! Da die Verblödung des Volkes mittlerweile fast zu 100% abgeschlossen ist, habe ich da keine Hoffnung mehr!

    2. @ Tricksi. Sie sagen es, der immerwährende Kampf zwischen Hase und Igel.
      Leider ist das Thema keine Erfindung der Neuzeit, auch wenn manch Junger den Eindruck hat.
      Im Vorwort zum bereits 1991 erschienenen Buch von Brigitte Berendonk (Doping Dokumente: Von der Forschung zum Betrug) einer ehemaligen Diskuswerferin, verheiratet mit Professor Werner Franke, einem Professor für Zell- und Molekularbiologie, zugleich international anerkannten Dopinggegner, heißt es im Vorwort:
      „Mundus vult decipi, ergo decipiatur“ – ein altes lateinisches Sprichwort – „Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen sein!“
      Grüße

  5. Ich kann dass durchaus alles nachvollziehen und auch Verständnis dafür aufbringen, aber nach meiner Auffassung kann die BaFin nicht belangt werden, auch wenn einige Anwälte und Anleger das gerne hätten. Wie im Artikel richtig ausgeführt, der entscheidende Punkt ist die Einstufung von Wirecard als Technologieunternehmen. Ein Technologieunternehmen ist formal rechtlich keine Bank und allein schon deswegen ist die BaFin fachlich gar nicht zuständig. Bei der Wirecard Bank ist das eine andere Geschichte, aber die ist ja nicht Gegenstand der Betrügereien.
    Das mit dem Leerverkaufsverbot ist aber auch eine andere Baustelle als die Bilanzfälschungen, was vielen nicht wirklich klar ist.

    Für EY könnte die ganze Sache schon schlimmer ausgehen, denn die müssen sich fragen lassen was sie da eigentlich getan haben. Zudem wirft das natürlich die Frage auf, ob die vorangegangen Abschlüsse auch alle gefälscht sind, und ob EY absichtlich darüber hinweg gesehen hat. Aber die Klagen gegen die BaFin sind aus meiner Sicht aussichtslos.

    Der Wirecard Skandal hat auch offengelegt das die Thematik Fintech und Regulierung wieder angegangen werden muss. Dann muss man die Gesetze so abändern, dass Fintech Unternehmen grundsätzlich eine Banklizenz brauchen, dann fallen sie auch unter die entsprechende Aufsicht.

  6. »In den Keller gehen, die Tür hinter sich schließen, und 10 Minuten lang laut schreien.«
    Jetzt weiß ich wenigstens, das ich doch nicht verrückt (und alleine damit) bin. :-D

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