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Wirtschaft und Inflation USA: Der Konsum – das Zünglein an der Waage

Wie lange ist der US-Konsument in der Lage, gegen die steigenden Kosten anzukämpfen

Wirtschaft Konsum Inflation USA

Inflation, Inflation – zweifelsohne das dominierende Thema an den Märkten, nicht nur in den USA – dort spürt Amtsinhaber Biden wenige Monate vor den Midterm Elections mächtigen Gegenwind für seine Wahlvorhaben, weil der Konsum einzubrechen droht. Weil die Inflation eben ganz besonders die einfachen Wählerschichten trifft, eine große Gruppe von Wählern der demokratischen Partei. Gefahr im Verzuge also im Weißen Haus, will der US-Präsident nicht schon nach zwei Amtsjahren zur „Lame Duck“ werden.

Die Bekämpfung der Inflation hat vorerst top priority (das hat Fed-Chef Powell gestern erneut klar gemacht), aber mittel- und langfristig gibt es in den USA aber noch einen dominanteren Wirtschaftsfaktor. Konsum, Konsum – und damit die Stärke des US-Verbrauchers, im Land der Eine-Milliarde-Kreditkarten, wo geshoppt wird, „bis der Arzt kommt.“

68 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der größten Volkswirtschaft der Welt wird von den eigenen Konsumenten erzeugt, in etwa die gewaltige Summe von 16 Billionen Dollar (das ist mehr als das BIP Chinas). Und jetzt gab es in den gegenwärtig schwierigen Zeiten neue Zahlen zu diesem Wirtschaftsfaktor.

Konsum und Inflation in den USA

Die gestrigen Daten zum Konsum in den USA waren ziemlich verwirrend, denn zunächst enttäuschte der größte Einzelhändler der USA, Walmart, mit seinen Zahlen, weil der Umsatz zwar gestiegen war, der Gewinn aber gesunken. Weil die Inflation eben doch auf die Marge drückt, durch höhere Transportkosten, die Nahrungsmittelinflation und steigende Lohnkosten. Die Folge: ein saftiges, zweistelliges Minus an der Börse (größter Tagesverlust seit der Finanzkrise). Anders hingegen der Baumarktriese Home Depot, der der Inflation trotzen konnte und deshalb sogar seine Jahresaussichten deutlich anhob.

Dann die sehr beachtete Einzelhandelsstatistik des Census Bureau’s aus dem US-Handelsministerium, die, wie erwartet mit plus 0,9 Prozent auf Monatssicht veröffentlicht wurde. Im Vergleich zu April 2021 war es ein Plus von 8,2 Prozent. Die Grafik von Advisor Perspectives mit den Konsumschwankungen der letzten drei Jahrzehnte zeigt den großen Rückgang aus dem Corona-Boom, wo Helikopterschecks von 1,3 Billionen Dollar eine Sonderkonjunktur erzeugt hatten. Noch ein Stück entfernt vom Niveau, was üblicherweise zur Rezession führt:

Retail Sales Langfristchart Konsum USA und Inflation

Die eigentliche Frage ist zukunftsgerichtet und lautet: Wie lange ist der US-Konsument in der Lage, gegen die steigenden Kosten anzukämpfen, durch höhere Aufnahme von Krediten und Abbau der Sparrate?

Die private Schuldenaufnahme steigt deutlich, wie die Übersicht von Charlie Bilello zeigt, auf 7,3 Prozent im Jahresvergleich und dies bei stark gestiegenen Zinsen:

US-Kredite und Konsum

Spiegelbildlich ist die Sparrate mit 6,3 Prozent gerade auf das niedrigste Niveau seit 2013 abgesunken, die Stimulus-Schecks verlieren ihre Wirkung.

Am gestrigen Tag kamen noch gute Daten zur Industrieproduktion, die das Inflationsgespenst etwas weiter vertrieben. Die US-Industrie hat ihre Produktion im April weiter steigern können. Die gesamte Herstellung lag 1,1 Prozent höher als im Vormonat, wie von der US-Notenbank am Dienstag mitgeteilt. Die Analystenschätzungen lagen bei plus 0,5 Prozent.

Betrachtet man die vier Indikatoren der US-Wirtschaft seit dem Corona-Einbruch, so sieht man die Erholung der Wirtschaft, aber ganz besonders die nach oben geschnellten Einzelhandelsumsätze (Retail Sales), nach dem ersten Rettungspaket von Donald Trump:

Big Four Indicators - Konusm in USA

Im Nachhinein betrachtet waren Stimuli und Notenbankmaßnahmen viel zu groß (9 Billionen Dollar) und vor allem zu langfristig, ein Teil der US-Inflation und des heiß gelaufenen Arbeitsmarktes ist sicherlich darauf zurückzuführen.

Aber gleichzeitig wird deutlich, wie wichtig jede US-Regierung den Konsum nimmt. Wer hätte sich vor 2020 vorstellen können, dass eine republikanische Regierung Helikoptergeld in Höhe von mehr als einer Billion Dollar an das Volk verteilt?

Aber bei einem Zweidrittel-Anteil am BIP ist die konjunkturelle Kausalkette bei einer deutlichen Konsumabschwächung unschwer zu konstruieren:

Fallender Konsum bedeutet fallende Unternehmensgewinne, fallende Steuereinnahmen und steigende Arbeitslosenzahlen – dadurch wiederum geringerer Konsum und fallendes Wirtschaftswachstum mit der Folge einer Rezession. Davor kommt regelmäßig ein fallender Aktienmarkt, Wirtschaft und Aktien fallen in der Regel zeitversetzt.

Wovor fürchtet sich eine Regierung mehr? Vor Inflation oder vor Rezession? Der große Spagat für die Federal Reserve.

Fazit

Auch wenn es viele Frühindikatoren gibt, die auf einen deutlichen Abschwung der Wirtschaft hindeuten, so ist dies in dem so essenziellen Konsum in den USA noch nicht feststellbar. Auch ist die Industrieproduktion im letzten Monat weiter gestiegen. Dies alles sind aber Daten der Vergangenheit, ein Blick in den Rückspiegel.

Wenn sich die Inflation weiter in die Budgets der Haushalte hineinfrisst, wenn die Kreditaufnahme erschöpft ist, die Sparrate am Boden liegt, was dann? Die Börse vollzieht gerade eine Bärenmarktrally aufgrund eines sensationell „ausgebombten“ Aktienmarktes. Auch hat die Umfrage der Bank of America ungewöhnliche Extremata in der konjunkturellen Einschätzung und der „bearishen“ Positionierung der großen Vermögensverwalter ergeben, so dass eine Fortsetzung der Zwischenerholung alles andere als eine Überraschung wäre.

Die Börsen, beziehungsweise die Anleger, sind äußerst hin- und hergerissen, zwischen Konjunkturängsten, aber auch auf der Jagd nach Schnäppchen bei den teilweise extrem gefallenen Titeln – schon wieder eine Art von FOMO, Fear of Missing out, aktuell die Zwischenrallye zu verpassen?

Aber so ist es eben typisch für Bärenmärkte, urplötzlich gibt es heftige Rallyes, es keimt Hoffnung auf, die dann wieder in sich zusammen fällt!

Aktuell ist es der Glaube an die Möglichkeit einer US-Konjunktur, die vor der Rezession gerade noch die Kurve kriegt. Trotz einer Fed, die in den nächsten Monaten so richtig auf das monetäre Bremspedal tritt. Wie oft müssen Notenbanker eigentlich noch betonen, dass die Inflationsbekämpfung top priority ist? Sollte es noch Großinvestoren geben, die dies noch anzweifeln?

Zurück zur sich abschwächenden Wirtschaft: Eigentlich ein Szenario, was sehr beliebt ist bei großen Aktieninvestoren, denen eine moderat laufende Konjunktur lieber ist, als ein Überschießen der Wirtschaft, weil dann die Notenbank mit der Zinskeule deutlich weniger herumschwenkt.

Wobei damit wohl das Thema der nächsten Monate angesprochen ist: Soft(ish) Landing or Recession?



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3 Kommentare

  1. Interessanter Beitrag – vielen Dank.

  2. Perpetuum rückwärts

    Nicht zu vergessen: Die stark und schnell gestiegenen Zinsen entfalten ihre Wirkung erst mit Verzögerung:
    Auslaufende Firmenkredite werden die Zombis sehr schmerzen. Laufende Hausbauten laufen noch mit tiefen Zinsen, neue Projekte werden absacken und die Bauindustrie stark treffen.Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen mit Krediten werden ausgebremst.
    Das erstmalige Experiment das das dekadente Perpetuum Mobile angetrieben hat wird rückabgewickelt werden.

  3. Pingback: Aktuelles vom 20.05.2022 | das-bewegt-die-welt.de

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