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Arbeitsmarkt: Eitel Sonnenschein laut Behörde – das kann man auch anders sehen!

Probleme am Arbeitsmarkt vor allem wegen leerer Fussgängerzongen

Das „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, beschäftigt sich mit Themen rund um den deutschen Arbeitsmarkt. Monatlich veröffentlicht das IAB sein Arbeitsmarktbarometer, so auch heute. Für Juli ist es um 3,1 Punkte auf 97,8 Punkte gestiegen. Gegenüber dem Vormonat habe der Frühindikator somit einen großen Sprung nach oben gemacht, so das IAB. Der Negativtrend am Arbeitsmarkt scheine weitgehend gestoppt zu sein. Die Arbeitsagenturen erwarten, dass das Gröbste vorerst geschafft ist, so das IAB heute. So hat die Arbeitslosigkeitskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers um 3,7 Punkte zugelegt, was den stärksten Anstieg seit Beginn der Reihe im Jahr 2008 darstellt. Das Niveau von 97,7 Punkten ist zwar nach wie vor schwach, deutet aber auf keine gravierenden Verschlechterungen in den kommenden Monaten mehr hin. Auch die Beschäftigungskomponente stieg deutlich um 3,3 Punkte auf nunmehr 98,0 Punkte.

Der Arbeitsmarkt habe den immensen wirtschaftlichen Schock bisher vergleichsweise gut verkraftet. Geholfen hätten dabei die Stützungsmaßnahmen der Politik und dass die Restriktionen für die Wirtschaft aufgrund der deutlich gesunkenen Covid-19-Infektionszahlen zügig wieder gelockert worden seien. Um die Kriseneffekte am Arbeitsmarkt wieder wettzumachen, bräuchte man aber eine stärkere Einstellungsdynamik. Auch bestünden für den weiteren Verlauf nach wie vor wirtschaftliche Risiken, wenn sich das Infektionsgeschehen wieder verschärfen sollte, so das IAB. Der folgende Chart zeigt das IAB-Arbeitsmarktbarometer seit dem Jahr2011.

Lage am Arbeitsmarkt ist nicht so rosig!

Also, alles Eitel Sonnenschein am deutschen Arbeitsmarkt, mit kleinem Restrisiko bei einer neuen Corona-Welle? Das sehen wir etwas anders. Gut, wir sind keine Arbeitsmarktforscher. Aber man kann allgemein bekannte Umstände bewerten, und mit gesundem Menschenverstand und offenen Augen durch die Gegend laufen. Wir möchten hier drei Gründe nennen, warum wir nicht glauben, dass die Lage am Arbeitsmarkt schon wieder so rosig aussieht.

1)
Die Kurzarbeit (hier erklärt) ist ja letztlich nichts weiter als ein Instrument, mit dem man Arbeitslose in ihrem Betrieb belässt. Sie haben nichts zu tun, bleiben aber angestellt, und beziehen vergleichbare Leistungen wie Arbeitslose. Gemäß den letzten Daten zu Ende Juni waren wohl knapp 7 Millionen Menschen in Deutschland auf Kurzarbeit gesetzt. Wie viele es jetzt aktuell sind, kann niemand genau sagen. Aber es wird eine ähnlich hohe Zahl sein. Letztlich bewirkt dieses (durchaus sinnvolle) Instrument, dass die offizielle Arbeitslosigkeit schön weit im Keller gehalten wird. Und nach außen hin wird eine Lage dargestellt, die nur halb so schlimm ist, obwohl die tatsächliche Lage am Arbeitsmarkt weitaus dramatischer ist.

2)
Wer mit gesundem Menschenverstand und offenen Augen dieser Tage durch die deutschen Innenstädte geht, der sieht jetzt schon reihenweise leere Geschäfte. Auch gibt es einige Modeketten, die schon insolvent sind, aber jetzt noch offen haben und Restbestände verkaufen. Kaufhof-Filialen, die dicht machen werden, haben auch noch offen, verkauft aber Restbestände. Aber wie gesagt. Die Leerstände sind unübersehbar. Schon vor dem Ausbruch der Coronakrise gab es zunehmend leere Geschäfte. Die Coronakrise war für diese Entwicklung nur ein Brandbeschleuniger. Der Amazon-Effekt (immer mehr Onlineshopping) kann diesen Niedergang von stationärem Einzelhandel nur teilweise erklären. Vielmehr konnten Ladenketten mit schlechten Geschäftsmodellen dank Geld zum Nulltarif (dank abgeschaffter Zinsen) lange überleben, wo sie früher ziemlich schnell pleite gegangen wären. So wurden aber viele Pleiten jahrelang hinausgezögert, egal ob bei Klamottengeschäften oder in der Gastronomie. Für den Arbeitsmarkt bedeutet diese Entwicklung mehr Arbeitslose!

3)
Der Witz (oder die Tragödie) ist: Im März verabschiedete die Bundesregierung eine Ausnahmeregel, wonach die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen von März bis Ende September ausgesetzt wird. Wenn also ein Geschäftsführer einer GmbH sieht, dass sein Laden pleite ist, müsste er eigentlich Insolvenz anmelden, damit er sich nicht strafbar macht (Insolvenzverschleppung). Von dieser Last ist er derzeit aber befreit, und kann seinen Pleiteladen noch bis Ende September weiter führen, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Wir meinen: Derzeit werden jede Menge Insolvenzen aufgespart und verschoben. Ab Oktober, wenn die Insolvenzantragspflicht wieder gilt, wird womöglich eine Lawine über die Amtsgerichte rollen. Wie zunehmend leere Geschäfte in den Innenstädten zeigen, gibt es trotz dieser Ausnahmeregel schon jetzt zahlreiche Unternehmen, die Insolvenz anmelden. Das ist kein gutes Zeichen. Dass derzeit aber auch reihenweise Insolvenzen aufgespart werden, erkennt man daran, dass die statistisch erhobene Zahl neuer Insolvenzen seit Monaten trotz Corona-Debakel sogar rückläufig ist. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Darauf weist in einem Nebensatz heute auch das IAB hin. Zitat: „Unabhängig davon würden vermehrte Insolvenzen nach dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am 30. September drohen.“

Hilft der Staat optisch nochmal aus?

Also, von einer rosigen Lage oder schönen Aussicht für den deutschen Arbeitsmarkt dürfte eigentlich keine Rede sein. Einerseits verdeckt die Kurzarbeit viel, und andererseits dürfte ab Oktober die Abwärtswelle bei Insolvenzen und Arbeitslosigkeit starten. Aber man weiß ja nie, ob die Bundesregierung die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht noch schnell über Ende September hinaus verlängert? Vielleicht bis Jahresende? Schließlich hatte der Bund jüngst erst für Banken eine Ausnahmeregelung verlängert. Sie waren bis Ende Juni nicht verpflichtet gestundete Kredite als ausgefallene Kredite in ihren Büchern zu deklarieren (Thema „Schöne Bilanzen“). Diese Regelung wurde Ende Juni bis Ende September verlängert. Welch ein Glück für die Banken.



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7 Kommentare

  1. Gut analysiert, dennoch bedeuten schlechte, erwartete Zahlen nicht das es so sein muss.
    Man muss abwarten wie es tatsächlich kommt.

    1. Schnucki aus Kentucki

      Halte jede Wette:
      Um den 10.01.2021 werden wir in Germoney garantiert 8 – 9 Mio Arbeitsfähige ohne Job und Jobchancen haben. Ohne die auf der faulen Sozi-Haut liegenden Gold-und Silberstückchen.

  2. Jobwunder Deutschland:

    https://egon-w-kreutzer.de/jobwunder-deutschland

    ohne weitere Kommentierung , da überflüssig

    1. Nach Ende der Insolvenz-Schonzeit für Zombi-Unternehmen und ihre Betriebe wird des Arbeitslose geradezu hageln.
      Scholz wird die Insolvenz- und Kurzarbeitsregelugen um Volksaufstand zu vermeiden bis 2021 verlägern.
      Es ist wie bei einem Wasserstoff gefüllten Ballon:
      Je mehr man hineinpumpt desto heftiger wird der Knall ausfallen.
      Oma meinte immer: Kinder, kauft Kämme. Es kommen lausige Zeiten.

      1. Sehr schönes Zitat.

      2. Wenn schon Oma zu besten Wirtschaftszeiten vor Pessimismus strotzte, scheint die negative Weltsicht bereits seit Generationen in den Genen zu schlummern.

  3. Pingback: Aktuelles vom 28. Juli 2020 – Teil 2 | das-bewegt-die-welt.de

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