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Inflation wieder vor Anstieg in Deutschland? Mehrere Indizien

Steht die Inflation mit aktuell 2,4 % in Deutschland wieder vor mehr Auftrieb? Wir blicken hier auf einige Indizien.

Inflation-Schriftzug auf Stempel
Grafik: Mark-Mainka-Freepik.com

Die Inflation in Deutschland ist bereits von 9 % auf zuletzt 2,4 % zurückgekommen, und es sieht weiterhin gut aus bei der Erholung von den vorigen kräftigen Preissteigerungen für die Verbraucher? Daran kann man aktuell Zweifel haben. Hohe Lohnabschlüsse sind zwar toll für die Arbeitnehmer, erhöhen aber den Druck auf ihre Arbeitgeber, die Preise für ihre Kunden stärker zu erhöhen, um die Lohnsteigerungen zu refinanzieren (Lohn-Preis-Spirale droht). Immerhin: Die jüngsten Statistikdaten zeigen, dass die Löhne in Deutschland im ersten Quartal im Jahresvergleich um satte 6,4 % gestiegen sind!

Löhne und Dienstleistungspreise wirken auf Inflation

Und weiterhin hohe Zuwächse bei Dienstleistungspreisen (Steigerung im Mai 3,9 %) lassen erahnen, dass die Sache mit der Inflation noch nicht ausgestanden ist, und womöglich ein Revival erleben kann. Im Chart sehen wir Inflation (blau) und Kerninflation (orange) in Deutschland seit dem Jahr 2017. Nachfolgend blicken wir auf einige aktuelle Indizien, die nahe legen, dass es einen Auftrieb der Verbraucherpreise geben könnte.

Grafik zeigt Entwicklung der Inflation in Deutschland seit 2017

Inflation wieder im Auftrieb? Aktuelle Statistikdaten

Wie das Statistische Bundesamt heute gemeldet hat, sind die Großhandelspreise im Mai 2024 nur noch um 0,7 % gesunken im Jahresvergleich. Im April 2024 hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat bei -1,8 % gelegen, im März bei -2,6 %. Die Großhandelspreise stiegen im Mai im Monatsvergleich aber schon um 0,1 %. Und die folgende Grafik, die drei Jahre zurückreicht, verdeutlicht dieses Ende der Deflation noch besser. 15 Monate klare Deflation statt Inflation bei den Großhandelspreisen. Aber jetzt ist man quasi an der Null-Linie angekommen, und die Großhandelspreise inklusive Mineralölerzeugnisse legen aktuell im Jahresvergleich bereits um 3,7 % zu (letzter blauer Balken). Die Großhandelspreise sind zusammen mit Erzeugerpreisen und Importpreisen drei handfeste Vorlaufindikatoren für die letztliche Entwicklung der Inflation in Deutschland. Und wenn die Deflationsphase im Großhandel endet und nun in die positive Zone schwenkt, kann das auch für die Verbraucherpreise auf Sicht mehrere Monate für steigende Warenpreise sorgen.

Grafik zeigt Entwicklung der Großhandelspreise seit 2021

Steigende Preise in der Landwirtschaft

Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte sehen auch einen Auftrieb. Die Preise waren im April 2024 um 0,4 % höher als im April 2023. Im März 2024 hatte die Veränderungsrate zum Vorjahresmonat noch bei -2,2 % gelegen, im Februar 2024 bei -5,8 %. Gegenüber dem Vormonat März 2024 stiegen die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte im April 2024 um 0,7 %, so zeigen es heutige Daten vom Statistischen Bundesamt. Auch hier wird also aus Deflation Inflation. Verlangen die Landwirte jetzt mehr für ihre Erzeugnisse, könnte sich das in mehreren Wochen oder Monaten auch auf die Supermarktpreise auswirken, und damit der Inflation bei Warenpreisen Auftrieb verleihen.

Grafik zeigt die Entwicklung der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte

Bundesbankchef: Euroraum-Kerninflation „weiter sehr hartnäckig“

Auch gibt es aktuelle Aussagen vom höchsten deutschen Notenbanker zum Thema Inflation. Die zugrunde liegende Teuerung im Euroraum erweist sich laut Joachim Nagel als hartnäckig. Auf dem International Economic Forum of the Americas bekräftigte er gestern Abend laut Bloomberg, dass die Europäische Zentralbank die Leitzinsen nicht automatisch weiter senken, sondern das Umfeld bei jeder Sitzung neu beurteilen werde. “Es stimmt, dass die Kerninflation immer noch sehr hartnäckig ist”, sagte Nagel im kanadischen Montreal. Es sei dennoch richtig gewesen, die Geldpolitik letzte Woche zu lockern. “Wir befinden uns auf einer holprigen Straße, aber wir alle wissen, dass die letzte Meile die komplizierteste ist.”

Grafik zeigt Entwicklung der Inflation in der Eurozone

“In dieser sehr unsicheren Welt müssen wir sehr vorsichtig sein und dürfen in unserem Auftrag, die Inflation zu bekämpfen, keine Selbstgefälligkeit zeigen”, sagte Nagel. “Die Aufgabe ist noch nicht erledigt.” Auf die Frage nach dem Verhältnis der US-Geldpolitik zu der in der Eurozone betonte Nagel, dass die EZB “Geldpolitik für das Eurosystem” betreibe. Es gebe dennoch Ansteckungs-Effekte und eine indirekte “Rückkopplungsschleife”.

„Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks müssen noch sturer sein als die Inflation“, so Nagel. “Das ist eine Ähnlichkeit, die ich sehe.” Nagel äußerte sich kurz nach der Bekanntgabe der Fed-Zinsentscheidung. Die amerikanischen Währungshüter behielten die Leitzinsen bei und stutzten ihre Erwartungen für die Lockerung der Geldpolitik im Rest des Jahres.

Kommentar

FMW: Die Freude über die fast schon „besiegte“ Inflation, die das EZB-Ziel von 2 % fast schon erreicht hat, könnte verfrüht gewesen sein. Indikatoren für Warenpreise zeigen Auftrieb, und Löhne sowie Dienstleistungspreise pushen die Verbraucherpreise derzeit weiter an. Die EZB hat die Zinsen zwar letzte Woche gesenkt, aber zeigt sich vorsichtig bei weiteren Zinssenkungen. Weil man eben nicht sicher ist, ob die Inflation nachhaltig auf dem tieferen Niveau bleibt. Die Dynamiken bei Verbraucherpreisen und ihren zahlreichen Teilbereichen ist groß, und so kann niemand vorhersagen, wie sich die Preise in ein paar Monaten wirklich entwickeln werden. Diese aktuellen Daten aus Deutschland zeigen aber die Möglichkeit, dass die Verbraucherpreise wieder höhere Anstiege sehen können.

FMW/Bloomberg/Destatis



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1 Kommentar

  1. Ich denke, die nächste Mehrwertsteuer-Erhöhung soll etwa 35 Milliarden in die Steuerkasse spülen.
    Das wird der Inflation einen kräftigen Schub geben.
    Aber, diese etwa 35 Milliarden werden noch lange nicht das Ende der Steuererhöhungen sein.
    Mal sehen wo die Inflation in 12 Monaten stehen wird.
    Man kann es dann auch Ukraine-Soli nennen, oder Verteidigungs-Soli.
    Oder wie im Grundgesetz vorgesehen: Lastenausgleich.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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