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Berichtssaison als Feuertaufe Aktienmärkte: Große Wall-Street-Rotation nur eine Bullenfalle?

Aktienmärkte: Große Wall-Street-Rotation nur eine Bullenfalle?
Wall Street. Foto: EyeEm - Freepik.com

Der große Rotations-Trade an der Wall Street hat gestern einen herben Rückschlag erlitten. Zwar weitete sich die Korrektur der Tech-Werte im S&P 500 und Nasdaq 100 aus, aber der Dow Jones und Russell 2000 sackten deutlicher ab. Der Rückgang der Tech-Megacaps dehnte sich am Donnerstag auf die Small Caps und Finanzwerte aus, da Anzeichen wirtschaftlicher Schwäche den Optimismus über Zinssenkungen der Fed überlagerten. Ob sich die große Rotation der Aktienmärkte forsetzen kann, hängt nun von der Berichtssaison ab, die zum Schlüsseltest wird. Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Rotation nur eine potenzielle Bullenfalle ist.

Wie Bloomberg berichtet, fielen fast alle Sektoren im S&P 500, wobei der US-Aktienindex 0,8 % verlor. Eine Rallye, die dem Index in diesem Jahr fast 40 Rekordhochs beschert hat, legt nun eine Pause ein und befindet sich in einer Korrekturphase. Aber auch der Nebenwerte-Index Russell 2000 (-1,85%) und der Old-Econoomy-Index Dow Jones (-1,3%) mussten herbe Rückschläge hinnehmen, nachdem sie in nur wenigen Tagen rasant in die Höhe geschossen waren und die Anführer des Bullenmarktes – die Tech-Riesen und KI-Gewinner – deutlich übertrafen.

Aktienmärkte: Ende des Rotations-Trade?

Die Überzeugung, dass die US-Notenbank die Zinsen im September senkt, hat zu einem Rückzug aus den sogenannten Magnificent Seven geführt, die sich während des Straffungszyklus der Fed aufgrund ihrer stetigen Gewinne und makellosen Bilanzen als de-facto-Sicherheitstitel erwiesen haben. Stattdessen wendeten sich die Anleger den Value- und Nebenwerten zu und sorgten damit für eine große Rotation an der Wall Street.

Signale, dass die Fed einer Zinssenkung einen Schritt näher kommt, würde diesen Rotations-Trade theoretisch unterstützen, doch war dies am Donnerstag nicht der Fall. Die „große Rotation“ der Wall Street legte eine Verschnaufpause ein, selbst nachdem die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung eine Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt gezeigt haben.

„Die Anleger haben sich schnell von den „überfüllten“ Megacap-Aktien abgewandt und ihr Geld in Small Caps investiert“, sagte Craig Johnson von Piper Sandler. „Dies spricht zwar für einen sich ausweitenden Bullenmarkt, aber Vorsicht ist geboten, wenn es zu Rücksetzern an bestätigten Unterstützungsniveaus kommt.“

Der S&P 500 fiel gestern auf etwa 5.522 Punkte, womit er den Rückgang von seinem jüngst erreichten Rekordhoch auf 2,6 % ausgeweitet hat. Megacaps entwickelten sich uneinheitlich, wobei Nvidia nach einer mehrtägigen Korrektur etwas zulegte, während Apple weiter nachgab. Der Russell 2000 fiel um etwa 2 %, nachdem er vor kurzem das höchste überkaufte Niveau seit 2017 erreicht hatte. Der Dow Jones Industrial Average beendete indessen eine sechstägige Gewinnserie.

Aktienmärkte: Aussicht auf Fed-Zinssenkungen löst Rotation aus - Bullenfalle?
Russell 2000 fällt nach der großen Rotations-Rallye

Rotation nur eine Bullenfalle?

In nur wenigen Tagen stieg der Russell 2000 um mehr als 10 %. Der größte Teil der Rallye bei kleineren Unternehmen fand jedoch statt, nachdem die kühleren Inflationsdaten vom letzten Donnerstag die Spekulationen über eine Lockerung der Fed-Politik verstärkt hatten.

Small Caps erzielten in einem Zeitraum von fünf Tagen die beste Performance aller Zeiten gegenüber ihren größeren Konkurrenten, so Jim Bianco, Gründer des gleichnamigen Forschungsunternehmens, in einem kürzlich veröffentlichten X-Post. Er verfolgte die Differenz zwischen dem Russell 2000 und dem Russell 1000 seit 1978.

Wall Street: Russell 2000 und Dow Jones erleiden Rückschlag
5-Tage-Differenz bei den Renditen: Russell 2000 Small Caps vs. Russell 1000 Large Caps. Source: Bianco Research

Für Dan Wantrobski von Janney Montgomery Scott hat die jüngste „Wall-Street-Rotation“ den breiten Markt kurzfristig in einen leicht überkauften Bereich gedrückt. Dies und die anhaltend ausgedehnten Bedingungen bei den Tech-Megacaps machen die Aktienmärkte anfällig für eine potenzielle kurzfristige Korrektur, so Wantey.

„Während die Experten auf den Zug der Rotation aufspringen, sind wir uns der Gefahr einer möglichen Bullenfalle bewusst“, so Wantrobski. „Wie wir letzte Woche, als die Trendwende begann, feststellten, befindet sich diese Rotation in einem sehr frühen Stadium und kann unserer Meinung nach noch nicht als längerfristiges Anlagethema bestätigt werden. Obwohl uns die jüngste Ausweitung der US-Aktienmärkte ermutigt, sollten wir uns vor falschen Signalen hüten.“

Wall-Street-Rotation vor Feuertaufe

Lori Calvasina von RBC Capital Markets ist der Ansicht, dass es in der Tat mehrere Fehlstarts gegeben hat – auch wenn die Bewertungen und die Positionierung die Voraussetzungen für einen eventuellen Wechsel zu einer neuen Führung geschaffen haben. Die Ertragssaison wird ein „Schlüsseltest“ für die Rotation sein, stellte sie kürzlich fest.

„Nach den massiven Bewegungen der vergangenen Handelswoche muss die Rotation natürlich erst einmal verdaut werden“, so Tom Essaye von The Sevens Report. „Aber ob die Rotation raus aus Tech und rein in die Nachzügler weitergehen kann, wird von den Wirtschaftsdaten und den Gewinnen abhängen.

Während Essaye sagt, dass die Daten größtenteils „Goldilocks“ bleiben und Technologie immer noch „überbewertet“ ist, ist er nicht wirklich für aggressive Allokationen in zyklische Werte.

„Während die Aktienmärkte davon überzeugt sind, dass sinkende Fed-Zinsen einen Abschwung verhindern werden, deuten die Unternehmensgewinne und die Kommentare der Fed weiterhin darauf hin, dass die Anleger zu selbstgefällig sind, wenn es um die Risiken eines Abschwungs geht“, so Essaye abschließend.

Aktienmärkte: Berichtssaison wird zum Schlüsseltest für die Rotation
Eine gute Berichtssaison ist der Schlüssel für eine Erholung der Small Caps über den kurzfristigen Zeitraum hinaus. Source: Truist Advisory Services

Zinssenkungen: Treiber oder Todesstoß

Wenn die Fed einen Zinssenkungszyklus einleitet, neigen die Aktienmärkte dazu, ihn anfangs zu begrüßen, so Liz Young Thomas von SoFi.

„Wenn dieser Zinssenkungszyklus jedoch mit einer Verlangsamung der Wirtschaftsdaten, enttäuschenden Gewinnen oder einer schnellen Kompression der Multiplikatoren einhergeht, würden Small Caps wahrscheinlich deutlich einbrechen“, sagte sie. „Ganz zu schweigen davon, dass die Fed die Zinsen in der Regel spät im Konjunkturzyklus senkt und nicht zu Beginn des Zyklus, wenn Small Caps in der Regel ihren kurzen Moment im Rampenlicht haben.

Laut Keith Lerner von Truist Advisory Services hängen die Renditen an den Aktienmärkten nach der ersten Zinssenkung der Fed weitgehend davon ab, ob die Wirtschaft eine Rezession vermeiden kann.

Wenn die Aktienmärkte eine Rezession vermeiden konnten, wie 1989, 1995 und 1998, stiegen sie im folgenden Jahr an, so Lerner. Nach den ersten Zinssenkungen in den Jahren 2001 und 2007, die nicht ausreichten, um einen wirtschaftlichen Abschwung zu verhindern, fielen die Aktien im darauffolgenden Jahr dagegen.

Das jüngste Ereignis im Jahr 2019 war ein Ausreißer, da auf die Pandemie massive fiskalische und geldpolitische Anreize folgten.

FMW/Bloomberg



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1 Kommentar

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Von günstig kann keine Rede mehr sein: Wir stehen in der Bewertung beim Vierfachen der Jahrtausendwende und dem Faktor 8 seit der Finanzkrise.

    Dennoch wird der S&P 500 versuchen bis zu den 6000 heranzulaufen. Erst dann ist mit signifikanten Marktbereinigungen zu rechnen, vorher nicht.

    Die 6000 Punkte bleiben also ein realistisches Ziel bis zum Jahresende.

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