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So dramatisch hat unsere Abhängigkeit von China zugenommen

Deutschland erlebte 2022 ein Handelsbilanzdefizit gegenüber China von 84 Milliarden Euro. Experten fordern die Emanzipation von China.

Gleich vorab die Frage: Wenn Deutschland deutlich mehr aus China importiert als man dorthin exportiert, sind dann nicht die Chinesen von uns als Abnehmer abhängig? Müsste Peking nicht darum bangen, uns als wichtigen Abnehmer von Waren zumindest teilweise zu verlieren, wenn man sich politisch verkracht? Die USA machen es vor. Dort konsumiert man wie wild, kauft die Konsumprodukte in China, und kann daher Importzölle gegen China verhängen – weil man weiß, wie sehr die Chinesen die USA als Absatzmarkt für Konsumwaren benötigt.

Deutschland mit gigantischem Handelsbilanzdefizit gegenüber China

Aber ist es bei Deutschland anders? Wir als Produktveredler brauchen jede Menge chinesische Vorprodukte, damit wir wiederum hochwertige Endprodukte herstellen und am Weltmarkt verkaufen können? Sind wir also doch ziemlich abhängig von China? Die Zahlen jedenfalls zeigen eine dramatische Entwicklung. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat heute im Rahmen einer Studie diese Grafik veröffentlicht. Sie zeigt die Entwicklung des deutschen Warenhandels mit China seit dem Jahr 2010. Man sieht, wie sich das Handelsbilanzdefizit gegenüber China zuletzt deutlich verschlechtert hat. 2010 war es ein Defizit von 23,5 Milliarden Euro, 2022 waren es -84,1 Milliarden Euro, nach -39,4 Milliarden Euro in 2021. Um diese Summe überstiegen die deutschen Importe von Waren die deutschen Exporte nach China.

Massiv steigendes Handelsbilanzdefizit gegenüber China

Nun kann man denken: Durch Corona und einen durcheinander gewirbelten Außenhandel sind auch die Handelsbilanzdaten aus den Fugen geraten? Man lausche dazu den Aussagen des IW. Schuld an der höheren Abhängigkeit sei vor allem ein außergewöhnlich hohes Wachstum bei den Warenimporten – sie legten 2022 um über 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Zum Vergleich: Im Handel mit allen Ländern lag das Wachstum bei 24 Prozent. Die Exporte nach China schwächelten laut IW hingegen mit einem Zuwachs von gerade einmal drei Prozent, während die Ausfuhr in die Welt insgesamt um 14 Prozent anstieg. China fiel damit sogar von Rang zwei auf vier der wichtigsten deutschen Exportpartner, sein Exportanteil sank mit nur noch 6,8 Prozent sogar unter das Niveau von 2018.

Deutsche Abhängigkeit von China wächst

Vor der Corona-Pandemie hatte sich das Handelsdefizit gegenüber China meist im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich bewegt. Der starke Anstieg im vergangenen Jahr dürfte laut IW ein Zeichen dafür sein, dass die Entwicklung nicht nur Corona-bedingt war, sondern länger anhält. Deutschland mache sich so zunehmend abhängiger von China. „Diese Entwicklung ist höchst problematisch“, sagt IW-Experte Jürgen Matthes. „Unsere importseitige Abhängigkeit ist ein geopolitisches Risiko. Denn die deutsche Wirtschaft wäre im Falle eines bewaffneten Konflikts um Taiwan erpressbar.“ FMW: Das ist eben die Frage: Marschiert China in Taiwan ein, können wir dann mal eben sagen, wir verzichten auf den Warenhandel mit China? Sanktionen wie sie der Westen gegen Russland durchgesetzt hat, wären gegen China nicht mal ansatzweise realisierbar. Abgesehen von Seltenen Erden etc, hat Europa verlernt viele Dinge herzustellen. Oder wer in Europa baut denn noch Computer, Wasserkocher, Fernseher etc?

Handel mit anderen Partnern nötig

Nach Ansicht des IW sprechen vor allem drei Gründe dafür, dass China die Entwicklung politisch mitgesteuert hat – und dass sie langfristig angelegt ist. Zitat IW:

– China bietet auch aufgrund massiver staatlicher Subventionen billig an. Der Kostendruck der Energiekrise dürfte deutsche Firmen hierzulande stärker dazu veranlassen, auf günstige chinesische Vorleistungen, statt auf teurere deutsche zu setzen.

– Generell versucht China aus geostrategischen Gründen, sich unabhängiger von Importen aus dem Westen zu machen und mehr im eigenen Land zu produzieren – und erschwert deshalb Importe immer mehr.

– Die chinesische Regierung übt immer mehr politischen Druck auf deutsche Tochterunternehmen in China aus, chinesische Unternehmen in ihre Lieferketten einzubinden. Zudem wollen die deutschen Firmen in China den Markt zunehmend mit Produktion vor Ort statt mit Exporten bedienen. Beides schwächt die deutschen Exportperspektiven.

„Die chinesische Wirtschaft ist zu groß, um sich ganz von ihr zu entkoppeln. Das will niemand und es ist auch nicht sinnvoll.“, so sagt es Jürgen Matthes vom IW. „Gleichzeitig sind die Zahlen Alarmsignale. Da bewegt sich etwas in die völlig falsche Richtung. Wir müssen Wege finden, uns von China zu emanzipieren. Berlin und Brüssel sollten den Handel mit neuen Partnern in Asien oder Südamerika dringend erleichtern“, so die Aufforderung des IW.



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4 Kommentare

  1. Ich bin kein Wirtschaftsexperte aber als Ingenieur im Automobilbereich fällt mir auf, daß gerade auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge die Chinesen (und natürlich Tesla) in jüngster Zeit wirklich konkurrenzfähige Produkte auf den europäischen Markt bringen. Es erinnert stark an die Zeit als die Produkte aus Südkorea begannen, sich – nach anfänglichen Qualitätsproblemen – bei uns ganz ähnlich durchzusetzen. Die Auswirkungen werden vermutlich leider drastischer für uns ausfallen.

    Die deutsche Industrie hat hier den Trend viel zu lange verschlafen (z.T. aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft untereinander & schlicht Arroganz). Und dieser Trend wird sich aufgrund der Skaleneffekt und einfacheren Bauweise von EVs auch ohne Subventionen weiter fortsetzten. Im LKW-Bereich zeichnet sich bereits ebenfalls ab, dass diese Antriebsart das Rennen im Volumenmarkt in naher Zukunft machen wird.

  2. Es wir wohl auch so kommen wie bei N1. Die beiden Röhren von N1 wurden geplant von Rot/Grün unter Kanzler Schröder. Und heute wirft Rot/Grün Merkel vor, das Deutschland zu sehr von russischem Gas abhängig gemacht hat.
    Merkel hat zwar N2 zu verantworten, aber dadurch wurde ja nie Gas geliefert.
    Ich bin auch kein Autoexperte.
    Aber Eelektroautos werden auch von vielen Ländern gebaut werden können, die Verbrenner nie serienmäßig hätten herstellen können.
    Ich fahre meinen bald 20 Jahre alten Diesel weiter. Wäre er ein Elektoauto gewesen, würde ich heute vielleicht schon die 3. Batterie im Auge haben.
    Heute setzt Rot/Grün wieder so einiges an die Wand, aber in 20 Jahren wird man dann die AfD(!D) dafür verantwortlich machen; nach dem Motto:
    „Warum wurde ganz bewußt die deutsche Industrie an die Wand gefahren“?
    Wählt besser Rot/Grün, wir sind gegen Waffen in Kriegsgebiete und für….
    Ich hoffe nur, dass sie nicht wieder einen Krieg in Europa anzetteln.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  3. Abhängig ist auch das Huhn vom Ei und umgekehrt. Solche Berichte sind leicht zu durchschauen und Interessen geleitet. Das Ifo-Institut hat es vor Monaten benannt, von wem und vor allem was (Rohstoffe) wir abhängig sind. In einer multilateralen Welt kein Problem, aber wer nur seine Interessen auf Kosten anderer durchsetzen möchte, schafft nur neue Abhängigkeiten. Wir brauchen uns gegenseitig und sollten überlegen, wie das zum Wohle vieler gelingen kann.
    Den übergeordneten Zielen Umweltschutz, Reduzierung CO2, Bekämpfung von Hunger, globale Energieversorgung, Bildung und Abrüstung, Digitalisierung zwecks Ressourceneinsparung folgend, anstatt von einer Abhängigkeit in die nächste zu stolpern.

  4. China hat einen mächtigen Binnenmarkt, den sie selbst bedienen wollen. Zudem werden sie technisch immer besser so haben sie z.B. im Maschinenmarkt mit Deutschland (fast) gleichgezogen. Bei großen Anlagen scheinen sie sogar die Nase vorne zu haben. Ganz zu schweigen bei den E-Autos.

    Zudem sind weitere Faktoren zu berücksichtigen:

    Die hohen Sozialaufwendungen in Deutschland (ca. 63 % des Bundeshaushaltes) verteuern die Produkte.
    Da der technische Abstand sich immer verkleinert, fallen Investitionsentscheidungen zunehmend für China aus.

    Die Sanktionspolitik der USA ist ein weiterer Grund, weshalb sich China strategisch absichern muss.

    Nicht zu unterschätzen sind eher emotionale Gründe: Deutschland will die Chinesen moralisch missionieren. Und das doch sehr deftig. China ist eine stolzes Land….

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