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KI ist alles andere als neu Aktienmärkte: Wie die KI-Story die Innovationsflaute übertönt

Foto: iartedigital - Freepik.com
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Die mediale Entdeckung der künstlichen Intelligenz (KI) im vierten Quartal 2022 (mit Veröffentlichung von ChatGPT) markierte den Beginn einer historischen Rally der amerikanischen Aktienmärkte. Wie aus dem Nichts war das Thema „KI“ plötzlich in aller Munde. Derart überbordend ist die Aufmerksamkeit, dass man meinen möchte, die Technologie wäre erst vor weniger als zwei Jahren erfunden worden – doch dem ist nicht so.

Aktienmärkte und Machine Learning

„Künstliche Intelligenz“ ist ein unklar definierter Marketing-Terminus, mit dem in der Regel Machine Learning-Anwendungen gemeint sind. Grundlegende Werkzeuge zur Verwendung dieser Technologien sind bereits seit über zehn Jahren für jedermann als open-source Bibliotheken zugänglich. Die für die Programmiersprache Python ausgelegten Pakete „scikit-learn“ (Erstveröffentlichung: 2007) und das von Google-Forschern entwickelte Keras bzw. TensorFlow (Erstveröffentlichung: 2014/15) kommen bereits umfänglich zur Anwendung.

Denken Sie an Sprach- und Gesichtserkennung, ungeliebte Chatbots, die lästige Konsumenten abwimmeln sollen, oder Produktvorschläge auf Online-Shoppingseiten. Natürlich hat diese Technologie auch in der Industrie schon lange Einzug gehalten. Allerdings ist nach meiner Erfahrung als Statistiker die Schnittmenge der Probleme, die kompliziert genug sind, um komplexe Algorithmen zu erfordern – aber nicht so kompliziert sind, dass sie nicht gewinnbringend gelöst werden können – erstaunlich gering. Seit 2022 hat sich an dieser Tatsache auch nichts geändert, allein der Lärm wurde lauter. Die Aktienmärkte aber feiern seitdem eine Art Dauer-KI-Party.

Innovations-Flaute

Wenn Sie als Konsument an die letzten zehn Jahre zurückdenken, dann wird Ihnen vielleicht auch auffallen, dass es keine gewaltigen Innovationen gab. Das E-Auto und das Metaverse sind wohl nicht auf eine Stufe mit der Erfindung des Internets oder des Smartphones zu stellen. Natürlich wurden viele Prozesse optimiert, doch für die Tech-Highflyer ist das wohl nicht genug, um ihre stolzen Bewertungen zu rechtfertigen.

Da kommt es den „Magnificent 7“ gerade recht, in einem gewaltigen Dreiecksgeschäft ihre riesigen Cashbestände für NVIDIA-Chips einzutauschen und damit die Kurse ihrer Aktien überproportional zu erhöhen. Die Tech-Giganten spielen somit reale Nachfrage nach KI-Chips vor, was einerseits ihre eigenen Versprechen in die gewaltige Wertschöpfung ihrer Projekte glaubhafter erscheinen lässt und andererseits im Zuge der Rally der NVIDIA-Aktie ein allgemein freundlicheres Kapitalmarkt-Umfeld schafft.

Allein die nach Innovation lechzenden Meta und Microsoft kauften mehr als die Hälfte der H100 Prozessoren. Google gilt wohl zurecht als Geburtsstätte der modernen „KI“ – doch selbst die haben es nicht geschafft, künstliche Intelligenz in ihre B2B-Systeme, wie zum Beispiel „Google Ads“, nahtlos und effizient zu integrieren.

Mäßiges Potential

Machine Learning Anwendungen hatten und haben zweifellos Potential. Sie sind aber genauso wenig neu, wie sie uns alle doppelt so effizient machen werden. Im Theoretischen steckt die Verheißung, denn es ist freilich vorstellbar, dass z.B. Softwareprodukte in einem verbalen Dialog mit dem PC erarbeitet werden könnten. Aber diese Vorstellung schafft noch keine Wirklichkeit. Was sie schafft, sind hohe Kurse der Aktienmärkte für die, die sie zu verkaufen wissen. Das gilt insbesondere für die letzten Jahre, in denen die großen Neuerungen eher im financial- und social-engineering als im Bereich KI auszumachen waren.



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