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Commerzbank-Deal – was will die Bundesregierung? Ein Überblick

Die UniCredit hat 9 % der Commerzbank gekauft, und will wohl ganz übernehmen. Was will der Bund? Hier ein Überblick über die Positionen.

Commerzbank Logo
Commerzbank Logo. Foto: Alex Kraus/Bloomberg

Der deutsche Staat hat – wohl ohne es zu merken – jüngst 4,5 % der Commerzbank an die italienische Großbank UniCredit verkauft, über eine Auktion bei der Finanzagentur Deutschland. Die Italiener kauften zeitgleich an der Börse weitere 4,5 %, so dass sie jetzt 9 % an der Commerzbank besitzen. Die Aussagen von UniCredit-Chef Orcel und jüngste Berichte lassen kaum noch Zweifel aufkommen – die Italiener wollen die Commerzbank ganz übernehmen.

Commerzbank: Staatsraison oder freier Markt?

Der deutsche Staat besitzt jetzt noch 12 % der Aktien, aber der Großteil der Commerzbank-Papiere ist im Streubesitz, wäre also für die UniCredit relativ leicht zu kaufen. Immer noch ist unklar, wer den „Fehler“ gemacht hat. Hat die begleitende Bank oder die Finanzagentur Deutschland das Finanzministerium nicht informiert, dass man gerade das gesamte zu verkaufende 4,5 %-Paket an die UniCredit losschlägt?

Aber gut. Jetzt ist der Blick in die Zukunft wichtiger: Soll die Bundesregierung im Sinne einer Staatsraison dafür sorgen, dass die Commerzbank NICHT an die Italiener fällt? Denn dann gäbe es mit der Deutschen Bank nämlich nur noch eine einzige eigenständige deutsche Großbank. Oder soll man – wie es vermutlich das FDP geführte Finanzministerium sieht – rein marktwirtschaftlich denken, und die 12 % Staatsanteil an den Höchstbietenden verkaufen, was vermutlich die UniCredit wäre? Es ist wohl letztlich dieser „Kulturkampf“ zwischen dem rein marktwirtschaftlichen Ansatz und einer Art finanzieller Staatsraison.

Commerzbank-Aktienverkäufe – Problem für Bundesregierung

Die Entscheidung der Bundesregierung, etwa ein Viertel ihrer Beteiligung an der Commerzbank abzustoßen, treibt einen weiteren Keil in die zerrüttete Regierungskoalition von Bundeskanzler Olaf Scholz, so berichtet es Bloomberg aktuell. Finanzminister Christian Lindner von der wirtschaftsfreundlichen FDP verteidigte am Donnerstag den Verkauf eines Anteils von 4,5 % an die italienische UniCredit durch sein Ministerium in der vergangenen Woche und argumentierte, es sei der richtige Zeitpunkt, um den Ausstieg aus der Commerzbank einzuleiten, und es sei nicht die Aufgabe der Regierung, nationale Champions zu schaffen.

Beamte, die für Olaf Scholz im Kanzleramt arbeiten, sehen die Angelegenheit anders und haben darauf bestanden, eine interne Untersuchung darüber einzuleiten, wie der Verkauf abgelaufen ist, so sagen es laut Bloomberg Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Es geht darum, die Abfolge der Ereignisse zu untersuchen und zu klären, warum niemand die Möglichkeit eines strategischen Investors, der die gesamte 4,5-%-Tranche der Commerzbank-Aktien kauft, vorherzusehen schien, fügten die Personen hinzu, die darum baten, in Gesprächen über interne Angelegenheiten nicht identifiziert zu werden. Vertreter der Bundesregierung und der Finanzagentur, die den Verkauf beaufsichtigte, lehnten eine Stellungnahme ab.

Grafik zeigt größte Anteilseigner an der Commerzbank

Der Konflikt ist der jüngste Beweis für die Spannungen innerhalb der Dreiparteienkoalition von Olaf Scholz, die mit ihren Umfragewerten auf Rekordtiefs auf die nächsten nationalen Wahlen in etwas mehr als einem Jahr zusteuert. Die Wähler sind zunehmend frustriert über die Leistung der Regierung, und die Episode mit der Commerzbank hat die Vorwürfe von Oppositionspolitikern befeuert, dass Olaf Scholz und seine Minister nicht über die Kompetenz verfügen, um Europas größte Volkswirtschaft zu führen.

Lindner will alles verkaufen – Politik soll sich raushalten

Auch in der Frage der irregulären Migration nehmen die Spannungen zu, und Scholz‘ SPD läuft Gefahr, bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag die Macht an die rechtsextreme Alternative für Deutschland zu verlieren – das Bundesland, in dem sich der Potsdamer Wahlkreis des Kanzlers befindet. Lindner, dessen FDP-Partei stark marktorientiert ist, bekräftigte am Donnerstag seine Haltung, dass das Land „auf lange Sicht kein Anteilseigner einer Privatbank sein kann, darf und will“.

„Die Bundesregierung darf keine Industriepolitik betreiben, sondern muss ihre Anteile diskriminierungsfrei auf dem Markt verkaufen“, sagte Lindner auf einer Veranstaltung des Finanzministeriums in Berlin. „Und genau das ist der Prozess, den wir jetzt gesehen haben“, fügte er hinzu. Als ehemaliger Finanzminister sollte Scholz ebenfalls an der Veranstaltung teilnehmen, sagte jedoch ab. Mit dem Kauf der Commerzbank-Anteile – dem ersten Aktienverkauf seit einer Rettungsaktion vor über zehn Jahren – erhöhte der Vorstandsvorsitzende von UniCredit, Andrea Orcel, die Beteiligung seiner Bank auf 9 %.

Grafik zeigt größte Banken in Europa nach Einlagenvolumen

Damit wurde UniCredit zum zweitgrößten Aktionär nach der deutschen Regierung, die 12 % hält, und Orcel erklärte anschließend, er erwäge eine vollständige Übernahme. Einige Beamte in Berlin waren offenbar überrumpelt, da sie erwartet hatten, dass institutionelle Investoren jeweils kleine Beträge kaufen würden. Der Schritt von UniCredit hätte für die relevanten Parteien nicht überraschend kommen dürfen, sagte Orcel in einem Bloomberg-TV-Interview einen Tag, nachdem der italienische Kreditgeber, der bereits eine starke Präsenz in Deutschland hat, seine Beteiligung bekannt gegeben hatte.

Gewerkschaften, SPD und Grüne als Gegenpol

Die Gewerkschaft Verdi hat seitdem Druck auf die Regierung ausgeübt, um weitere Aktienverkäufe zu stoppen und UniCredit vom Kauf der Commerzbank abzuhalten, da sie sich Sorgen um den Abbau von Arbeitsplätzen macht. Die deutsche Regierung sei sich auch „sehr wohl bewusst“, dass UniCredit eine separate Position von 4,5 % an der Commerzbank aufgebaut habe, sagte Orcel in dem Interview.

Der Verkauf der Beteiligung, der etwa 700 Millionen Euro einbrachte, wird am kommenden Mittwoch auch vom Finanzausschuss des Unterhauses des Bundestags in einer nicht öffentlichen Sitzung geprüft. Die Gesetzgeber haben das Ministerium von Christian Lindner um Informationen über die Art und Weise der Platzierung und deren Ergebnis gebeten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck, Mitglied der Grünen und zugleich Vizekanzler, betonte am Donnerstag bei einem Gespräch mit Reportern über die Commerzbank die Bedeutung eines robusten Bankensystems für den wirtschaftlichen Wohlstand Deutschlands. „Eine Herausforderung besteht darin, dass der Kapitalmarkt in Europa und auch in Deutschland nicht tief genug ist“, sagte Habeck. “Bei großen Kreditvolumina – Windparks, Umspannwerke oder große Investitionen in Unternehmen – ist die Obergrenze schnell erreicht, weshalb ich generell sagen kann, dass eine starke deutsche Bankenlandschaft wichtig ist.“

FMW/Bloomberg



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