Am 12. Dezember wird die Europäische Zentralbank wieder über die Zinsen entscheiden. Im Vorfeld der Sitzung ist eine heiße Debatte darüber entbrannt, ob die EZB eine großen Zinssenkung um 50 Basispunkte in Erwägung ziehen sollte (Einlagensatz aktuell 3,25 %). Neueste Konjunkturdaten haben gezeigt, dass die Wirtschaft im Euroraum kaum Anzeichen einer Erholung zeigt und bestenfalls stagniert. Während sich einige EZB-Ratsmitgleider aus dem Süden, wie Mario Centeno, bereits für einen großen Zinsschritt ausgesprochen haben, halten andere dies für verfrüht.
Zinsen: EZB vor großem Zinsschritt?
Wie Bloomberg berichtet, gehen die Meinungen unter den Ratsmitgliedern der Europäischen Zentralbank über den weiteren geldpolitischen Kurs allmählich auseinander, da das Inflationsziel der Institution von 2 % in greifbare Nähe rückt.
Während sich die politischen Entscheidungsträger in Washington zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds versammeln, sprechen einige Notenbanker aus em Tauben-Lager offen über die Notwendigkeit stärkerer Zinssenkungen, während ihre falkenhaften Kollegen zur Vorsicht mahnen. Auch sie betonen, dass die hohen Zinsen die Wirtschaft nicht länger als nötig einschränken sollten, behaupten aber, dass der Kampf gegen den erhöhten Preisdruck noch nicht gewonnen ist.
Letzte Woche senkte die EZB die Zinsen zum dritten Mal in diesem Jahr und brachte den Leitzins für Einlagen auf 3,25 %. Ökonomen und Händler rechnen mit weiteren Senkungen in den kommenden Monaten.
Debatte über großen Zinsschritt
Für eine Debatte um weiter sinkende EZB-Zinsen um einen halben Prozentpunkt im Dezember ist es nach Ansicht des belgischen Zentralbankchefs noch zu früh.
Die Wirtschaft des Euroraums zeige zwar Anzeichen einer Abschwächung, sagte Pierre Wunsch im Interview mit Bloomberg TV. Die Europäische Zentralbank müsse erst einmal aber weitere Inflationsdaten abwarten und beobachten, wie sich die Wirtschaft entwickle. Erst dann ließen sich Schlussfolgerungen ziehen.
“Ich sehe nicht ein, warum wir im Dezember eine Diskussion über 50 Basispunkte führen sollten”, sagte Wunsch, der im EZB-Rat zu den Falken zählt. “Ich halte das für wirklich verfrüht.”
Er fügte hinzu: “Ich würde es ehrlich gesagt nicht überdramatisieren, wenn die Inflationrate auf 1,8% oder 1,7% zurückgeht, schließlich lagen wir einige Zeit weit über 2%”, sagte Wunsch.
“Niedrige importierte Teuerung ist ein völlig anderes Szenario als eine Binneninflation, die nahe am oder unter dem Zielwert liegt – was heute nicht der Fall ist”, führte er aus.
Geteilte Meinungen
EZB-Rat Mario Centeno sagte am Dienstag in einem Interview in Washington: „Die Zentralbanker sollten die Wirtschaft der Eurozone so schnell wie möglich von allen Fesseln befreien, um Ausgaben und Investitionen anzukurbeln, bevor die steigende Arbeitslosigkeit einen Wachstumsaufschwung erschwert. Er fügte ebenfalls an, dass die EZB hinter der Kurve sei und mehr tun müsse.
Die EZB-Präsidentin wollte am Dienstag ebenfalls einen großen Zinsschritt nicht ausschließen. Sie sagte: „Die Richtung der Zinsen der EZB ist klar, aber das Tempo, in dem sie gesenkt werden, muss noch festgelegt werden.
Philip Lane, Mitglied des Direktoriums der EZB:
Es herrscht „große Überzeugung, dass der Desinflationsprozess auf einem guten Weg ist, aber gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Arbeitslosigkeit niedrig bleibt, der Konsum wächst und die Investitionen sich erholen.“
Auch wenn einige der jüngsten Daten Zweifel an den Wachstumsprognosen aufkommen ließen, zeigt die Wirtschaft in der 20-Mitglieder-Region keine Anzeichen einer „dramatischen Abschwächung“.
Joachim Nagel, EZB-Ratsmitglied aus Deutschland:
„Wir sollten nicht zu voreilig sein. Wir werden alle Optionen haben, und diese Optionen basieren auf den Daten, die wir im Dezember haben.“
Francois Villeroy de Galhau, Mitglied des EZB-Rats aus Frankreich:
„Wir sind heute nicht hinter der Kurve, aber Agilität sollte uns davor bewahren, in Zukunft ein solches Risiko einzugehen. Das Risiko, unseren restriktiven Kurs zu spät zu reduzieren, könnte in der Tat größer werden als das Risiko, zu schnell zu handeln.
„Wenn wir im nächsten Jahr dauerhaft eine Inflationsrate von 2 % erreichen und die Wachstumsaussichten in Europa nach wie vor schlecht sind, gibt es keinen Grund für eine weiterhin restriktive Geldpolitik und für Zinsen, die über dem neutralen Zinssatz liegen. Wenn ein Sieg gegen die Inflation in Sicht ist, sollte die Geldpolitik die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung und damit unsere Mitbürger nicht übermäßig oder über einen längeren Zeitraum hinweg einschränken.“
FMW/Bloomberg
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