Gut die Hälfte aller Menschen in Deutschland (49 Prozent) bekennen sich zum Christentum. Und sie alle – und Millionen Nichtchristen mit ihnen – feiern dieser Tage Weihnachten. Weihnachten ist zwar strenggenommen erst am 25. Dezember. Aber nach alter jüdischer Sitte beginnt ein jeder Festtag schon am Vortag mit Anbruch der Dunkelheit. Daher wird in Deutschland Weihnachten am 24. Dezember gefeiert.
Weihnachten ist Zeitenwende
Weihnachten, das ist die geweihte Nacht, da zu Betlehem im Stall ein kleiner Knabe geboren wird. Heiligabend ist für Christen eine eschatologische Zeitenwende. Das Datum hat die Zeitrechnung weltweit standardisiert. Wir schreiben gegenwärtig das Jahr 2022 nach Christi Geburt. Allerdings sollte man die Zeitenwende nicht zu hoch hängen. Damals, im Jahre 0, bekamen die Zeitenwende nicht alle auch sofort mit. Die meisten verschliefen den Epochenwechsel einfach. Nicht so die Hirten, die nachts draußen waren auf freiem Feld. Dort hielten sie Wache und schon deshalb die Augen offen. Oder die drei Weisen aus dem Morgenland. Den gelehrten Astronomen war der Stern zu Betlehem mehr als eine flüchtige Erscheinung und insofern alles andere als schnuppe.
Weihnachten ist ein Geschenk
Weihnachten ist im strengen Sinne nichts weiter als ein Kindergeburtstag. Allerdings nicht irgendeiner, sondern der von Gottes Sohn. Das glauben wenigsten Abermillionen Menschen rund um den Globus. Weihnachten ist Ihnen ein Wunder. Wenn es dieses Fest nicht gäbe, müsste man es direkt erfinden. Das schönste an Weihnachten ist, in die glänzenden Kinderaugen zu schauen, wie sie gleichsam angewurzelt und überwältigt vor dem von zahllosen Kerzen illuminierten Weihnachtsbaum stehen. Und dann natürlich die Geschenke… Wir beschenken an Weihnachten unsere Lieben, weil Gott – Mensch geworden – sich an uns verschenkt. Weihnachten ist ein Geschenk:
Freude schenkend,
Glanz der Lichter!
Das Herz läuft über,
Glück entsendend…
Dürers Weihnachtsaltar
Seit Jahrhunderten suchten Künstler, das Mysterium der heiligen Nacht ins Bild zu setzen. Und wenigen gelang dies so meisterlich und atmosphärisch dicht wie Albrecht Dürer, dem Maler-Genie aus Nürnberg. Den abgebildeten Weihnachtsaltar, ein sogenanntes Retabel mit beweglichen Flügeln, schuf Dürer für die Nürnberger Patrizierfamilie Paumgartner um 1500.
Das Meisterwerk ist mehr als ein halbes Jahrtausend alt. Menschen aus aller Welt kommen extra nach München, um diese Gemäldetafeln in der Alten Pinakothek zu sehen. Das Mittelbild zeigt Maria mit dem Christuskind im Zentrum. Joseph ist in Dreiviertelansicht von hinten gegeben. Die Figuren sind ungewöhnlich plastisch modelliert.
Dürer schildert das Geschehen in kräftigen Farben, mit zeittypischer Buntfarbigkeit, vor allem mit leuchtenden Blau- und Rottönen. Auffallend ist die perspektivische Fluchtung der zu einem Hof arrangierten Architekturkulissen. Der Altar entstand zu einer Zeit, als Dürer sich intensiv mit den Gesetzen der Perspektive beschäftigte. Der betlehemitische Stall ist deshalb als Architektur-Staffage zu sehen, als der legendarische Palast Davids, mit romanischen Säulen. Die Romanik lag zu Dürers Zeit bereits 300 Jahre zurück und er wollte damit auf das hohe Alter des deswegen baufälligen Palastes hinweisen.
Die Anwesenheit der eigentlich Abwesenden
Der Erzhumanist, Luthergefährte und Wiedererwecker des Altgriechischen, Philipp Melanchthon, sagt am Ende seiner „Rhetorik“, Dürer male monumental. Das ist richtig. Monumentalität, aber auch feierliche Ruhe und Abgeklärtheit kennzeichnen die Figuren zu beiden Seiten der Mitteltafel. Mit ihnen hat es eine besondere Bewandtnis. Sie zeigen nämlich die Stifter des Altars: Links Stefan Paumgartner in Gestalt des hl. Georg; rechts seinen Bruder Lukas in Gestalt des hl. Eustachius. Es handelt sich um versteckte Porträts, sogenannte Krypto-Porträts. Die Brüder schlüpfen hier mit wehenden Fahnen in die Rolle von Streitern Christi. Darin liegt aus ihrer Sicht der Dinge nicht etwa freche Anmaßung, sondern eher konsequente Nachfolge Christi. Denn Stefan und Lukas Paumgartner war es mit der Nachfolge immerhin so ernst, dass sie sich 1498 als Pilger zusammen mit dem Herzog von Sachsen auf die nicht ungefährliche Reise ins Heilige Land begeben hatten.
Aufgeweichte Statur
Außerdem mochte es aus ihrer Perspektive allemal angebrachter erscheinen, wenn Dürer die Heiligen mit ihren Bildnissen malte, als wenn er beliebige Modelle, womöglich von zweifelhaftem Ruf, nur wegen markanter Gesichtszüge, in die Heiligendarstellungen hineinsetzte. Lukas in der Rolle des hl. Eustachius wirkt glaubhaft, weil athletisch und energisch. Stefan Paumgartner als hl. Georg macht dagegen eine ziemlich saft- und kraftlose Figur. Dass er den Drachen in seiner Linken mutig im Kampf bezwungen hat, wird ihm keiner abgenommen haben. Dürers Realismus beschönigt erst gar nicht die aufgeweichte Statur des Kaufmanns in der Rolle des heldenhaften Recken.
Hypermoral
Die weitverbreitete Praxis der Kryptoporträts blieb zeitgenössisch nicht unwidersprochen. Der Franziskaner Thomas Murner nimmt sie aufs Korn und reiht sie 1512 in die gängigen Torheiten der Zeit ein: „Wo er macht eines Heiligen Bild / das do gleichen sollt ihm selbst“. – Murner änderte nichts. Das Selbstbewusstsein der Stifter war enorm. Koste es was es wolle. Und koste es die Glaubwürdigkeit. Erstrangige Künstlerpersönlichkeiten wie Dürer setzten es auf Verlangen ins Bild und beschritten damit einen schmalen Grat. Auf der Mitteltafel erscheinen die Brüder übrigens ein zweites Mal, diesmal kleinfigurig und kniend, zusammen mit den übrigen Familienmitgliedern, die fein säuberlich nach Geschlecht aufgereiht sind. Die kniende Frau ohne Haube ist unverheiratet.
Einen Schein mit Licht werfen
Dürers Paumgartner Altar stand die meiste Zeit im Jahr mit geschlossenen Klappflügeln. Aber an Weihnachten, dem neben Ostern, Pfingsten und Christi Himmelfahrt wichtigsten Hochfest, öffneten sich die Flügel. Die Menschen wurden dann Zeuge der prachtvollen Epiphanie von Christi Geburt, ganz so wie die Hirten im Bildmittelgrund. Unaufdringlich eindringlich rückt Dürer sie ins Bühnenbild. Eine geheimnisvolle Lichtregie taucht die Welt in euphorisches Licht. Einen Schein mit Licht werfen, das ist Weihnachten! Aber nicht zu hell, damit das Jesuskindlein einschlafen kann. Die anrührendsten Weihnachtslieder sind Schlaflieder. Und die werden die Engelein und Putti in dieser Nacht der Nächte anstimmen.
Wir wünschen allen unseren Lesern ein besinnliches Weihnachtsfest!
Albrecht Dürer (1471-1528) Paumgartner-Altar, um 1500
München, Alte Pinakothek
Der Flügelaltar ist zu bewundern im Obergeschoss, Saal IV
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
http://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/anxgBDj4Eq
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Kultur in allen Facetten.
oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, der Dürers Paumgartner Altar ist Nurenburg
abgehaun.
Die Nürnberger seih verziehn, a boor Bilder sinn ja Hänga bliem.
Es sei gedankt Georg Habenicht.
Jauchzet , Frohlocket……………
Hallo Herr Habenicht, frohe besinnliche Weihnachten.
vg md
Erkennen wir nicht hier bereits die deutsche Hybris? Das gelobte, heilige Land gehört es doch den Gelobten im Heiligen Land. Die Anmaßung weltliche Köpfe auf heilige Körper zu malen, von wem auch immer ausgehend. Und ebenso wie heute, den Mächtigen gefiel es nicht, also wurde übermalt. So wie heute Krypto überzeichnet. Hat sich nicht viel geändert, danke für den spannenden Einwurf und die Anregung.