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Zinswende in Euroland? EZB-Notenbanker fordert zwei Zinsanhebungen!

Steht die Zinswende in Euroland an? Die Inflation ist hoch und wird wohl auch noch monatelang hoch bleiben. In der Eurozone sahen wir zuletzt eine Teuerungsrate von 5,1 Prozent. Die Aussagen der EZB aus den letzten Wochen legen nahe, dass man sich der Realität nicht mehr dauerhaft verwehren kann. Heute nun hat der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann, der auch mit EZB-Rat sitzt, verstärkt zu einer deutlichen Zinswende für die Eurozone aufgefordert.

Robert Holzmann wünscht sich Zinswende mit zwei Zinsanhebungen noch dieses Jahr

In einem Interview mit der NZZ sagt Robert Holzmann, dass die EZB beim Zinsausblick stets signalisiert hat, dass eine Zinserhöhung erst kurz nach Auslaufen der Anleihekäufe erfolgen soll. Es wäre möglich einen ersten Zinsschritt im Sommer noch vor dem Ende der Anleihekäufe zu setzen und einen zweiten am Jahresende. Diese Variante würde ich favorisieren, so seine Worte. Also zwei Zinsanhebungen noch in diesem Jahr, wenn es denn nach ihm ginge. Aber das soll nichts heißen. Denn gegen die Südländer-Fraktion in der EZB ist schwer anzukommen. Und die wollen wohl liebend gerne so lange wie möglich Zinsen bei Null sehen, damit sich ihre Regierungen zum Nulltarif verschulden können? Aber auch sie können sich der Inflations-Realität nicht mehr komplett verweigern.

Rechenweg für das Zinsziel

Wohin soll denn der Leitzins ansteigen? Eine gute Frage. Robert Holzmann hat für diese vermutlich bevorstehende Zinswende eine einfache Rechnung aufgemacht. Der „natürliche Zins“, den man nicht direkt messen, sondern nur schätzen kann, liegt seiner Aussage nach derzeit wahrscheinlich bei etwa minus 0,5 Prozent. Wenn man dazu das Inflationsziel der EZB von 2 Prozent betrachtet, käme man auf einen nominalen Wert für den „Gleichgewichtszins“ von 1,5 Prozent. Diese 1,5 Prozent sind für ihn grob gesprochen der Richtwert, wohin sich der Leitzins bewegen soll. Erst beim Erreichen dieses Zinsniveaus wäre seiner Meinung nach die Zinspolitik der EZB nicht mehr expansiv, sondern neutral. Dies solle die EZB den Marktteilnehmern klar kommunizieren. Bis 2024 kann seiner Meinung nach ein Zinsniveau von 1,5 Prozent erreicht werden.

Hohe Staatsschulden sind das Problem der Länder

Dass die EZB die Zinsen absichtlich im Keller hält, um den Mittelmeerländern eine Gratis-Neuverschuldung zu ermöglichen – das ist quasi ein unausgesprochenes offenes Geheimnis. Aber offiziell wird dies als Doktrin natürlich kein EZB-Notenbanker aussprechen. Denn dies ist ja nicht das Mandat der EZB! So sagt Robert Holzmann im Interview heute auch wenig überraschend, dass es klar sei, dass die Höhe der Staatsschulden und ihre Senkung die Aufgabe der Finanzminister ist. Darauf könne die EZB bei ihren Zinsentscheidungen keine Rücksicht nehmen. Gerade in Mitgliedsstaaten mit hohen Schulden sei es wichtig, dass es zu einem stärkeren Produktivitätswachstum komme.

Gegenüber einem Abwürgen der Konjunktur durch eine zu frühe Zinswende sieht Robert Holzmann die grössere Gefahr darin, dass die Inflationserwartungen ausser Kontrolle geraten – denn es würde hohe Kosten verursachen sie wieder einzufangen. Vieles könnte dann infrage gestellt werden, auch die Energiewende.

EZB-Notenbanker Robert Holzmann
Robert Holzmann. Foto: Lisi Niesner – Oesterreichische Nationalbank; www.oenb.at – CC BY-SA 4.0 – Ausschnitt aus Originalfoto



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