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Bärensterben an der Wall Street Aktienmärkte am Höhepunkt? – Analogie zur Dotcom-Blase

Aktienmärkte am Höhepunkt? - Analogie zur Dotcom-Blase
Bearish im Bullenmarkt. Grafik: DigitalPixel_560 - Freepik.com

Der Abgang des renommierten Börsenstrategen Marko Kolanovic von JPMorgan löst ein Echo an der Wall Street aus, das an die Zeit vor dem Platzen der Dotcom-Blase aus dem Jahr 1999 erinnert. Es ist etwa 25 Jahre her, dass es an der Wall Street eine ähnliche Bärenjagd gab. Und es sieht so aus, als würde jetzt eine weitere beginnen, so ein Bericht von Bloomberg. Die unaufhaltsame Rallye der US-Aktienmärkte hat schon einige Bären erlegt. Ein prominentes Beispiel ist Marko Kolanovic von JPMorgan, der seinen Hut nehmen musste und die Bank verlassen hat, nachdem er zu lange auf einen Rückgang des S&P 500 gesetzt hatte.

Analogie zur Dotcom-Blase

Am 27. August 1999 wurde die Finanzwelt durch den Rücktritt eines ihrer engagiertesten Pessimisten erschüttert: Charles Clough, Chef-Anlagestratege von Merrill Lynch. Cloughs Meinung war an der Wall Street hoch angesehen, aber er hatte die Kardinalsünde des Aktienmarktes begangen, indem er angesichts einer unerbittlichen Rallye – in diesem Fall der Dotcom-Hausse, die den S&P 500 Index von Anfang 1995 bis zum Ende des Jahrhunderts um 220 % in die Höhe schnellen ließ – bärisch blieb.

Das mag sich lange her anfühlen, aber an der Wall Street, wie bei Shakespeare, ist die Vergangenheit oft Prolog. Und so erinnert das abrupte Ausscheiden von Marko Kolanovic letzte Woche nach 19 Jahren bei JPMorgan viele Händler, Banker und Analysten an Cloughs Weggang. Wieder einmal wurde ein prominenter Stratege abgesetzt, nachdem seine Warnungen vor einem bevorstehenden Aktien-Crash nicht eingetreten waren und der S&P 500 immer wieder neue Höchststände erreicht hatte.

Aktienmärkte: Analogie zur Dotcom-Blase
Falscher Call: Die Aktienmärkte stiegen unaufhaltsam, seit Kolanovic bärisch wurde

Aktienmärkte am Höhepunkt?

Die Geschehnisse erinnern ein wenig an die Zeit vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Einige Anleger fragen sich nun, ob die ganze Geschichte ein Zeichen dafür ist, dass die Aktienmärkte ihren Höhepunkt erreicht haben.

Wenn Sie Cloughs Geschichte bis zum Ende verfolgen, werden Sie sehen, dass er am Ende doch Recht behalten hat. Im März 2000 begann die Dotcom-Blase zu platzen und der Aktien-Crash nahm seinen Anfang. Am 3. April verzeichnete der Nasdaq Composite Index seinen bis dahin größten Kurseinbruch. Von da an ging es immer weiter bergab, bis er schließlich bis Ende 2001 mehr als die Hälfte seines Wertes einbüßte. Der Nasdaq erreichte den Höchststand von 2000 erst wieder im Jahr 2015.

Es ist zu befürchten, dass sich die Geschichte wiederholt, denn die Auslöschung von Bären und Zynikern ist etwas, das üblicherweise erst gegen Ende der Aktienmanie geschieht.

„Ist die Situation von Marko Kolanovic ein klassisches Zeichen für ein Top an den Aktienmärkten? fragte David Rosenberg, Gründer und Präsident von Rosenberg Research, rhetorisch. „Es gibt viele Anzeichen für ein Markttop, auf die man achten sollte. Und ich würde sagen, dies könnte durchaus eines davon sein.“

Wall Street-Bären sterben aus

Kolanovic ist allerdings nicht allein. Nur wenige Monate vor der Ankündigung, dass er „andere Möglichkeiten auslotet“, schmiss ein anderer prominenter Wall Street-Bär, der fälschlicherweise eine Talfahrt vorausgesagt hatte, das Handtuch: nämlich Mike Wilson von Morgan Stanley. Er trat als Vorsitzender des globalen Anlageausschusses des Unternehmens zurück – ein Posten, den er ein Jahrzehnt lang innehatte. Seitdem hat er seine Skepsis über den Anstieg der Aktienmärkte abgeschwächt.

Rallye der Aktienmärkte: Mike Wilson ist optimistischer geworden
Wall Street-Stratege Mike Wilson von Morgan Stanley

Clough und Vertreter von JPMorgan und Morgan Stanley lehnten eine Stellungnahme ab.

In vielerlei Hinsicht ist dies eine Geschichte, die so alt ist wie die Wall Street selbst. Wenn man sich in einer Hausse gegen die Herde stellt, kann das dazu führen, dass Kunden und Arbeitgeber „zunehmend unzufrieden mit einem sind“, so Rosenberg, der als Wirtschaftswissenschaftler bei Merrill Lynch die Probleme in der US-Wirtschaft bereits vor der globalen Finanzkrise richtig erkannte.

Aktienmärkte mit Anzeichen für eine Blase

Nehmen wir den Fall der altgedienten Strategin Gail Dudack. Von 1987 bis 2000 arbeitete sie bei Warburg Dillon Read (inzwischen von der UBS übernommen). Im November 1999 wurde sie von Louis Rukeyser, Moderator der „Wall Street Week“ auf PBS, aus seinem „Elfen-Index“ gestrichen, weil sie zu bärisch war. „Elfen“ war sein Spitzname für die Gruppe der technischen Analysten, die regelmäßig in der Sendung auftraten.

„Wenn man anfängt, auf die Bären zu schießen, ist das eine Art klassisches Signal“, sagte sie.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Aktienmärkte einige Merkmale einer Blase aufweisen, insbesondere durch den rekordverdächtigen Anstieg einiger wichtiger Technologieriesen, die von der Entwicklung der künstlichen Intelligenz profitieren sollen. Einige an der Wall Street, darunter auch Kolanovic, haben auf die Blasenbildung in den Indizes hingewiesen, die von den Big-Tech-Unternehmen angeführt werden. Andere argumentieren, dass die Gewinne die Expansion des Marktes rechtfertigen.

Wall-Street-Bär: Marko Kolanovic setzte zu lange auf eine Korrektur im S&P 500
Marko Kolanovic, ehemals JPMorgan

Unabhängig davon, wer Recht hat, ist der Schlüssel, dass Blasen sich weit über die Vernunft hinaus aufblähen können, bevor sie platzen – so war es auch vor dem Dotcom-Crash.

„Bei Blasen geht es nur um Dynamik“, so Dudack. „Sie werden von einer Ansammlung von Aktien angetrieben. Das Problem ist, dass sie funktionieren, weil Momentum weiteres Momentum erzeugt.

In diesem Fall, wenn sich der KI-Boom zu einer KI-Blase entwickelt, kann der S&P 500 nach Einschätzung der Strategen der Societe Generale noch etwa 20 % zulegen, bevor er ähnliche Bewertungen wie zu Zeiten der Dotcom-Hochphase erreicht. Der US-Leitindex notiert derzeit bei rund 5.600 Punkten.

Blind für Risiken

Dies erklärt, warum so viele an der Wall Street derzeit blind für die potenziellen Risiken zu sein scheinen. Ende letzten Jahres lag die durchschnittliche Prognose der Strategen für den S&P 500 im Jahr 2024 bei 4.850, letzten Monat waren es 5.450. Goldman Sachs und UBS haben ihre Prognosen seit Ende 2023 schon dreimal angehoben, während Oppenheimer Asset Management, Citigroup und Deutsche Bank ihre Prognosen ebenfalls kürzlich erhöht haben.

Der Chef-Investmentstratege von State Street Global Advisors, Michael Arone, hat erst kürzlich einen berühmt-berüchtigten Satz des ehemaligen Citigroup-CEO Chuck Prince vom Juli 2007 zitiert, als er sagte, „seine Bank tanze noch“, kurz danach begann die globale Finanzkrise.

„Eine restriktive Fed konnte die Musik dieses Mal nicht stoppen, denn die Wirtschaft bewegt sich in einem neuen Rhythmus“, schrieb Arone am 8. Juli in einem Memo und verwies auf das Potenzial der künstlichen Intelligenz, ein „lang anhaltendes und beispielloses Produktivitätswunder“ zu schaffen.

Korrektur rückt näher

Ein kleiner Teil der Aktienmärkte beginnt jedoch, dieses Herdenverhalten als warnendes Zeichen zu sehen. Scott Rubner, taktischer Spezialist und Managing Director der Global Markets Division von Goldman, warnte vor einer bevorstehenden Korrektur, „da die letzten Bären kapituliert haben und alle im selben Boot sitzen“.

Das reicht aus, um selbst langjährige Bullen fragen zu lassen, ob die laufende Rallye nicht zu weit gegangen ist. So schrieb Ed Yardeni von Yardeni Research in dieser Woche in einer Mitteilung an seine Kunden, dass der Abgang von Kolanovic sowie die Entscheidung von Piper Sandler & Co., die Kursziele für den S&P 500 zu senken, potenziell bärische Signale seien.

„Einige meiner besten Freunde sind Bären“, sagte Yardeni. „Ich denke, die an der Wall Street leisten hervorragende Arbeit. Sie liefern uns eine Menge Gründe, warum die Dinge schiefgehen könnten, und einige von ihnen wurden deshalb als Permabären bezeichnet.“

Die Warnzeichen reichen jedoch nicht aus, um Yardenis Vertrauen in die Aktienmärkte zu erschüttern. Am Donnerstag hob er sein Jahresendziel für den S&P 500 von 5.400 auf 5.800 an und wiederholte seine Prognose, dass der Index bis zum Ende des Jahrzehnts 8.000 Punkte erreichen wird. Er sagte sogar, dass diese Ziele möglicherweise früher als geplant erreicht werden.

„Ich bin oft als Permabulle bezeichnet worden, worauf ich stolz bin, denn ich möchte, dass auf meinem Grabstein steht, dass Yardeni in der Regel bullisch war – und in der Regel Recht hatte“, sagte er. „Wenn man sich die Entwicklung der Aktienmärkte ansieht, geht es normalerweise eher nach oben als nach unten.“

FMW/Bloomberg



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2 Kommentare

  1. Tut nix zur Sache

    Eines möchte ich dazu sagen. Verrückt! …und ehrlich gesagt, nicht mehr tollerierbar. Solche Dinge zeigen, wie krank es geworden ist, auch wenn man feststellen darf, das alle mitspielen.

  2. Wenn es immer toller wird, wird es irgendwann auch „tollerierbar“ ;-)

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