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Zinsentscheidung am Donnerstag Zinsen: Warum eine große EZB-Senkung nicht vom Tisch ist

Zinsen: Warum eine große EZB-Senkung nicht vom Tisch ist
EZB-Sitz in Frankfurt. Foto: EyeEM-Freepik.com

Am Donnerstag wird die EZB erneut über die Zinsen entscheiden. Das wahrscheinlichste Szenario ist eine Zinssenkung um 25 Basispunkte, die auch am Markt als so gut wie sicher gilt. Führende Währungshüter sehen noch keinen Grund für große Zinsschritte, denn die Notenbanker hoffen, dass die private Nachfrage anzieht und damit die Konjunktur stützt. Dennoch können sich Marktteilnehmer und Ökonomen nicht ganz von dem Gedanken lösen, dass die Europäische Zentralbank in den kommenden Monaten doch noch eine größere Zinssenkung vornehmen wird.

Zinsen sinken weiter

Obwohl die meisten Währungshüter “schrittweise“ Zinsschritte — sprich Schritte von einem Viertelpunkt — befürworten, schließen Händler eine Senkung der Zinsen um das Doppelte bei einer der nächsten drei Sitzungen nicht aus.

Sie stützen sich dabei auf einen wichtigen Indikator für die Inflationserwartungen, der unter 2% gesunken ist, sowie auf Umfragen, die auf eine nachlassende Wirtschaftstätigkeit in der Eurozone hindeuten. Einflussreiche Notenbanker wie der Franzose Francois Villeroy de Galhau haben zuletzt solche Wetten befeuert. Er forderte seine Kollegen auf, sich in Bezug auf den Umfang der Zinssenkungen volle Flexibilität zu bewahren.

Zinsen: EZB diskutiert große Zinssenkung auf der Dezember-Sitzung

“Ich würde fast ausschließen, dass es in dieser Woche eine Zinssenkung um einen halben Prozentpunkt geben wird – auch wenn der Markt dies noch einpreist”, sagte Christian Keller, Leiter Economic Research bei Barclays. “Die Chancen steigen im ersten Quartal, aber im Moment deuten die meisten Signale darauf hin, dass die EZB die Zinsen weiterhin schrittweise senken wird.”

Es scheint, dass die EZB einen Zinsschritt um 50 Basispunkte zumindest diskutiert, wenn sie vom 11. bis 12. Dezember in Frankfurt zusammentritt. EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks wies zwar auch auf die “immer noch sehr hohe“ Unsicherheit hin, sagte aber letzte Woche, dass die Währungshüter “dies auf jeden Fall diskutieren werden.“

EZB vor großer Zinssenkung?

Grund dafür sind die Wachstumsprobleme, mit denen Europas Wirtschaft zu kämpfen hat. Umfragen unter Einkaufsmanagern, die in den letzten Monaten nicht unbedingt das genaueste Barometer für die Gesamtaktivität waren, deuten auf Probleme im Privatsektor hin. Derweil trüben Regierungszusammenbrüche in Deutschland und Frankreich die Stimmung in den beiden größten Mitgliedsstaaten der Eurozone.

Gleichzeitig gibt es Grund zur Vorsicht bei der Inflation — auch wenn die Währungshüter davon ausgehen, dass sie im nächsten Jahr nachhaltig beim Zielwert von 2% liegen wird. Die Lohnzuwächse bleiben hoch, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief und die Dienstleistungspreise steigen weiterhin stark an.

“Das geringe Wachstum würde für 50 Basispunkte sprechen, aber die Sturheit der EZB-Reaktionsfunktion, die an die vergangene Inflation gebunden ist, bleibt der Grund dafür, dass es wahrscheinlich bei 25 Basispunkten bleiben wird”, sagte Jordan Rochester, Leiter Makrostrategie bei Mizuho.

Die meisten Analysten sind ebenfalls dieser Meinung. Lediglich JPMorgan Chase hat sich von der Masse abgesetzt und die Prognose einer Senkung Zinen um einen halben Prozentpunkt von Januar auf diesen Monat vorgezogen. Begründet wird dies mit der schwachen Konjunktur in Europa, der nachlassenden Dienstleistungsinflation und der Unsicherheit zum Handel.

Großer Zinsschritt – das Für und Wider

Die von Bloomberg befragten Ökonomen prognostizieren Senkungen um jeweils einen Viertelpunkt bei jeder Sitzung, bis der Einlagenzinssatz im Juni 2% erreicht. Zuvor gingen sie davon aus, dass dieses Niveau erst in einem Jahr erreicht werden würde.

Ein weiteres Argument gegen eine stärkere Zinssenkung ist der Euro. Die Gemeinschaftswährung hat etwa 3% verloren, seit Donald Trump seine Rückkehr ins Weiße Haus besiegelt hat, und obwohl die Währungshüter kein bestimmtes Niveau anstreben, könnte der Wertverlust neue Inflationssorgen aufwerfen.

Nordea-Ökonomen um Tuuli Koivu argumentieren, dass die EZB mit einem Schritt von einem halben Prozentpunkt im Dezember auf Kurs gehen würde, die Zinsen unter die neutrale Marke zu senken — und möglicherweise unter 1,5%.

All dies mag erklären, warum selbst die Tauben im EZB-Rat sich nicht sehr deutlich für eine größere Zinssenkung ausgesprochen haben. Händler hat dies indessen nicht davon abgehalten, sich auf ein solches Szenario einzustellen.

“Bis März sollte der Disinflationsprozess so weit fortgeschritten sein, dass der EZB-Rat vorausschauender agieren kann, was eine größere Zinssenkung erleichtern würde”, sagt Jussi Hiljanen, Chefstratege bei SEB.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Ob der EZB-Zinssatz bei 3% oder bei 2% liegt, ich glaube das ist ziemlich egal. Wichtiger ist dagegen der Kapitalmarktzins und der hat eher etwas mit der kaputten Politik in Deutschland und Frankreich zu tun. In beiden Ländern hat die jeweilige Regierung das Land in den Graben gefahren. Weder in DE noch in FR erwarte ich eine Änderung. In Frankreich, weil nach einem Rücktritt von Macron ein Sozialist an die Regierung käme und bei uns läuft es auf eine Widerholung von Schwarz-Rot hinaus. Aufbrich sieht anders aus.

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