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Zinsen: Was hat die US-Notenbank mit Rumpelstilzchen zu tun?

Fed-Chef Jerome Powell entscheidet über die Zinsen in den USA

Kaum kann der Finanzmarkt dank der Beruhigung im Handelskrieg und einer verbesserten Chance auf einen Brexit-Deal aufatmen, tauchen am Horizont neue Herausforderungen auf. Aber auch für diese gibt es eine Lösung – nur darf man ihren Namen nicht nennen. Es sind die  Zinsen.

Zinsen – das Phänomen der kommunizierenden Röhren

So ist das im Leben: Des einen Freud ist des anderen Leid. Wie heute in einem Artikel von den Kollegen ausgeführt, verlieren sogenannte „sichere Häfen“ im Zuge der Stimmungsaufhellung an den Börsen an Attraktivität – zumindest kurzfristig. Dieses Phänomen bekommen aktuell auch die Halter von US-Staatsanleihen längerer Laufzeit zu spüren, die noch nicht Teil des Anleihekaufprogramms der US-Notenbank Fed sind. Spiegelbildlich zu den fallenden Kursen steigen die Renditen der Kapitalmarktpapiere und schaffen ein neues, bekanntes Problem.

Zinsen 10 Jahre US-Staatsanleihen

In dem Maße, wie die Zinsen bei den sogenannten Benchmark-Anleihen, also den US-Staatspapieren längerer Laufzeit steigen, gehen auch die Finanzierungskosten für die private Wirtschaft wieder nach oben. Das belastet vor allem den US-Konsumenten.

Schuldentragfähigkeit ist bereits am Anschlag

Die finanziellen Bürden für Studierende, Kreditkartenschuldner, Autokäufer und Häuslebauer in den USA sind ohnehin schon historisch hoch. Steigen dann auch noch die Zinsen, schlägt das sehr schnell zum Beispiel über wegbrechende Umfinanzierungen bei Immobiliendarlehen auf den Konsum durch. In den USA ist das sogenannten Cash Out Refinancing ein beliebtes Mittel, um den privaten Verbrauch zu finanzieren. Dabei wird in Immobilien gebundenes Eigenkapital beliehen, um shoppen zu gehen. Es gibt kaum eine Kreditart, die sensibler und schneller auf sich verändernde Zinsen am langen Ende der Renditekurve reagiert. Da die Lohnsteigerungen in den USA allein nicht einmal ausreichen, um die steigenden Zinskosten der Verbraucher zu decken, ist eine Ausweitung des Konsums nur noch mit ständig steigender Verschuldung möglich. Dabei lasten auf jedem US-Bürger bereits allein 67.000 US$ resultierend aus der Staatsverschuldung. Bezogen auf die Gesamtverschuldung von 74 Billionen US-Dollar muss jeder Amerikaner, vom Säugling bis zum Greis, mittlerweile Kredite in Höhe von 227.700 US$ schultern (US-Total Debt). Jeder Prozentpunkt Anstieg bei den Zinsen bedeutet für die US-Volkswirtschaft rein rechnerisch eine Mehrbelastung in Höhe von 740 Mrd. US-Dollar pro Jahr oder 3,6 Prozent des BIP. Aktuell wächst die US-Ökonomie mit annualisiert 1,8 Prozent.

Wie lange können sich die USA die gute Laune an den Finanzmärkten also noch leisten, im Zuge derer sichere Häfen wie die US-Treasury Bonds abverkauft werden und die langfristigen Zinsen wieder steigen?

Die Lösung heißt: Psst!

Mit ihrem neu aufgelegten Anleihekaufprogramm hat die US-Notenbank zumindest einen Schuldner signifikant entlastet: die US-Bundesregierung. Doch was ist mit der schlummernden BBB-Schuldenbombe bei den Unternehmen und dem für die US-Wirtschaft essenziellen Konsumenten? Dessen Verschuldung ist ebenso prekär und bedarf einer zeitnahen Lösung. Die kann nur darin bestehen, die Zinsen über die gesamte Zinsstrukturkurve abzusenken. Andernfalls verliert die US-Privatwirtschaft durch steigende Kreditkosten mehr, als die Fed durch die Absenkung der kurzfristigen Zinsen dem US-Staat zukommen lässt.

Fazit und Ausblick

Das Dilemma der Fed liegt in der vorherrschenden Illusion, dass eigentlich alles in Ordnung sei mit der US-Ökonomie. Sobald der Handelskrieg sich beruhigt, zieht die Wirtschaft wieder an und alles ist wieder gut – so die allgemeine Erwartung. Dumm nur, dass dabei der große weiße Elefant im Raum übersehen wird – die Überschuldung amerikanischer Verbraucher, Unternehmen und des Staates. Noch ist die Lösung dieses Problems tabu, nach dem Motto: Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Quantitative Easing heiß. Die Fed wird, Handelskrieg hin oder her, nicht umhinkommen, Stroh zu Gold zu spinnen, um damit auch länger laufende Anleihen der US-Bundesregierung aufzukaufen. Nur so kann sie für alle Wirtschaftssubjekte die Kreditkosten senken und die Dose weiter die Straße runterkicken. Umso länger die Fed diese Wahrheit leugnet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie am Ende das gleiche Schicksal ereilt wie das arme Rumpelstilzchen.



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2 Kommentare

  1. Und schon wieder ein Superbeitrag.Ich staunte schon lange, dass man nicht mehr von diesen grossen BBB Zeitbombe sprach.müssten doch die Zombifirmen bei rückläufiger Wirtschaft noch schlechter dastehen.
    Hat man bei Börsengängen gesehen,dass die Anleger nicht mehr bereit sind unendlich in jeden Geldverbrenner zu investieren, gibt es anscheinend immer noch genügend Investoren, die diese BBB
    Zeitbomben mit ca.5%Rendite kaufen.Auch erstaunlich wie klein die Volatilität dieser Anleihen ist.
    Gemäss mehreren Berichten war doch die Besorgnis von J.Powell anfangs Jahr der Fall unter kritische Marken ( Zinsanstieg) dieser Anleihen der Hauptgrund für die totale Zinswende.
    Der Wald der vielen Probleme u.Ablenkungen ist wie erwähnt so gross geworden,dass man den grössten faulen Baum nicht mehr sieht oder willentlich versteckt.

  2. Pingback: Zinsen: Was hat die US-Notenbank mit Rumpelstilzchen zu tun? - finanzmarktwelt.de - Counternet News

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