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Zinsen und Inflation: Das Wort Stagflation macht wieder die Runde

Kommt die Inflation bald zurück - weht also ein Windhauch der 1970er-Jahre durch den Westen? Wie lange können da die Zinsen noch so niedrig bleiben?

Trotz immer weiter steigender Schulden sinken die Renditen (Zinsen) der Staatsanleihen: Die Inflation ist in den USA zwar noch niedrig, gleichzeitig steigen aber die Inflationserwartungen. Große Wachstumsraten sind nicht in Sicht – ein Umfeld, welches für Stagflation spricht.

Die rekordhohen negativen realen Zinsen

Trotz der Erwartung einer neuen Bazooka, eines Konjunkturprogramms in den USA in Höhe von mindestens 1,5 Billionen Dollar, sind die langfristigen Zinsen (10-jährige US-Staatsanleihe) in der letzten Woche bis auf 0,50 Prozent gefallen. In Kombination mit der aktuellen Inflationsrate ergab sich daraus eine negative Realrendite von minus 1,1 Prozent. Gleichzeitig besteht infolge des rasanten Anstiegs der Staatsverschuldung und der Aussicht auf dauerhaft niedrigste Zinsen die Furcht vor Geldentwertung. Die Fünf-Jahres-Inflationserwartungen liegen mit 1,7 Prozent bereits wieder auf dem Niveau von vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Sollte sich die Wirtschaft nicht richtig erholen, droht das seltene Phänomen Stagflation.

Was spricht gegen und was für Stagflation?

Preistreibende Faktoren

Zunächst kommt den Notenbanken eine anziehende Inflation gelegen, schließlich entwertet diese die massiv aufgenommenen Schulden. Im Zusammenhang mit niedrigen Zinsen ist dies der langjährige Plan in Form der „Finanziellen Repression“ der Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantiks. Daher wurde auch schon von den Notenbankchefs die Toleranz einer zeitweisen Überschreitung des Inflationsziels kommuniziert. Die Inflation zieht in einigen Bereichen bereits an, so sind die Lebensmittelpreise in den USA im Juni im Jahresvergleich um rund sechs Prozent gestiegen, das schnellste Wachstum seit fast zehn Jahren. Die Sparrrate der Verbraucher ist hoch, eine Pleitewelle bei Unternehmen könnte das Angebot drücken. Der schwache Dollar hebt etwas die Einfuhrpreise, auch wenn die Abhängigkeit der USA von Rohstoffimporten nicht zu sehr ausgeprägt ist.

Deflatorische Faktoren

Zunächst hat die Krise eindeutig preisdämpfende Effekte. Eine weltweite Rezession führt zur Unterauslastung von Fabriken sowie von Dienstleistungen, es wird schlichtweg weniger verdient.

Dann gibt es den gegenwärtigen Schub durch die Digitalisierung, die durch Corona einen unglaublich starken Antrieb bekommen hat. Der Online-Handel boomt, die Automatisierung in der Industrie bekommt weiteren Schwung.

Das viele Geld kommt derzeit noch nicht in der Realwirtschaft preistreibend an.

Der Unterschied zur Finanzkrise

Auch während der Corinakrise rätseln Ökonomen wieder einmal, was bei der Bewältigung der Krise folgt – Deflation oder Inflation? Genau wie nach der Finanzkrise, als man nach den großen Rettungsmaßnahmen zur Bankenrettung annahm, dass die Inflation anspringen würde. Es kam nicht dazu, weil die Globalisierung weiter Fahrt aufnahm, die vielen billigen Arbeitskräfte die Märkte mit Waren fluteten. Die Nationen der G20 einigten sich darauf, bei der Bewältigung der Krise auf zusätzliche protektionistische Maßnahmen zu verzichten. Heute verursacht die Pandemie einen Umbau der Lieferketten, die Globalisierung ist an ihre Grenzen gestoßen, die Zinsen längst auf Null oder gar negativ. Das kann zu höheren Produktionskosten und geringerem globalem Preisdruck führen – und damit zu Inflation.

Da sind wir bei einem weiteren großen Unterschied zur heutigen Situation. Seit 2018 schwelt ein Handelskrieg zwischen den USA und China sowie anderen Nationen, die die USA „über den Tisch zögen“. Dabei ist zu bedenken, dass es zwar zu einer extrem schnellen Expansion von Notenbankbilanz und Staatsausgaben gekommen ist, Letztere aber nachhaltig erst dann wirken, wenn die Wirtschaft in Schwung gekommen ist.

Fazit: Zinsen und Inflation – ein Hauch der 1970er-Jahre

Was für ein Cocktail. Riesige Geldmengen, die von den Notenbanken ins System gespült werden und die aber noch nicht inflationswirksam geworden sind. Dazu Staatsschulden die laut IWF 130 Prozent zum Weltsozialprodukt erreichen könnten und deren Rückführung in nächster Zeit als völlig unrealistisch erscheint mit dem Zwang zu dauerhaft niedrigen realen Zinsen. Im Unterschied zu der Phase nach 2009 hat seit 2018 eine Entwicklung zur Globalisierung eingesetzt, nicht zuletzt initiiert durch den großen „Repatriierer“ Doanld Trump.

Niedrige Wachstumsaussichten, niedrige Produktivität, steigende Inflationserwartungen – ein Windhauch der 1970er-Jahre zieht durch den Westen. Wie lange können da die Zinsen noch so niedrig bleiben?

 

 

Die Zinsen auf Null, aber die Inflation dürfte bald anziehen



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