FMW-Redaktion
Hier zwei Einschätzungen zur EZB:
1. Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK
„Worauf wartet die EZB noch?“
Die Europäische Zentralbank hat ihre Zinspolitik nicht verändert – wie erwartet. Dabei stellt sich die Frage: Worauf wartet sie eigentlich noch? Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone ist recht robust, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Kreditvergabe steigt. Die Preisentwicklung lässt die EZB aber weiter zögern. Dabei ist das Ziel von Europas obersten Währungshütern – eine Inflation von zwei Prozent – eigentlich erreicht. Doch weil hierbei die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise mit berücksichtigt sind, hat Mario Draghi die Kerninflationsrate im Blick. Diese liegt mit aktuell 0,9 Prozent in den Augen der EZB immer noch zu niedrig. 1,5 Prozent müssten es wahrscheinlich schon sein, damit die Notenbanker bereit sind, ihre Geldpolitik endlich zu ändern.
Entsprechend vorsichtige Signale hat die Zentralbank gesetzt: Sie hat die Inflationsprognose im Euroraum für das laufende und das kommende Jahr erhöht. Auch wenn Draghi einer Abkehr von der lockeren Geldpolitik nicht das Wort geredet hat, dürfte diese Anpassung die Debatte über einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik eher weiter befeuern. Dazu kommt sein Hinweis, dass die Konjunkturrisiken kleiner geworden sind.
Damit scheint klar: Die EZB wird geldpolitisch nicht noch einmal nachlegen. Der nächste Schritt wird eine Drosselung der Anleihekäufe (Tapering) sein. Die neue Marschrichtung hätte zwei klare Botschaften:
Die Party an den Rentenmärkten hat ihren Höhepunkt überschritten.
Und die Staatsschulden in Europa bestimmen künftig nicht mehr die Geldpolitik.
Wann sich Mario Draghi endlich dazu durchringt, das Ende des Taperings zu starten, bleibt vorerst weiter unklar. Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen in Europa rechnen wir nicht vor September mit klaren Hinweisen zum Timing.
2. Thorsten Pollet, Degussa
EZB hält Kurs – die Entwertung der Ersparnisse geht weiter
Auf ihrer heutigen Sitzung hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins unverändert gehalten: Der Hauptrefinanzierungszins liegt weiterhin bei 0,0%, der Einlagenzins bei minus 0,4%.
Auf der EZB-Pressekonferenz verkündete Mario Draghi, dass es auf absehbare Zeit keine Änderung in der bisher verfolgten Zinspolitik geben wird.
Auch die Schuldpapieraufkäufe gehen weiter: Ab April 2017 werden pro Monat 60 Mrd. Euro anstelle von bisher 80 Mrd. Euro gekauft und die (Basis-)Geldmenge in gleichem Umfang erhöht.
Den jüngsten Inflationsanstieg redet die EZB klein, sieht keinen aufwärtsgerichteten Inflationstrend und damit auch keinen Anlass, ihre Geldpolitik zu verändern.
Gleichzeitig signalisiert sie, dass sich die Wachstumsaussichten im Euroraum verbessert haben, beziehungsweise dass sich die Risiken für das Wachstum vermindert haben.
Sparer und Anleger müssen folglich darauf gefasst sein, dass die meisten Zinsen im Euroraum nach Abzug der Inflation negativ bleiben werden. Mit anderen Worten: Die Entwertung des Geldes und der Ersparnisse geht weiter.
Die EZB-Bilanz wird sich weiter aufblähen – denn das ist die Konsequenz der Euro-Geldmengenausweitung, wenn die EZB Schuldenkäufe kauft und neues Geld aus dem Nichts schafft.
Das wiederum sollte den Euro-Außenwert weiter unter Druck setzen beziehungsweise halten (denn eine entsprechende Erwartung dürfte bereits in den Wechselkursen enthalten sein) – auch wenn der Euro heute gegenüber dem US-Dollar gewinnt.
Folgen für das Gold: Anleger sollten sich ins Bewusstsein rufen: Gold ist eine Währung. Es ist das ultimative Zahlungsmittel, ist die „härteste Währung der Welt“. Anders als das ungedeckte Papiergeld lässt sich das Gold nicht durch politische Willkürakte entwerten.
Zudem trägt Gold kein Kredit- beziehungsweise Zahlungsausfallrisiko. Die Halter von Staatsanleihen, Bankeinlagen und Bankschuldverschreibungen können Zahlungsausfälle erleiden. Die Halter von Gold nicht.
Gold ist und bleibt daher ein attraktives liquides Mittel für Anleger aus dem Euroraum. Denn um die Zukunft des Euro steht es nicht gut. Entweder der Währungsraum bricht auseinander, oder er wird zusammengehalten, indem die EZB die Euro-Geldmenge immer weiter inflationiert – was derzeit bereits geschieht.
In beiden Fällen erleiden die Euro-Sparer Verluste. Das Halten von Gold und das Investieren in die Aktien von Unternehmen, die inflations-resistente Geschäftsmodelle haben, ist ein vernünftiger Versuch, ihnen zu entkommen.
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