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Frankreich-Stichwahl am Wochenende Le Pen strebt Mehrheit an – Macron und Linke wollen sie stoppen

Marine Le Pen strebt am Wochenende die Mehrheit im Parlament an. Können Macron und die Linken das verhindern? Ein aktueller Überblick.

Jordan Bardella
Jordan Bardella. Foto: Bloomberg

Am kommenden Wochenende ist es soweit. Dann wird sich in der Stichwahl entscheiden, ob Marine Le Pen im Parlament eine Mehrheit erhält, und ob die französische Politik massiv nach Rechts rückt, was die politische Stabilität in ganz Europa negativ beeinflussen könnte. Bevor wir in die Details gehen: Die Anleihemärkte, die wie ein exakter Detektor die Stimmung messen, geben sich zumindest am heutigen Mittwoch ein klein wenig entspannter. Der Aufschlag für französische Staatsanleihen gegenüber deutschen Papieren liegt „nur noch“ bei 0,69 Prozentpunkten nach dem Hoch bei 0,84 Prozentpunkten letzte Woche.

Chart zeigt Renditeaufschlag für Frankreich-Staatsanleihen gegenüber deutschen Papieren

Le Pen strebt nach Mehrheit in Frankreich – Analyse

Marine Le Pens Nationale Sammlungsbewegung versucht, in der letzten Runde der französischen Parlamentswahlen am Sonntag eine absolute Mehrheit zu erreichen, während rivalisierende Parteien versuchen, die rechtsextreme Partei von der Macht fernzuhalten. Bloomberg berichtet wie folgt: Die zentristische Gruppe von Präsident Emmanuel Macron und das breite, linke Bündnis der Neuen Volksfront haben ihre Kandidaten aus 215 Stichwahlen mit mehr als zwei Kandidaten zurückgezogen, um eine Spaltung der Stimmen gegen die Rechtsextremen zu vermeiden, so eine Auszählung der Zeitung Le Monde.

Als Reaktion darauf hat die Nationale Sammlungsbewegung nach Verbündeten gesucht, die ihr helfen, eine Mehrheit im Unterhaus mit 577 Sitzen zu gewinnen, damit sie ein Programm umsetzen kann, das die Rücknahme der Rentenreform der Regierung, die Senkung der Mehrwertsteuer und die Kürzung bestimmter Beihilfen für Ausländer vorsieht. „Ja, wir werden eine absolute Mehrheit haben“, sagte Jordan Bardella, Vorsitzender der Nationalen Versammlung, in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit Le Figaro. „Das einzige Projekt und der einzige Ehrgeiz aller meiner Gegner bei dieser Wahl ist es, meinen Sieg zu verhindern“.

Die Wahl am Sonntag zwingt die Wähler dazu, sich zu entscheiden, ob sie Macrons wirtschaftsfreundliche, pro-europäische und pro-ukrainische Vision für Frankreich bevorzugen oder Le Pens Agenda, die eine drastische Reduzierung der Migration, einen Rückzug aus den Regeln der Europäischen Union und die Rückgängigmachung einiger von Macrons Rentenreformen vorsieht.

Um die 289 Sitze zu bekommen, die er in der Nationalversammlung benötigt, sagte Bardella, dass er bereit sei, die Mitte-Rechts-Republikaner anzusprechen, die „nicht legitimerweise zufrieden sein können, eine Koalition“ zu sehen, die Macron und Jean-Luc Melenchon von der linksradikalen Partei France Unbowed an der Macht hält. Einige Republikaner, angeführt von Eric Ciotti, haben bereits ein Bündnis mit der Nationalen Versammlung geschlossen.

„Wenn ich meine Mehrheit ausbauen muss, werde ich das tun“, sagte Bardella. Er hat bereits gesagt, dass er eine Einladung zum Amt des Premierministers nur annehmen würde, wenn seine Partei und ihre Verbündeten die absolute Mehrheit gewinnen. Der Präsident ernennt diesen Posten traditionell aus der größten Fraktion im Parlament.

Macron löste Anfang des Monats die Nationalversammlung auf und berief eine Blitzwahl ein, nachdem seine Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament eine Niederlage erlitten hatte. Diese Entscheidung führte zunächst zum schlimmsten Kurssturz bei Anleihen seit der Staatsschuldenkrise und ließ den Wert der Aktien um fast 200 Milliarden Dollar sinken.

„In den letzten Tagen hat der Markt die Wahrscheinlichkeit gefeiert, dass es in Frankreich zu einem unentschiedenen Parlament kommen könnte“, sagte Jane Foley, Leiterin der Devisenstrategie bei der Rabobank, im Bloomberg TV. „Ein unentschiedenes Parlament bedeutet, dass Frankreich nicht in der Lage sein wird, weitere Fortschritte bei der Senkung des Haushaltsdefizits zu machen – was bedeutet, dass es weitere Schwierigkeiten mit Brüssel geben wird.“

Die Nationale Sammlungsbewegung und ihre Verbündeten dominierten den ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag und erhielten 33,2 % der Stimmen. Das Linksbündnis Neue Volksfront erhielt 28 %, während die Koalition von Präsident Emmanuel Macron 20,8 % der Stimmen erhielt.

Einer neuen Analyse der Denkfabrik Institut Montaigne zufolge sind die Wahlversprechen der verschiedenen Parteien sehr unterschiedlich teuer, wobei das Linksbündnis vor allem wegen seines Versprechens, das Rentenalter zu senken, am besten abschnitt.

Die Studie ergab, dass die Versprechen der linken Neuen Volksfront fast 125 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln pro Jahr kosten würden, wenn alles umgesetzt würde. Die Pläne der rechtsextremen Nationalen Sammlungspartei schlagen mit fast 55 Milliarden Euro zu Buche, während Macrons Partei und ihre Verbündeten im Laufe der Zeit zusätzliche Ausgaben in Höhe von fast 15 Milliarden Euro verursachen würden.

Die Nationale Sammlungsbewegung ist die einzige Partei, die eine realistische Chance auf eine absolute Mehrheit hat, was bedeutet, dass es im Falle eines Scheiterns zu einem ungleichen Parlament käme, in dem Macron immer noch die Außenpolitik diktieren und sich auf einen Premierminister einigen müsste, der die Innenpolitik führen würde.

Laut Le Monde haben sich 132 Kandidaten der Linken und 83 von Macrons Fraktion aus den drei- und vierstufigen Stichwahlen zurückgezogen. Das Innenministerium wird im Laufe des Mittwochs eine endgültige Auszählung veröffentlichen.

„Wenn wir mit den Rückzügen erfolgreich waren, ist das der Beweis dafür, dass es möglich ist, einen Sieg der extremen Rechten zu verhindern“, sagte der französische Premierminister Gabriel Attal dem Radiosender France Inter.

Der ehemalige sozialistische Präsident Francois Hollande warnte im Radiosender Franceinfo, dass das Risiko einer Mehrheit der Nationalen Sammlungsbewegung „minimiert, aber nicht vermieden“ worden sei.

FMW/Bloomberg



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4 Kommentare

  1. Was mich derzeit bei Berichten aus der Politik sehr ärgert, dass bei Bezeichnungen der „Rechten“ stets von rechtsextrem gesprochen wird. Bei Linken wird der Zusatz „extrem“ nicht verwendet. Ich halte dies für eine „extreme“ Wählerbeeinflussung durch die Hintertür. Selbst eine AfD ist nicht rechts-extrem, sondern eben rechts – so wie die Grünen eben links sind oder besser extrem links. Im Gegenteil, ich sehe eher seit langem schon in den ÖR-Medien eine politische Manipulation der Zuschauer Richtung links. Dies dient über die GEZ dem Machterhalt unserer derzeitigen (unbeliebten) Links-Regierung. Alles was „rechter“ als die Mitte ist, wird sofort als Nazis diffamiert – dabei waren die Nazis ja Linke ! – was die breite Masse der Bürger wohl nicht weiß.
    Aber die Bürger werden langsam aufwachen – die Franzosen sind da einfach schon weiter – wie die Holländer und Italiener.

    1. @cashburner
      In der Presse wird üblicherweise sehr wohl deutlich zwischen den rechten Spektren differenziert, soweit das bei den zahlreichen sich überschneidenden Interessen irgend möglich ist.
      Nehmen wir als Beispiel einmal das Europäische Parlament. Dort gibt es mit den „Europäischen Konservativen und Reformern“ (EKR/ECR) das eher rechtskonservative und in Teilen rechtspopulistische Spektrum und mit „Identität und Demokratie“ (ID) eine Fraktion rechtspopulistischer, nationalistischer und rechtsextremer Parteien.

      Und dann existiert da noch die völkische, rassistische AfD, die sich immer weiter radikalisiert und inzwischen sogar der ID nach einigen Entgleisungen und Skandalen zu weit rechts außen steht. Insbesondere, nachdem sich ihr Listenführer Maximilian Krah verharmlosend über die SS geäußert hatte, während Björn Höcke trotz Verurteilung wiederholt fröhlich Naziparolen skandiert.
      Die AfD sucht nun nach eigenen Mitstreitern für eine neue ultrarechte Außenseiter-Fraktion, die Ultranationalismus, Euroskepsis und pro-russische Sympathien als gemeinsame Basis eint. Mögliche Kandidaten wären Orbans Fidesz, die österreichische FPÖ und Tschechiens ANO.

      Auch bei Linken wird durchaus das Suffix „extrem“ verwendet, etwa wenn von Marxisten-Leninisten, antifaschistischen Organisationen oder schwarzvermummten Autonomen die Rede ist.
      Dazu muss man natürlich erst einmal wissen, dass „Extremismus“ als Sammelbegriff für alle gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten politischen Bestrebungen betrachtet wird, egal ob er sich aus religiösem oder weltanschaulichem Fanatismus, Anarchismus, Libertarismus oder Identitarismus speist.

      Die Grünen als extrem links zu bezeichnen, ist daher kompletter Unsinn. Es sei denn, man betrachtet das ganze Spektrum aus der Sicht eines Rechtsextremen, der sich naturgemäß selbst als „normal“ und in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft befindlich einstuft. Was für so Jemanden dann allerdings rechtsextrem bedeutet, wird für alle Zeiten ein Rätsel bleiben – waren ja sogar die Nazis Linke !

    2. Hegel hatte recht

      @cashburner: Extremus (Stammwort) ist eine deklinierte Form von exter. Dies ist die Bedeutung von exter: 1) auswärtig 2) außen befindlich 3) ausländisch. Der Sinn der Nutzung des Adjektivs liegt also in der Ausgrenzung. Sind die mit dieser Grenzziehung Ausgegrenzten tolerant, so sind sie a priori „nicht extrem“. Sind die Ausgegrenzten intolerant, so sind die Nutzer des Adjektivs selbst „extrem“, da der anderen Seite der Grenzziehung zugehörig. Ist die Aussage also wahr, sind Nutzer und Ausgegrenzte beide „extrem“. Das ist der Hegelsche Monismus. Parteien sind entweder alle „extrem“ oder alle „nicht extrem“.

  2. Moin, moin,

    das passt mehr oder weniger auch auf die BRD. Keines dieser beiden Ländern kann sich zusätzliche Ausgaben leisten. Ergo schielt man auf neue „Einnahmen“. Die Frage lautet dabei immer, wem kann man bequem in die Tasche greifen oder wo kann man noch neue Schulden (pardon „Sondervermögen“) machen. Wie dumm sind eigentlich die Bevölkerungen dieser Länder, um diesen Zusammenhang nicht zu sehen? Da mag der 60 jährige ruhig in Rente gehen, aber die dann bevorstehende Staatspleite bringt ihm dann auch keine Vorteil (=kurzfristiger Vorteil, gegen langfristigen Nachtteil). Vor allem werden diejenigen, die mobil sind und über Vermögen, Know-how etc. verfügen sich vom Acker machen oder denken die Regierungen in Paris und Berlin, dass man der besitzenden Bevölkerung ewig das Fell über die Ohren ziehen kann (=Milchmädchenrechnung).

    Fazit: Weder Paris noch Berlin können mit Geld, also ihren aktuellen Einnahmen, umgehen. Sie benötigen immer mehr Geld, um ihre Wahlversprechen umzusetzen und weitere Wohltaten zu verteilen.

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