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Zeitlicher Zufall? Glück? Athen lag im richtigen Zeitpunkt mit seiner BIP-Schätzung brutal daneben

Das geht heute völlig unter in der breiten Medienlandschaft. Das griechische Statistikamt "Elstat" hat heute eine zunächst recht nüchterne Statistik-Veröffentlichung zum Bruttoinlandsprodukt...

FMW-Redaktion

Das geht heute völlig unter in der breiten Medienlandschaft. Das griechische Statistikamt „Elstat“ hat heute eine zunächst recht nüchterne Statistik-Veröffentlichung zum Bruttoinlandsprodukt gemacht. Alle Staaten veröffentlichen stets zu wichtigen volkswirtschaftlichen Parametern (BIP, Inflation etc) Schnellschätzungen vorab, und einige Tage später dann die exakten Zahlen. So auch Griechenland. Da mag es in diesem Fall ein mehr als großer Zufall sein, dass gerade während der Schnellschätzung am 14. Februar die Troika nach Athen zurückkehrte, und die Diskussion in Europa über die Auszahlung einer neuen Rettungstranche für Athen auf einem Höhepunkt war?

Da machte es sich doch sicher glänzend, dass Athen am 14. Februar ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Vorabschätzung präsentierte, das im Jahresvergleich vom 4. Quartal 2015 auf das 4. Quartal 2016 um 0,3% gewachsen ist. Wie man heute verkündet, ist das BIP in diesem Zeitraum tatsächlich um 1,1% geschrumpft. Tja, da kann man sich mal „geringfügig“ verschätzen? Wir meinen dazu: Seien es auch nur +0,3%: Hauptsache ein Plus, das ist psychologisch extrem wichtig in der Außendarstellung – sei es auch noch so klein, Zuwachs ist Zuwachs. Die saisonal nicht angepassten BIP-Daten sehen im Großen und Ganzen genau so aus. Vorher kleines Plus, jetzt dickes Minus. Wie gesagt, die Zahlen vom 14. Februar waren ja nur Schätzungen, und die können natürlich ungenau sein. Aber so grob daneben zu liegen, gerade zu diesem Zeitpunkt – das hat schon mehr als ein Geschmäckle. „Elstat“ sagt dazu, dass zum Zeitpunkt der Schätzung eben noch nicht alle Daten vorlagen.

Elstat im Original-Wortlaut:


• The available seasonally adjusted data indicate that in the 4th quarter of 2016 the Gross Domestic Product (GDP) in volume terms decreased by 1.2% in comparison with the 3rd quarter of 2016, against the decrease of 0.4% that was announced for the flash estimate of the 4th quarter on February 14, 2017. In comparison with the 4th quarter of 2015, it decreased by 1.1% against the increase of 0.3% that was announced for the flash estimate of the 4th quarter. (Table 1)

• The available non-seasonally adjusted data indicate that in the 4th quarter of 2016 the Gross Domestic Product (GDP) in volume2 terms decreased by 1.4% in comparison with the 4th quarter of 2015 against the increase of 0.2% that was announced for the flash estimate of the 4th quarter. (Table 2)

• These differences are on account of incorporating new data, not available at the time of the flash estimate. These data are either monthly data (for example Balance of Payments data for December) or quarterly data (for example turnover indices for the service industries, and labour force survey data).


Eine Woche nach Veröffentlichung der vorläufigen Daten vom 14. Februar saß IWF-Chefin Lagarde bei den Tagesthemen und sagte, dass es jetzt nicht mehr nötig sei, dass Griechenland einen großen Schuldenerlass nötig hätte. Da wird so eine „rein zufällig“ grob falsch geschätzte Zahl ein wenig geholfen haben? Aber nein, jetzt mal ernsthaft… wir wollen niemandem etwas unterstellen. Heute kamen ja die tatsächlichen endgültigen Zahlen raus. Der aktuelle Prozess für die Weiterbewilligung der nächsten Tranche läuft noch, aber so ein kleines nettes BIP-Plus mag geholfen haben Mitte Februar, wo die Stimmung mal wieder aufgeheizt war. Die Grafik unten zeigt den BIP-Verlauf Griechenlands seit 2007. Hätte man die Grafik Mitte Februar angeschaut mit den vorläufigen Daten, gäbe es ganz am Ende keinen Absacker ins Minus.

Kleine Anmerkung am Rande: Vor Kurzem sagte Alexis Tsipras im Athener Parlament, dass alle Menschen (also alle Menschen in Griechenland) sorgsam mit dem Land umgehen müssten, das ausgeplündert wurde, und dessen Volk weiterhin so große Opfer im Namen Europas bringe. Mit „Ausplündern“ meint er wohl kaum die immense Steuerhinterziehung im eigenen Land vor allem durch die Superreichen. Hat Tsipras dagegen etwas getan? Die Antwort erübrigt sich wohl. Und wenn er mit Ausplündern die EU-Freunde meint: Wie kann man jemanden ausplündern, in dem man ihm ständig neues Geld überweist? Er hätte es vielleicht anders formulieren können. Der gute Mann hat sich leider in seine Opferrolle begeben. Aber strukturelle Reformen anzupacken, das war bei Tsipras´ Wahlkampf eh nicht Teil seiner Agenda.

Grafik + Daten: Elstat



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3 Kommentare

  1. Wer wird denn da so pingelig sein! Da müssen nur die Jungs von Goldman Sachs an die Bücher ran, und dann stimmen die Zahlen wieder!

    1. Ja, ein guter Buchhalter ist allemal sein Geld wert. Da wurde an der falschen Stelle gespart.
      Wäre sehr interessant zu wissen was wäre, wenn man den Varoufakis hätte machen lassen.

  2. Selbst wenn die Zahlen zum 14.Februar bewusst schön gerechnet wurden: Was soll das für einen Zweck haben, wenn das Geld eh noch nicht geflossen ist und die schlechten Zahlen jetzt aber doch bekannt sind?

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