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Klare Aussagen des Chemieverbands Chemieindustrie im Absturz – Glaube an den Standort Deutschland schwindet

Aktuelle Daten zeigen: Die Chemieindustrie in Deutschland befindet sich im Absturz. Und die Verbandsaussagen sind ein Notruf an die Politik in Berlin.

Die deutsche Chemieindustrie ist im Absturz. Die Meldung, dass der Branchenführer BASF in Deutschland abbaut, und dafür 10 Milliarden Euro in China investiert, war ein großes Alarmzeichen für den Standort Deutschland – aber auch für die Politik? Umsätze und Aufträge in der Branche gehen deutlich zurück, und der Glaube an den Standort Deutschland schwindet. In einer aktuellen Veröffentlichung spricht der Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI) Klartext. Er listet die Probleme der Brache mit dramatischen Worten auf, und appelliert an die Politik in Berlin.

Chemieindustrie mit 16,5 % weniger Produktion

Präsentiert wurde heute die Halbjahresbilanz der chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland – und die falle enttäuschend aus, so der Verband. Die Nachfrage nach Chemikalien habe klar abgenommen. Die Zahlen für das erste Halbjahr sind rot und die Produktionskosten am Standort Deutschland nicht wettbewerbsfähig, so kommentiert der Verband die aktuelle Lage. Der VCI korrigiert deshalb seine Jahresprognose nach unten. Das Produktionsvolumen nur in der Chemieindustrie lag im ersten Halbjahr 16,5 Prozent unter dem Wert aus dem ersten Halbjahr 2022. Und mit durchschnittlich 77 Prozent waren die Kapazitäten nicht ausgelastet.

Aufträge brechen kontinuierlich ein

Die Auftragseingänge in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gingen laut Verbandsangaben seit über einem Jahr nahezu kontinuierlich zurück, die Auftragspolster schmolzen dahin, und der Branchenumsatz sank im In- und Ausland kräftig. Mit 114 Milliarden Euro verfehlten die Erlöse der Chemieindustrie und Pharmaindustrie im ersten Halbjahr das Vorjahresniveau um 11,5 Prozent. Der Inlandsumsatz sank um 15,5 Prozent. Das Auslandsgeschäft ging mit -8,5 Prozent ebenfalls kräftig zurück. Laut einer Mitgliederbefragung melden fast zwei Drittel der Unternehmen Gewinnrückgänge bis hin zu Verlusten. Zu der schlechten Ertragslage habe der hohe Preisdruck beigetragen. Denn trotz anhaltend hoher Produktionskosten kamen die Chemikalien-preise unter Druck.

Chemieindustrie mit 14 % weniger Umsatz im Gesamtjahr 2023

Angesichts der schwachen Industriekonjunktur geht der VCI für das Gesamtjahr 2023 von einem Rückgang der Produktion von 8 Prozent aus. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, dürfte die Produktion der Chemieindustrie um 11 Prozent sinken. Bei insgesamt rückläufigen Preisen dürfte der Branchenumsatz insgesamt um 14 Prozent zurückgehen. Das Exportgeschäft (-12 Prozent) läuft dabei kaum besser als der inländische Absatz (-17 Prozent).

Strukturelle Probleme

Der Branche bereiten laut Mitgliederbefragung nicht nur die strukturellen Defizite des Standorts Deutschland Sorgen. Zitat: „Der Glaube an den Standort Deutschland schwindet. Wir sind keine notorischen Schwarzseher. Aber dieses Klumpenrisiko aus hohen Energiepreisen und Unternehmenssteuern, schlechter Infrastruktur, Fachkräftemangel, Digitalisierungsstau und Bürokratiewahnsinn raubt unseren Unternehmerinnen und Unternehmern die Zuversicht“, so die Aussage des Verbands. Insbesondere die Energiekosten würden fast 90 Prozent der Unternehmen im internationalen Vergleich als schlecht bewerten.

Die Chemieindustrie ist auf wettbewerbsfähige Strompreise angewiesen, so der Verband. Auch wenn die Stromkosten gesunken sind, so würden sie immer noch über dem Vorkrisenniveau liegen, und sie seien auch damals schon ein entscheidender Standortnachteil gewesen. „Deshalb kämpfen wir für einen Industriestrompreis als Brücke in die Zukunft, bis wir genügend Energie aus erneuerbaren Quellen haben. Denn nur so können wir im internationalen Wettbewerb bestehen“. Mit der geplanten Abschaffung des sogenannten Spitzenausgleichs würden für die energieintensiven Industrieunternehmen weitere Probleme hinzu kommen. Es gehe um etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr bei der Stromsteuer – eine zusätzliche Last für die ohnehin schon angeschlagene Industrie.

80 Prozent der Unternehmen bewerten laut VCI-Befragung den Bürokratie- und den Regulierungsaufwand als erheblichen Standortnachteil. Nie zuvor war dieser Wert so hoch. Bei vielen anderen Standortfaktoren, wie beispielsweise auch bei den Genehmigungsverfahren, sieht es ebenfalls düster aus. Das mache sich insbesondere beim Ausbau erneuerbarer Energien bemerkbar. Letztendlich gefährdet die aktuelle Situation laut Verbandsaussage sowohl die Transformation zur Klimaneutralität als auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. „Wir sind der erste Dominostein, der wackelt. Wenn es uns am Anfang der Wertschöpfungskette schlecht geht, trifft es bald auch andere“.

Politik muss handeln

Die konjunkturellen und strukturellen Defizite des Standorts Deutschland sind laut Verbandsaussage nicht länger von der Hand zu weisen. Deshalb müsse die Koalition jetzt schnellstmöglich handeln, damit Deutschland nicht zum Abstiegskandidaten wird. Eine „Offensive 2030“ sollte den Industriestandort fit machen, sodass die deutsche Wirtschaft im globalen Wettbewerb um die Märkte der Zukunft bestehen kann. Reformen sollten laut Verband bewirken, dass Deutschland über eine sichere Energie- und Rohstoffversorgung sowie wettbewerbsfähige Preise für Strom und Gas verfügt, und dass der „Bürokratiewahnsinn ein Ende findet“. Auch solle eine nationale und europäische De-Regulierung erfolgen. Und der Standort Deutschland müsse für in- und ausländische Arbeitskräfte und Investoren sowie für heimische Produktion und Importe attraktiv sein.

Auch wenn das die Worte eines Lobbyverbandes sind, der immer nur das Beste für seine Mitglieder – in dem Fall die Chemieindustrie – erreichen will: Die Worte sind knallhart und klar. Dass die Branche im Abstieg ist, kann nicht übersehen werden. Und man kann in Berlin auch nicht mehr behaupten, niemand hätte einen auf die Probleme hingewiesen. Die Industrie wird zunehmend mit Abwanderung ins Ausland abstimmen, wenn sich nichts änder.

Produktion in der Chemieindustrie Foto: Wirestock – Freepik.com



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10 Kommentare

  1. Von der Politik, die diese Deindustrialisierung vorantreibt Hilfe erwarten?
    Das ist doch die einzige Maßnahme die bei rot/grün funktioniert, um den CO2 Ausstoß tatsächlich und nachhaltig zu reduzieren.
    Ich meine in Deutschland zu reduzueren. In den USA oder in China werden dann die Anlage wieder aufgebaut, und erzeugen zumindest die gleiche Menge CO2. Aber es kostet eben weniger.
    Der Facharbeitermangel wird dann auch gleichzeitig in Deutschland etwas gelindert, wenn die Facharbeiter nicht mit umziehen.
    Mal sehen, wie weit rot/grün bis Ende 2025 kommen wird.
    Schöne neue grüne Welt.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  2. Helmut
    Unsere strammen Verteidiger der Regierungsmaßnahmen hier, die eisernen 10, werden das schon nivellieren und als Lobbyismus klein reden.

  3. Die brauchen lange bis der Glaube an Standortschwächung kommt.

  4. Daß der rheinland-pfälzische Chemiekonzern BASF in der Volksrepublik China investiert, sollte nicht allzu sehr verwundern. Für Staats- und Parteichef Xi Jinping hat die Pharmaindustrie einen entsprechenden Stellenwert. Hinzu kommt die kompetente chinesische Energiepolitik. Der weltweit größte Chemiekonzern darf sich von der Chinastrategie der Bundesministerin des Auswärtigen Annalena Baerbock nicht irritieren lassen.

  5. Die Ampel macht die deutsche Industrie und damit unseren Wohlstand kaputt. Amen.

    1. Maria & Josef Samereier

      Amen!
      Als Samereier Munitionstechnik GbR für Munitionstechnik, Wiederladebedarf und Ballistiksoftware wollen wir uns derzeit nicht beklagen.

      Amen!
      Religiöser Glaube und persönliche Überzeugung in allen Ehren, doch was inspiriert Sie zu der Überzeugung, dass die globalisierte deutsche Aktien-Industrie der letzten 20 Jahre noch am Wohlstand im eigenen Land beteiligt ist und nicht im Gegenteil inzwischen viel mehr davon absaugt? Niedrigstlöhne, Steuergelder, dubiose Tochterfirmen in Steueroasen, alles kollaterale und akzeptable Entwicklungen?

      Amen!
      Der Chinese im Fünfzig-Jahresplan operiert im großen Maßstab. Unterscheidet nicht zwischen Robotern und Menschen, schickt junge Akademiker aufs Land zum Bäumepflanzen gegen Desertifikation, als Erntehelfer und Schweinehirten.

      Amen!
      Das sollten wir wohl auch hierzulande mit unseren Akademikern machen, während die ehrenhafte Handwerkergilde im Alter von 48 auswandert oder dreistellige Stundenlöhne für einstelligen Murks und Pfusch berechnet.

      Amen!

  6. Dr. Rudolph I., Graf von Almogia

    „Auch wenn die Stromkosten gesunken sind, so würden sie immer noch über dem Vorkrisenniveau liegen, und sie seien auch damals schon ein entscheidender Standortnachteil gewesen.“
    Damals wie heute kauft diese Industrie direkt an der Börse oder OTC direkt bei den Erzeugern ein. Der Industriestrompreis lag jahrzehntelang bei 5 bis 7 Cent/kWh. Man profitierte ohne eigene Leistung und Zutun vom Auf- und Ausbau erneuerbarer Energien, über die EEG-Umlage finanziert von großen Teilen des Mittelstands, von Handwerkern, Selbständigen und Endverbrauchern.

    In Deutschland kämpft diese Branche nun durch viel Lobbyarbeit und mit gewohnt wenig Eigeninitiative weiter für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, „bis wir genügend Energie aus erneuerbaren Quellen haben.“ In der kommunistischen Diktatur China investiert sie selber in Windparks, statt auf den Staat zu vertrauen. Welch Hohn und Zynismus einer wirtschaftlichen Elite, deren einzige Werte und Triebfedern des Handelns auf Boni und Dividenden basieren.

    Hoffentlich wird dieses Engagement ein ebensolcher Multi-Milliarden-Totalverlust wie das exzellente und legendäre Russland-Geschäft mit Gazprom. Dieses Mal können die Leistungsträger und Top-Entscheider wenigstens keine systemrelevante und strategische Inlands-Infrastruktur am Pokertisch verzocken. Nur ihr eigenes, ohnehin bereits schwer angeschlagenes Image und noch etwas mehr deutsches Know-how. Manche scheinen nur durch viele Wiederholungen eigener Fehler und noch mehr Schmerz zu lernen.

    Zu befürworten sind dagegen die Forderungen nach mehr Tempo und Effizienz, nach deutlich weniger Bürokratie, die sich im föderalen Sumpf untergeordneter und hoch verschleißfester Behördenstrukturen ein blühendes Biotop geschaffen hat.
    Niemand braucht die Beteiligung einer unteren, mittleren und oberen Naturschutzbehörde, wenn die beiden ersten ohnehin nur Bedenken äußern und langwierige Stellungnahmen abgeben können, aber nicht einmal die Entscheidungsgewalt darüber besitzen, was mit einer 1000 Jahre alten Eiche auf einen neu erworbenen Privatgrundstück geschehen soll, wenn sie urplötzlich störend im geplanten Poolbereich oder auf den Pkw-Stellplätzen wurzelt.

    Niemand braucht monatelange Planungsverfahren für Schwertransporte von Windkraftturbinen, weil sich deren Weg mit freien Porschefahrern aus der FDP auf deren Highspeed-Trassen für 10 unerfreuliche Minuten kreuzen könnte.

    Und ebenso braucht niemand eine Beteiligung von destruktiven Basis-Protestbürgern, nicht mit Kleber für die Straße aus den Chemieschmieden, und ebensowenig mit juristischem Kleber, sobald das billige chinesische Hobbyteleskop von der Dachterrasse aus ein potenzielles Windrad am Horizont entdeckt haben könnte.

  7. Young Global Leader

    Zum gleichen Thema findet man auch einen Artikel hier

    https://www.politico.eu/article/rust-belt-on-the-rhine-the-deindustrialization-of-germany/

    Die Hybris der Deutschen. Sich selbst in eine evolutionäre Sackgasse manövrieren, aber jeden in der Welt schulmeistern – mit Ausnahme der liberalen Amis, die sie versuchen nachzueifern.

  8. Die Boomzeit ruft auch Neider auf den Plan und solche die auf Raub aus sind.
    Friede Freude Eierkuchen verbreiten nur seriöse Qualitätsmedien und Politiker

  9. Die Forderung nach einem Industriestrompreis ist ein Schlag ins Gesicht aller Steuerzahler, denn was dem einen gegeben wird muß dem anderen genommen werden. Ich ziehe meine Konsequenzen aus dieser unsozialen Aussage und verkaufe baldmöglichst meine verbliebenen dt. Chemieaktien!

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