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VIX nahe Rekordtiefs Wall Street: Volatilität bricht ein – Furchtlos in die nächste Krise?

Wall Street: Volatilität bricht ein - Furchtlos in die nächste Krise?
Wall Street - Volatilität bricht ein. Grafik: natanaelginting - Freepik.com

Die Volatilität bricht ein. Überall. Ob Aktien, Öl, Anleihen oder Devisen, die Volatilität sinkt immer weiter. Die Volatilität, auch bekannt als VIX-Index, der als Angstbarometer fungiert, stürzt an den Finanzmärkten regelrecht ab. Das bedeutet, dass die Anleger fast keine Risiken an den Finanzmärkten mehr sehen und sich daher nicht gegen diese absichern. Der VIX, ein wichtiger Indikator für die erwartete Volatilität des S&P 500 Index, ist in der letzten Woche nur knapp an seinem Rekordtief aus dem Jahr 2017 vorbeigeschrammt. Die Ruhe an den Märkten steht jedoch im Kontrast zu dem wahrgenommenen fundamentalen Bild. Steuert die Wall Street also furchtlos auf die nächste Krise beziehungsweise die nächste große Korrektur zu?

Wall Street: Volatilität bricht ein

Ein potenzielles Risikoereignis nach dem anderen, von den Inflationsdaten bis hin zu dem Quartalsbericht von Nvidia, überstand der Markt mit kaum einer Bewegung der Volatilität. Und da der Verkauf von Optionen weiterhin in vollem Gange ist, könnte die Volatilität in diesem Monat noch weiter sinken.

Der VIX-Index für den S&P 500 sank am frühen Donnerstag auf den niedrigsten Stand seit fast fünf Jahren, bevor er wieder etwas zulegte. Mit 11,5 Punkten war er nur wenige Punkte von den Rekordtiefs des Jahres 2017 entfernt, das die am wenigsten volatilen Aktienmärkte in der modernen Geschichte markierte. Die implizite Dreimonatsvolatilität des S&P 500 beendete die Woche auf dem niedrigsten Stand seit Oktober 2018. Aktuell notiert das sogenannte Angstbarometer jedoch wieder etwas höher bei 12,45.

Aktien sind nicht allein: Öl, Anleihen, Kredite und sogar das Volatilitätsmaß für Devisen sinkt. Die Angebotskürzungen der OPEC+ haben den Ölmarkt in einer Bandbreite stabilisiert. Zudem sorgten der Rückgang bei der realisierten Zins-Volatilität und ein enger Ausblick für die G10-Währungen für eine geringe Volatilität am Devisenmarkt.

Volatilität: VIX-Index bricht ein - an allen Märkten
Furchtlose Wall Street: Die Volatilität stürzt bei verschiedenen Vermögenswerten ab

Nachfrage nach Absicherung sinkt

In nächster Zeit gibt es nur wenige Chancen für Überraschungen. An den Aktienmärkten neigt sich die Berichtssaison dem Ende zu, und die Sommerferien in Europa und den USA stehen kurz bevor. Die Delegierten der OPEC+ erwarten, dass die Gruppe die Produktionskürzungen bei ihrem Treffen am 2. Juni praktisch bis in die zweite Jahreshälfte hinein verlängert. Und die meisten von Bloomberg zusammengestellten Prognosen der Wall Street-Banken gehen davon aus, dass die Fed die Zinsen im September oder später senken wird.

Da die Aktienmärkte neue Höchststände erreichen und scheinbar nichts die Rallye ernsthaft bedroht, gibt es für die Anleger kaum Anreize, den Markt zu shorten. Die Nachfrage nach Absicherungsgeschäften ist sehr gering, da sich Long-Put-Optionen bei leichten Kursverlusten, die schnell wieder ausgeglichen werden, nicht auszahlen. Gleichzeitig drückt der Boom bei Anlageinstrumenten, die auf den Verkauf von Optionen ausgerichtet sind, die Volatilität nach unten.

Auch die Positionierung von Optionshändlern wird nicht dazu beitragen, größere Kursschwankungen zu fördern. Die Händler sind Gamma-Long, was als Marktstabilisator fungiert. „Da der S&P 500 weiter steigt, wird das positive Gamma immer dicker“, so die Spotgamma-Strategen am Donnerstag. „Mehr positives Gamma bedeutet engere Handelsspannen und weniger Aufwärts-Volatilität“.

In der Zwischenzeit wird das Heer der Volatilitätsverkäufer von Monat zu Monat größer, wobei das in Derivat/Income-Fonds verwaltete Vermögen jetzt 200 Milliarden Dollar beträgt. Sie bringen jeden Monat mehr als 250 Millionen Vega in den Markt ein und unterdrücken damit die Volatilität auf eine noch nie dagewesene Weise.

Wall Street: Anleger kaufen Optionen, aber sichern sich nicht gegen Korrekturen ab
Derivate/Income-Fonds steigen weiter

Wall Street: Ruhe vor dem Sturm?

Die Ruhe an der Wall Street steht im Gegensatz zu dem wahrgenommenen fundamentalen Bild, wobei die Überraschungspotenzial in der US-Wirtschaft nun fast so groß ist wie vor dem Einbruch im Mai 2022, schreiben die Strategen von Tier 1 Alpha.

„Der Mai 2022 war die Mitte des S&P-Einbruchs, der uns einige Wochen später auf 3.700 Zähler brachte, ausgehend von 4.800 Punkten. Im jetzigen Zyklus hat es nichts dergleichen gegeben. Eine gute Erinnerung daran, dass der Markt nicht die Wirtschaft ist.“

Da 2024 in den USA und anderswo ein Wahljahr ist, stellt sich die Frage, wie lange das Regime der niedrigen Volatilität anhalten kann. Die implizite Volatilität des indischen Aktienmarktes ist in diesem Monat während der laufenden nationalen Wahlen sprunghaft angestiegen. Das kann auch in den USA passieren.

Obwohl die VIX-Futures des S&P 500 im Vergleich zu anderen Wahljahren niedrig sind, reagieren sie bereits empfindlicher auf das Ereignis, wobei die Oktober-Kontrakte einen Aufschlag gegenüber September und November aufweisen. Und die zweimonatige Volatilität des Pfunds hat letzte Woche zugenommen, was die Risiken im Zusammenhang mit den Wahlen im Vereinigten Königreich am 4. Juli widerspiegelt.

S&P 500: VIX auf tiefsten Stand seit fünf Jahren - US-Wahl im Fokus
CBOE Volatilitätsindex-Future

„Die Welle in der VIX-Futures-Kurve, die typischerweise vor einer US-Wahl auftritt, trat diesmal früher auf“, schrieb Tanvir Sandhu, Chefstratege für globale Derivate bei Bloomberg Intelligence. Dies muss aber nicht der letzte Volatilitätsanstieg an der Wall Street vor der US-Wahl gewesen sein.

FMW/Bloomberg



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